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Dokument-ID: 550819

Judikatur | Entscheidung

2 Ob 195/12h; OGH; 20. Dezember 2012

GZ: 2 Ob 195/12h | Gericht: OGH vom 20.12.2012

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Marktgemeinde F*****, vertreten durch Dr. Josef Faulend-Klauser, Dr. Christoph Klauser, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach Ferdinand K*****, verstorben am *****, zuletzt wohnhaft *****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Mag. Peter Handler, Rechtsanwalt in Deutschlandsberg, wegen Aufkündigung, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 9. August 2012, GZ 7 R 40/12x-31, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Deutschlandsberg vom 12. März 2012, GZ 3 C 299/11d-25, infolge Rekurses der Einschreiterin Christine S*****, vertreten durch Dr. Marlies Folger, Rechtsanwältin in Deutschlandsberg, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Revisionsrekursbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die Einschreiterin ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 674,58 (darin enthalten EUR 115,43 USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens und der beklagten Partei die mit EUR 306,46 (darin enthalten EUR 51,08 USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Klägerin kündigte am 17.12.2010 ein mit Ferdinand K***** abgeschlossenes Mietverhältnis gerichtlich auf. Sie berief sich auf die Ausnahmetatbestände gemäß § 1 Abs 2 Z 5 und 2 MRG und machte vorsichtsweise auch den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 14 MRG (Abbruchreife) geltend.

Ferdinand K***** erhob, vertreten durch eine Verfahrenshelferin, rechtzeitig Einwendungen. Am 11.09.2011 verstarb er. Mit Beschluss vom 16.01.2012 wurde ein Verlassenschaftskurator bestellt.

Am 18.01.2012 gab die Einschreiterin bekannt, sie habe bis zu seinem Ableben mit dem Beklagten in Lebensgemeinschaft in der aufgekündigten Wohnung gelebt. Sie habe ein dringendes Wohnbedürfnis und sei daher gemäß § 14 MRG in das Mietverhältnis eingetreten. Sie beantragte daher die Fortsetzung des Aufkündigungsverfahrens mit ihr.

Die klagende Partei bestritt die Eintrittsberechtigung der Einschreiterin und beantragte, das vorliegende Verfahren mit dem Nachlass, vertreten durch den Kurator, fortzusetzen. Ein Parteiwechsel vom gekündigten Verstorbenen auf eine gemäß § 14 MRG eintrittsberechtigte Person sei in der ZPO nicht vorgesehen.

Das Erstgericht wies den Antrag der Einschreiterin ab. Rechtsnachfolger iSd § 155 ZPO sei derjenige, der nach den Vorschriften des materiellen Rechts die Gesamtrechtsnachfolge antrete oder zumindest zur Ausübung aller Rechte und Pflichten des Verstorbenen berufen sei. Dazu gehöre eine nach § 14 MRG in den Hauptmietvertrag eintrittsberechtigte Person nicht, weil es sich dabei um eine Sonderrechtsnachfolge handle. Mit einer solchen Person könne daher das Verfahren – wie bereits vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz in MietSlg 41.552 ausgesprochen – nicht aufgenommen werden.

Das Rekursgericht gab einem dagegen von der Einschreiterin erhobenen Rekurs Folge und hob den angefochtenen Beschluss auf. Unter Hinweis auf Fink in Fasching/Konecny², § 155 ZPO Rz 47 und unter Ablehnung von MietSlg 41.552 und der zustimmenden Erwähnung durch Gitschthaler in Rechberger, ZPO2 §§ 155 bis 157 Rz 13 vertrat es die Ansicht, dass in § 14 MRG eine – die allgemeine Erbfolge ausschließende – Sonderrechtsnachfolge normiert werde. Sie sei mit einer ausnahmsweise durch den Tod ausgelösten Einzelrechtsnachfolge als auch mit einer partiellen Gesamtrechtsnachfolge vergleichbar. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten (Zwischen-)Verfahren die Anwendbarkeit der MRG und die umstrittene Eintrittsberechtigung der Einschreiterin zu prüfen haben.

Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mangels oberstgerichtlicher Judikatur zur Frage zu, ob die Sonderrechtsnachfolge nach § 14 MRG zu einer Parteistellung des Eintrittsberechtigten im Kündigungsverfahren führe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der klagenden Partei mit dem Antrag die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen.

Die Einschreiterin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Die beklagte Partei schließt sich den Anträgen der Revisionsrekurswerberin auf Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zur Frage, ob im Fall gesetzlich angeordneter Sonderrechtsnachfolge gemäß § 14 MRG ein gemäß § 155 ZPO unterbrochenes Verfahren mit dem ruhenden Nachlass oder dem Sonderrechtsnachfolger fortzusetzen ist, keine höchstgerichtliche Judikatur besteht; er ist auch berechtigt.

1. Gemäß § 155 Abs 1 ZPO wird das Verfahren durch den Tod einer Partei, die weder durch einen Rechtsanwalt noch durch eine sonstige mit Prozessvollmacht ausgestattete Person vertreten ist, unterbrochen. Die Bevollmächtigung eines Prozessvertreters wirkt zwar über den Tod der Partei hinaus, dies gilt jedoch nicht für den Verfahrenshelfer (Gitschthaler in Rechberger³, ZPO §§ 155-157 Rz 2).

Die Unterbrechung dauert nach Abs 2 leg cit unter anderem bis zur Aufnahme des Verfahrens durch die Rechtsnachfolger der verstorbenen Partei oder einen bestellten Kurator.

Die Bestimmung wird grundsätzlich neben dem Tod einer natürlichen Person allgemein in Fällen der Gesamtrechtsnachfolge, zB im Gesellschaftsrecht, angewendet.

