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Dokument-ID: 1080257

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 53/20k; OGH; 21. Juli 2020

GZ: 5 Ob 53/20k | Gericht: OGH vom 21.07.2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers Dr. H***** T*****, vertreten durch Dr. Ralph Mayer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Miteigentümer und übrigen Wohnungseigentumsbewerber der Liegenschaft EZ ***** KG *****, darunter die Miteigentümerin „W*****“ W*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch die Bartlmä Madl Rechtsanwälte OG in Wien, wegen § 52 Abs 1 Z 1 WEG iVm § 9 Abs 2 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 18. Dezember 2019, GZ 39 R 254/19w-10, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Der Antragsteller beantragte als Wohnungseigentumsbewerber – gestützt auf § 9 Abs 2 WEG – die erstmalige Festsetzung der Nutzwerte betreffend die Liegenschaft durch das Gericht. Das im Auftrag der Wohnungseigentumsorganisatorinnen erstellte Nutzwertgutachten missachte Grundsätze der privatisierten Nutzwertfestsetzung und enthalte offensichtliche Fehlbewertungen.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Der Antragsteller sei nicht antragslegitimiert.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge. Der Antragsteller habe zwar den Wortlaut des § 10 Abs 1 WEG für sich, der dem Wohnungseigentumsbewerber die Antragslegitimation in Verfahren gemäß § 9 Abs 2 Z 1 bis 4 WEG ohne Einschränkung einräume. Allerdings übersehe er § 52 Abs 1 Z 1 WEG, wonach über die Anträge auf Nutzwertfestsetzung das Bezirksgericht im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden habe. Das Verfahren gemäß § 52 Abs 1 Z 1 WEG stehe dem Antragsteller aber nicht offen. Da bislang kein anderer Wohnungseigentumsbewerber Miteigentum erworben habe, sei auf den vorliegenden Fall ausschließlich § 37 Abs 5 Satz 2 WEG anzuwenden. Dieser räume einem Wohnungseigentumsbewerber, der noch nicht Miteigentümer sei, zu dessen Gunsten aber eine Zusage nach § 40 Abs 2 WEG angemerkt sei, ab Bezug des wohnungseigentumstauglichen Objekts nur die Rechte nach § 16 WEG, § 52 Abs 1 Z 2 WEG und § 34 WEG ein.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache zur Weiterführung des gesetzmäßigen Verfahrens zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragstellers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.

1. Gemäß § 10 Abs 1 WEG 2002 kann die gerichtliche Nutzwertfestsetzung in den Fällen des § 9 Abs 2 Z 1 bis 4 WEG 2002 „von jedem Miteigentümer und Wohnungseigentumsbewerber“ beantragt werden. Die Antragslegitimation ist somit in § 10 Abs 1 WEG 2002 ausdrücklich und klar gesetzlich geregelt. Das Rekursgericht gesteht zwar zu, dass der Antragsteller den Wortlaut dieser Bestimmung für sich habe, verneint aber die Anwendbarkeit der das „dazugehörige“ Außerstreitverfahren regelnden Bestimmung des § 52 Abs 1 Z 1 WEG 2002. Deren Anwendbarkeit müsse sich nach Meinung des Rekursgerichts aus § 37 Abs 5 WEG ergeben. Das Rekursgericht verkennt dabei, dass sich die Antragslegitimation nicht nach der verfahrensrechtlichen Bestimmung des § 52 Abs 1 Z 1 WEG 2002, sondern nach der materiell-rechtlichen Bestimmung des § 10 Abs 1 WEG 2002 richtet (RIS-Justiz RS0083126; 5 Ob 27/80 MietSlg 32.514). Einer ausdrücklichen Anordnung der Geltung der verfahrensrechtlichen Verweisungsnorm auch im Fall des Antrags eines Wohnungseigentumsbewerbers bedarf es nicht. Die in § 10 Abs 1 WEG 2002 normierte Antragslegitimation des Wohnungseigentumsbewerbers ist daher nicht an die Voraussetzungen des § 37 Abs 5 WEG 2002 geknüpft.

2.1. Zur Begründung der Zulässigkeit des Rechtsmittels nach § 62 Abs 1 AußStrG bedarf es allerdings der (weiteren) Voraussetzung, dass die Entscheidung von der Lösung der angeführten Rechtsfrage abhängt (RS0088931). Der vom Rekursgericht unrichtig gelösten Frage der Antragslegitimation mangelt es aber an dieser für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderlichen Präjudizialität. Die Abweisung des Antrags ist nämlich im Ergebnis schon deshalb zu Recht erfolgt, weil die Grundvoraussetzungen für die erstmalige Festsetzung der Nutzwerte durch das Gericht hier nicht gegeben sind.

