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Dokument-ID: 452941

Judikatur | Entscheidung

3 Ob 53/12h; OGH; 18. April 2012

GZ: 3 Ob 53/12h | Gericht: OGH vom 18.04.2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Dr. Bernhard Gumpoldsberger, Rechtsanwalt in Sattledt, wider die beklagte Partei A*****, vertreten durch Frieders Tassul & Partner Rechtsanwälte in Wien, wegen 12.950 EUR sA und Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 23. November 2011, GZ 38 R 290/11w-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 11. Juli 2011, GZ 47 C 179/10p-16, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Bei den Parteien des Verfahrens handelt es sich bei der Klägerin um die nunmehrige Vermieterin einer Wohnung und beim Beklagten um den nunmehrigen Mieter, zu dessen Gunsten zwischen den ursprünglichen Parteien des mündlichen Mietvertrags aus im Jahr 1955 (in Hinkunft Vorvermieter und Vormieter) im Jahr 1963 schriftlich das Recht des Vormieters zur „Weitergabe der Mietrechte im Falle seines Todes“ ua an „die leiblichen Nachfolger“ vereinbart wurde. Im Jahr 1995 erklärte der Vormieter gegenüber einer Rechtsnachfolgerin des Vorvermieters unter Hinweis auf dieses Weitergaberecht, dass er im Fall seines Ablebens das Mietrecht an den Beklagten als seinen Sohn weitergebe, was von ihr zustimmend zur Kenntnis genommen wurde.

Den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildet allein die für die Beurteilung des Zahlungs- und Räumungsbegehrens zu lösende Vorfrage, ob die Klägerin gegenüber dem Beklagten zur (rückwirkenden) Anhebung des Hauptmietzinses nach § 46 Abs 2 MRG berechtigt ist.

Das wurde von den Vorinstanzen übereinstimmend verneint.

Dagegen richtet sich der zwar als „I. Antrag gem § 508 ZPO II. Revision“ bezeichnete und aufgebaute, jedoch als außerordentliche Revision zu behandelnde Schriftsatz der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung iSd Stattgebung der Klage, hilfsweise Aufhebung. Sie hält an der Berechtigung ihres Anhebungsbegehrens fest und macht im Wesentlichen geltend,

- in § 3 Abs 3 des Mietvertrags sei eine Mietzinsanpassung vorgesehen worden, weshalb die Klägerin schon vertraglich zur Erhöhung des Mietzinses berechtigt sei,

- die Vorinstanzen hätten zu Unrecht angenommen, das Erhöhungsbegehren sei nur auf § 46 Abs 2 MRG gegründet worden, weil eine derartige Beschränkung dem Verfahrensakt nicht zu entnehmen sei,

- es sei davon auszugehen, dass der Beklagte sein gesetzliches Eintrittsrecht nach § 14 MRG ausgeübt habe, worauf § 46 Abs 2 MRG Anwendung finde,

- auch vertragliche Weitergaberechte würden dem § 46 Abs 2 MRG unterliegen, und

- es sei unzulässig, von einem Verzicht des Vorvermieters auf ein erst später durch Änderung der Rechtslage entstandenes Mietzinsanhebungsrecht auszugehen.

Rechtliche Beurteilung

Damit gelingt es der Klägerin aber nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, weshalb die außerordentliche Revision als nicht zulässig zurückzuweisen ist.

1. Die Klägerin hat sich in erster Instanz nie auf ein vertragliches Mietzinsanpassungsrecht (nach § 3 Abs 3 des Mietvertrags) berufen; Beweisergebnisse, also auch Urkunden, vermögen aber Vorbringen nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0037915); dennoch dazu getroffene Feststellungen sind als überschießend und deshalb für die rechtliche Beurteilung unbeachtlich anzusehen (RIS-Justiz RS0037972 [T6, T7, T9 und T14]). Daher verstößt das dazu erstmals in der Revision erstattete Vorbringen der Klägerin gegen das Neuerungsverbot des § 504 Abs 2 ZPO und muss deshalb unbeachtet bleiben.

2. Die Annahme, die Klägerin habe die verlangte Anhebung des Hauptmietzinses nur auf § 46 Abs 2 MRG gestützt, entspricht der Aktenlage. Wenn es die Klägerin in ihrem Vorbringen in erster Instanz auch unterlassen hat, eine rechtliche Qualifikation des Erhöhungsbegehrens vorzunehmen, so hat sie der Erörterung der Erstrichterin, es sei ausschließlich auf § 46 MRG gestützt (ON 15 S 1 = AS 97), trotz weiteren umfangreichen Vorbringens nicht widersprochen. In diesem Sinn wurde auch in der Rechtsrüge der Berufung nur mit der Berechtigung der Anhebung nach § 46 Abs 2 MRG argumentiert. Das Berufungsgericht hat seine rechtliche Prüfung daher zutreffend auf diese Norm beschränkt.

3. Der Beklagte hat das im schriftlichen Mietvertrag vorgesehene Weitergaberecht eingewendet und ausdrücklich behauptet, dieses sei mit dem Ableben des Vormieters (= seines Vaters, der 1997 verstarb) ausgeübt worden (ON 6 S 3 = AS 25). Dem ist die Klägerin in keiner Weise substantiiert entgegengetreten; vielmehr hat sie dieses vertragliche Weitergaberecht an sich nie infrage gestellt; sie hat auch weder vorgebracht, der Beklagte habe ein gesetzliches Eintrittsrecht (sei es nach §§ 12 oder 14 MRG) ausgeübt, noch behauptete sie Tatsachen, die diesen gesetzlichen Tatbeständen entsprechen (obwohl sie in der Klage von einem Eintritt des Beklagten schon im Jahr 1995, also noch vor dem Tod des Vormieters ausging); ebenso wenig hat sie eine unterbliebene Verständigung der (damaligen) Vermieterin vom Übergang der Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag auf den Beklagten geltend gemacht.