2. Bei Einzelrechtsnachfolge bestimmt dagegen § 234 ZPO, dass die Veräußerung einer in Streit verfangenen Sache oder Forderung auf den Prozess keinen Einfluss hat und der Erwerber daher nicht berechtigt ist, ohne Zustimmung des Gegners als Hauptpartei in den Prozess einzutreten.

Nach RIS-Justiz RS0039231 ist die Vorschrift des § 234 ZPO auf jede Art von Einzelrechtsnachfolge anzuwenden. Ganz allgemein sind unter streitverfangenen Sachen iSd § 234 ZPO auch Rechte zu verstehen, insbesondere Mietrechte (RIS-Justiz RS0039291).

3. Zur hier zu beurteilenden verfahrensrechtlichen Frage hat das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz in MietSlg 41.552 ausgesprochen, dass der gemäß § 14 MRG Eintrittsberechtigte nicht als Rechtsnachfolger iSd §§ 155 ff ZPO anzusehen ist.

4. In der Literatur vertritt Gitschthaler in Rechberger ZPO³ §§ 155 bis 157 Rz 16 unter Hinweis auf diese Entscheidung ebenfalls die Auffassung, dass das unterbrochene Verfahren nur von den Gesamtrechtsnachfolgern, nicht aber von Einzelrechtsnachfolgern oder Nachfolgern aufgrund einer Sonderrechtsnachfolge aufgenommen werden kann.

Fink in Fasching/Konecny² II/2 § 155 ZPO Rz 47 meint dagegen, dass § 155 ZPO zwar primär Fälle der Gesamtrechtsnachfolge im Auge hat, diese Abgrenzung aber mit Unschärfen behaftet ist. So löse der Tod einer natürlichen Person in der Regel eine Gesamtrechtsnachfolge aus, doch könnten einzelne Sachen des Erblassers auch im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf Dritte übergehen. Sei eine solche Sache streitverfangen, kämen die §§ 155 ff ZPO und nicht § 234 ZPO zur Anwendung. Eine Fortsetzung des Verfahrens mit der ursprünglichen Partei, wie es der Regelungsinhalt des § 234 ZPO wäre, komme zufolge deren Wegfalls nicht in Betracht. Die §§ 155 ff ZPO gelten nach Fink auch dann, wenn der Gegenstand des Verfahrens durch ein Vindikationslegat (§ 14 WEG 2002) direkt auf einen Einzelrechtsnachfolger übergeht oder ein sonstiger Fall einer durch Tod ausgelösten Spezialsukzession vorliegt. Das Verfahren ist hier seiner Ansicht nach ausnahmsweise gegen den Einzelrechtsnachfolger aufzunehmen.

Nach Lovrek in Fasching/Konecny² IV/1 § 561 ZPO Rz 19 ist dann, wenn der Bestandnehmer stirbt, die Aufkündigung, sofern nicht eine Einantwortung erfolgt ist, gegen die Verlassenschaft zu richten. Wenn im Geltungsbereich des MRG Sonderrechtsnachfolge nach § 14 MRG eintritt, „verdrängt“ der Eintretende die Verlassenschaft bzw den oder die Erben.

Dies gilt allerdings lediglich in materiell-rechtlicher Hinsicht. Prozessual bleibt es dagegen im Hinblick auf die vorliegende Einzelrechtsnachfolge bei der Anwendbarkeit des § 234 ZPO und daher bei der Verlassenschaft als Aufkündigungsgegner.

5. Den Nachlass iSd § 531 ABGB bilden die vererblichen Vermögenswerte, Rechte und Pflichten des Erblassers im Todeszeitpunkt (Koch/Apathy in KBB³ § 531 Rz 1).

§ 14 MRG schließt für Mietverhältnisse an einer Wohnung die allgemeine Erbfolge aus (RIS-Justiz RS0069664). Der Eintritt in das Mietverhältnis vollzieht sich kraft Gesetzes unabhängig von einer Erklärung des Eintretenden (RIS-Justiz RS0103062; RS0068257), die Bestimmung sieht aber dennoch gegenüber dem Vermieter eine Einzelrechtsnachfolge vor (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 14 MRG Rz 27), die grundsätzlich unter § 234 ZPO fällt.

Dass in diesem Fall die materiell-rechtliche und die prozessuale Position auseinanderfallen, schadet nicht, weil dies für die Fälle des § 234 ZPO typisch ist.

6. Das Verfahren ist daher – entgegen Fink aaO,– nicht mit der den Eintritt in das Mietverhältnis gemäß § 14 MRG behauptenden Einschreiterin, sondern mit dem ruhenden Nachlass fortzusetzen.

7. Die Revisionsrekursbeantwortung dient als Gegenschrift gegen einen Revisionsrekurs zur Widerlegung seiner Argumente und Gegenantragstellung. Die beklagte Partei will dagegen mit ihrem Schriftsatz ebenfalls die Abänderung der Rekursentscheidung erreichen. Ihr Schriftsatz ist daher inhaltlich ein Revisionsrekurs und als solcher verspätet.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO.

Leitsätze

  • Eintritt des ruhenden Nachlasses in Kündigungsverfahren bei Tod des Mieters

    Bei Tod eines Mieters während des Kündigungsverfahrens ist jenes mit dem ruhenden Nachlass und nicht mit dem Einzelrechtsnachfolger fortzusetzen. Gemäß § 234 ZPO ist es dem Erwerber einer im Streit verfangenen Sache nicht möglich ohne Zustimmung in den Prozess einzutreten.
    WEKA (gau) | Judikatur | Leitsatz | 2 Ob 195/12h | OGH vom 20.12.2012 | Dokument-ID: 550972