2.2. Mit dem „Bundesgesetz, mit dem Regelungen über den Erwerb von Rechten an Gebäuden und Wohnungen von Bauträgern getroffen werden (Bauträgervertragsgesetz – BTVG) und das Wohnungseigentumsgesetz 1975 geändert wird“, BGBl I 1997/7, erfolgte (ua) durch die Novellierung (Neufassung) des § 3 WEG 1975 die so genannte „Privatisierung“ der Nutzwertberechnung. Die Regelungen des § 3 WEG 1975 wurden mit § 9 WEG 2002 weitestgehend übernommen und damit blieb es auch bei der grundsätzlichen Trennung zwischen „privater“ und „behördlicher“ Nutzwertfestsetzung (5 Ob 193/11k). Seit dem 1. Jänner 1997 hat die (erstmalige) Ermittlung der Nutzwerte ausschließlich durch Gutachten eines privaten Sachverständigen (genauer: eines für den Hochbau zuständigen Ziviltechnikers oder eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für das Hochbau- oder das Immobilienwesen) zu geschehen. Nur eine Nutzwertneufestsetzung hat durch das Gericht zu erfolgen (RS0120543).

2.3. Zu 5 Ob 144/03t vertrat der Fachsenat die Ansicht, dass bei einander widersprechenden privaten Nutzwertberechnungen eine erstmalige gerichtliche Nutzwertfestsetzung zulässig ist und schon vor der Bewilligung der Einverleibung des Wohnungseigentums begehrt werden kann (vgl RS0118531). In diesem Verfahren wollte der Antragsteller gerichtlich klären lassen, was rechtens sei, wenn zwei einander widersprechende Nutzwertgutachten vorliegen. Der Fachsenat hat damals das Begehren des Antragstellers nicht dahin verstanden, dass dieser die gerichtliche Bestätigung der Nutzwertberechnung „seines“ Sachverständigen, sondern die Änderung einer vorliegenden privaten Nutzwertberechnung, nämlich jener des Antragsgegners, gestützt auf § 9 Abs 2 Z 1 WEG 2002, begehrte; unter diesen Umständen wurde wegen der „möglichst uneingeschränkten Überprüfbarkeit der Nutzwertgutachten“ die Möglichkeit der gerichtlichen Nutzwertfestsetzung bejaht. Im Einklang mit dieser Entscheidung brachte der historische Gesetzgeber der WRN 2006 in den Materialien (RV 1183 BlgNR XXII. GP 15) seine Meinung zum Ausdruck, dass eine gerichtliche Nutzwertfestsetzung in Abweichung von einem vorangegangenen Nutzwertgutachten schon möglich ist, bevor auf der Liegenschaft erstmals Wohnungseigentum begründet wurde.

In der Entscheidung 5 Ob 16/06y betonte der Fachsenat allerdings, dass § 9 Abs 1 WEG 2002 die (erstmalige) Ermittlung der Nutzwerte ausschließlich durch Gutachten eines privaten Sachverständigen vorsehe und damit ebenso wie die Vorgängerbestimmung des § 3 Abs 1 WEG 1975 eine Alternative zur Anrufung des Gerichts/der Schlichtungsstelle bei erstmaliger Festsetzung der Nutzwerte ausschließe. § 9 Abs 2 WEG 2002 behandle die Neufestsetzung der Nutzwerte durch das Gericht/die Schlichtungsstelle nach erfolgter erstmaliger Wohnungseigentumsbegründung aufgrund eines privaten Gutachtens.