Es war daher schon in erster Instanz als unstrittig anzusehen, dass der Beklagte das vorgesehene Weitergaberecht seines Vaters in Kenntnis der Vermieterin ausgeübt hat. Deshalb bedurfte es weder (näherer) Feststellungen dazu noch stellt sich das erstmals in der Revision aufgeworfene Rechtsproblem der Qualifizierung des Vertragseintritts bei konkurrierenden Möglichkeiten aus Vertrag und Gesetz (§§ 12 oder 14 MRG).

4. Es entspricht herrschender Ansicht, dass das in § 46 Abs 2 MRG vorgesehene Recht des Vermieters zur Anhebung des Hauptmietzinses nur bei einem Eintritt aufgrund des Gesetzes, nicht aber bei einem vertraglichen Weitergaberecht zum Tragen kommt (7 Ob 588/84 = MietSlg 36.561 und 36.157; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 46 MRG Rz 7; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht²² § 46 Rz 2; Würth in Rummel³ § 46 MRG Rz 2a). Davon abzugehen bieten die Revisionsausführungen keinen Anlass.

Die verlangte Gleichstellung eines für den Todesfall vereinbarten Weitergaberechts mit dem gesetzlichen Eintrittsrecht nach § 14 MRG (oder § 19 Abs 2 Z 11 MG) übergeht nämlich zum einen den wesentlichen Umstand, dass das Erstgenannte auf dem im Vorhinein erteilten Einverständnis des Vermieters beruht, während das gesetzliche Eintrittsrecht auch ohne und sogar gegen die Zustimmung des Vermieters erfolgt; zum anderen normiert § 14 MRG verschiedene Voraussetzungen für den ex lege erfolgenden Eintritt, die hier für die Vertragsübernahme ua durch den Beklagten nicht vorgesehen wurden. Gegen eine Gleichbehandlung eines vom Vermieter gewollten Übergangs der Mietrechte auf den Sohn des Mieters mit einem unter Umständen zwingend hinzunehmenden Eintritt dieser Person spricht weiters der Wortlaut des § 46 MRG, der im ersten Absatz ausdrücklich nur auf den Eintritt bestimmter dem Mieter nahestehender Personen nach „§ 12 Abs 1 und 2, § 14“ MRG Bezug nimmt, und daran anknüpfend im zweiten Absatz die Möglichkeit zur Erhöhung des bisherigen Hauptmietzinses für andere als im ersten Absatz genannte, eintretende Personen schafft. Schließlich sei darauf hingewiesen, dass auch der Gesetzgeber trotz häufiger Novellierungen des MRG bisher offensichtlich keine Notwendigkeit erkannt hat, eine gesetzliche Regelung entgegen der herrschenden Ansicht vorzusehen.

Es hat daher dabei zu bleiben, dass die Ausübung eines vertraglichen Weitergaberechts den Vermieter nicht zur Erhöhung des bisherigen Hauptmietzinses nach § 46 Abs 2 MRG berechtigt.

5. Soweit die Klägerin vermeint, die Vorinstanzen hätten die Verneinung der Berechtigung zur Anhebung des Hauptmietzinses darauf gestützt, der Vorvermieter habe auf ein erst später durch Änderung der Rechtslage entstandenes Mietzinsanhebungsrecht verzichtet, übergeht er die Begründung der Entscheidungen. Sowohl das Erst- als auch das Berufungsgericht verneinten nämlich ein Recht zur Erhöhung – frei von Rechtsirrtum – mit dem Argument, die Ausübung eines vertraglichen Weitergaberechts verwirkliche nicht den Tatbestand des § 46 Abs 2 MRG, wobei das Berufungsgericht sogar ausdrücklich und zutreffend feststellte, dass sich daher die Frage nach einem Verzicht gar nicht stellt.

Da § 46 Abs 2 MRG bei Ausübung eines vereinbarten Weitergaberechts nicht zur Anwendung kommt (vgl Punkt 4.), also auch die neue, durch das MRG geschaffene Rechtslage die Möglichkeit der von der Klägerin nunmehr verlangten Erhöhung des Hauptmietzinses nicht vorsieht, braucht also die von der Klägerin erstmals in der Revision erhobene Frage, ob der Vorvermieter bei Vereinbarung des Weitergaberechts auf eine Ausübung allenfalls später gesetzlich eingeräumter Rechte verzichten wollte, nicht beantwortet zu werden. Selbst wenn man nämlich unterstellen wollte, der Vorvermieter hätte sich die Ausübung in Zukunft durch Gesetz ermöglichter Ansprüche vorbehalten, könnte er sich auf § 46 Abs 2 MRG beim vorliegenden Sachverhalt nicht berufen, weil die Bestimmung diesen nicht erfasst. Feststellungen zu diesem Thema, mögen sie getroffen oder nur gewünscht sein, kommt daher keine rechtliche Relevanz für die Beurteilung des Erhöhungsbegehrens zu.

Leitsätze