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3 Ob 116/11x; OGH; 6. Juli 2011
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H***** W*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Spitzy und Dr. Esther Lenzinger, Rechtsanwälte in Wien, 2. Mag. A***** W*****, vertreten durch Thiery & Ortenburger Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. H***** F*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Kleinhappel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentlichen Revisionen der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 20. April 2011, GZ 39 R 21/11v-19, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 8. Oktober 2010, GZ 89 C 437/09m-13, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentlichen Revisionen werden mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Die Vorinstanzen hoben die von den Klägerinnen aus den Kündigungsgründen des § 30 Abs 2 Z 2 und 3 erster und zweiter Fall MRG erhobene Aufkündigung des Wohnungsmietvertrags mit dem Beklagten auf. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 2 MRG sei schon deshalb nicht verwirklicht, weil der Beklagte gegenüber den Klägerinnen keine Dienstleistungen zu erfüllen gehabt habe. Er habe auch kein unleidliches Verhalten gesetzt oder vom Bestandobjekt nachteiligen Gebrauch gemacht. Aus dem schlechten Zustand der Elektroanlage ergebe sich keine Schädigung der Substanz.
Die Klägerinnen machen als erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO geltend, es fehle Rechtsprechung, ob in Fällen, in denen die Pflicht zur Erhaltung des Mietgegenstands wirksam auf den Mieter überwälzt werden könne, eine Verletzung dieser Pflicht den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 2 MRG bilde.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof sprach zu 6 Ob 793/80 (= MietSlg 32.331 = RIS-Justiz RS0067620) aus, dass eine Verweigerung bedungener Dienste nur dann den angezogenen Kündigungsgrund erfüllt, wenn es sich bei den verweigerten Eigendienstleistungen des Mieters um solche handelt, die im vertraglich festgelegten Austauschverhältnis Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung sein sollen. Dies trifft nicht zu, wenn die Vertragspartner die Verpflichtung nicht als eine Hauptleistungspflicht des Mieters aufgefasst haben (vgl LGZ Graz 3 R 257/93; Zurückweisung der außerordentlichen Revision zu 10 Ob 1503/94 = MietSlg 45.142). Diesen Grundsätzen der Rechtsprechung ist das Berufungsgericht gefolgt.
Ob vom Beklagten die Pflicht zur Instandhaltung seiner Wohnung als Hauptleistungspflicht des Mietverhältnisses im Sinn eines (Teil-)Entgelts für die Gebrauchsüberlassung übernommen wurde, ist eine nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beantwortende Frage der Auslegung des gegenständlichen Mietvertrags. Fragen der Vertragsauslegung sind jedoch – von hier nicht vorliegender, vom Obersten Gerichtshof aufzugreifender Fehlbeurteilung abgesehen – grundsätzlich keine erheblichen Rechtsfragen nach § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0044358).
Davon abgesehen hat der Beklagte im hier maßgeblichen Mietvertrag aus dem Jahr 1978 zwar die Pflicht zur Erhaltung des Mietgegenstands auf seine Kosten im guten Zustand übernommen, nicht aber die Pflicht zur Verbesserung der von ihm unverändert im Zustand der Gebäudeerrichtung (1932) übernommenen Elektroanlagen (in der Wand geführte, mit Gewebe ummantelte Drähte), die schon zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (1978) ebenso wenig wie heute dem Stand der Technik entsprachen. Dass der Beklagte die Elektroinstallationen nicht erneuerte, verstößt daher nicht gegen die von ihm vertraglich übernommene Erhaltungspflicht. Der Kündigungstatbestand des § 30 Abs 2 Z 2 MRG ist somit nicht erfüllt; einer Untersuchung des allfälligen Spannungsverhältnisses zwischen der Rechtsprechung zur Kündigung wegen unterlassener Dienstleistungen im Entgeltsverhältnis und der Rechtsprechung zur Überbindung der Erhaltungspflicht als Entgeltsbestandteil bedarf es daher nicht.
Da die dem Beklagten überbundene vertragliche Instandhaltungspflicht die Erneuerung/Verbesserung der Elektroanlage – wie oben ausgeführt – nicht umfasst, ist auch die Frage nicht von Bedeutung, ob der Beklagte den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG verwirklicht, wenn er übernommenen Instandhaltungspflichten nicht nachkommt. Überdies kann eine in der Berufung unterbliebene oder nicht gehörig ausgeführte Rechtsrüge im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden (RIS-Justiz RS0043573). Die bloße Bezeichnung der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts als unrichtig, ohne dies in der Sache näher darzulegen, entspricht nicht den Anforderungen einer gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge (RIS-Justiz RS0041719, RS0043603). Eine Befassung mit dem Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 MRG enthielten die Berufungen der Klägerinnen nicht. Dass sich das Berufungsgericht mit diesem Kündigungsgrund nicht befasste, vermag daher auch keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens begründen.
Mangels Aufzeigens erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO war die Revision zurückzuweisen.
Leitsätze
-
Rechtliche Beurteilung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 2 MRG
Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung stellt eine Verweigerung bedungener Dienste dann einen wichtigen Kündigungsgrund dar, wenn die übernommene Erhaltungsverpflichtung eine Hauptleistungspflicht des Mieters darstellt. Ob es sich dabei um eine solche handelt, ist einzelfallbezogen zu beurteilen.Lisa Korninger | Judikatur | Leitsatz | 3 Ob 116/11x | OGH vom 06.07.2011 | Dokument-ID: 325587