In der Entscheidung 5 Ob 193/11k hob der Fachsenat nach ausführlicher Auseinandersetzung mit der Gesetzeslage, den Gesetzesmaterialien, der (damaligen) Lehre und den beiden genannten Entscheidungen hervor, dass der dort zu beurteilende Fall mit dem in 5 Ob 144/03t behandelten Sachverhalt nicht vergleichbar ist. Dort existierte (nur) ein Nutzwertgutachten, von dem (gerade) die Antragsteller behaupteten, dass es den gesetzlichen Anforderungen entspreche, welches aber der Antragsgegner nicht anerkennen wollte, weil er (subjektiv) dessen Richtigkeit bezweifelte und überdies nutzwertfremde Aspekte („Trittschallproblematik“) geregelt haben wollte. Der Fachsenat erwog, dass § 9 Abs 2 WEG 2002 zwar lediglich eine demonstrative Aufzählung jener Fälle enthält, die die Möglichkeit einer gerichtlichen Nutzwertfestsetzung eröffnen. Dabei handelt es sich allerdings um sachlich genau umrissene Fälle, in denen schwere Fehler des privaten Nutzwertgutachtens oder wesentliche Änderungen der Verhältnisse vorliegen, die massive Defizite der vorhandenen Nutzwertfestsetzung nahelegen. Dem konnte der dort zu beurteilende Fall, in dem (lediglich) ein Miteigentümer subjektive und von ihm nicht weiter objektivierte Bedenken gegen das vorliegende Nutzwertgutachten geltend machte, nicht gleich gehalten werden. Wollte man bereits in derartigen Fällen die gerichtliche Überprüfung eines eingeholten Nutzwertgutachtens über Antrag des Auftraggebers des Gutachtens eröffnen, dann wäre die vom Gesetzgeber angestrebte „Privatisierung“ der Nutzwertfestsetzung kaum mehr zu verwirklichen und die Möglichkeit der gerichtlichen Nutzwertfestsetzung ohne spezifische sachliche Voraussetzungen praktisch schrankenlos eröffnet. Ein solches Regelungsverständnis würde zunächst dem Zweck der mit dem BTVG beabsichtigten Privatisierung der Nutzwertberechnung widersprechen. Überdies würden sich die in § 9 Abs 2 WEG 2002 detailliert geregelten Voraussetzungen der gerichtlichen Nutzwertfestsetzung erübrigen, wenn dafür bereits der Überprüfungswunsch des Auftraggebers des privaten Gutachtens ausreichte (vgl T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, WEG4 § 9 WEG Rz 27, § 10 WEG Rz 12 ff).

2.4. Im Sinn dieser Erwägungen zu 5 Ob 193/11k ist eine Nutzwertfestsetzung durch das Gericht noch vor Begründung von Wohnungseigentum zwar nicht ausgeschlossen; eine derartige Antragstellung setzt aber voraus, dass spezifische sachliche Gründe dafür vorliegen. Dabei ist angesichts des Ausnahmecharakters ein restriktiver Maßstab anzulegen. Die hier zu beurteilende Konstellation rechtfertigt eine solche erstmalige Nutzwertfestsetzung durch das Gericht nicht. Anders als in dem in 5 Ob 144/03t behandelten Fall existiert hier (nur) ein Nutzwertgutachten, das der Antragsteller nicht anerkennen will. Er behauptet dabei in der Sache nicht etwa – wie in 5 Ob 144/03t – den Verstoß gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertfestsetzung, sondern Fehlbewertungen des Sachverständigen. Er kritisiert bei den größeren Wohnungen die Gewährung eines Zuschlags von 5 % für ein zweites WC anstelle eines Abschlags für die in Relation zur Wohnungsgröße schlechtere Ausstattung der Sanitäreinrichtungen, die Fehlbewertung der Stockwerklage und der Lage innerhalb der Stockwerke sowie die Rundungsregel des § 8 Abs 2 WEG. Für die gerichtliche Überprüfung solcher Bedenken eines Wohnungseigentumsbewerbers gegen die Richtigkeit des (einzigen) vorliegenden privaten Nutzwertgutachtens steht das Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 1 WEG 2002 iVm § 9 Abs 2 WEG 2002 vor Einverleibung von Wohnungseigentum nicht offen.

3. Infolge grundsätzlicher Unzulässigkeit des Antrags kommt es für die Entscheidung weder auf die Antragslegitimation des Antragstellers noch auf die weiteren im Revisionsrekurs aufgeworfenen Fragen im Zusammenhang mit den Hilfsbegründungen der Vorinstanzen an.

Leitsätze

  • Zulässigkeit der Nutzwertfestsetzung durch den WE-Bewerber vor WE-Begründung

    Eine Nutzwertfestsetzung durch den Wohnungseigentumsbewerber vor Begründung von Wohnungseigentum ist zwar nicht ausgeschlossen, eine derartige Antragstellung setzt aber voraus, dass spezifische sachliche Gründe dafür vorliegen. Die Antragslegitimation des Wohnungseigentumsbewerbers zur gerichtlichen Nutzwertfestsetzung ergibt sich aus § 10 Abs 1 WEG 2002.
    Bettina Slamanig | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 53/20k | OGH vom 21.07.2020 | Dokument-ID: 1080256