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5 Ob 19/13z; OGH; 18. April 2013
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin Dr. Hurch als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth, Mag. Wurzer und Mag. Malesich als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin H***** Handelsgesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner B*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Wiedner, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 2 MRG iVm §§ 3, 6 MRG, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 7. November 2012, GZ 39 R 263/12h-15, womit über Rekurs des Antragsgegners der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 16. Juli 2012, GZ 43 Msch 39/10x-12, bestätigt wurde, den
Sachbeschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin die mit 373,68 EUR (darin enthalten 62,28 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Der Antragsgegner ist Eigentümer der Liegenschaft mit der Grundstücksadresse *****. Er schloss mit der Antragstellerin am 14. 4. 1987 einen Mietvertrag über ein links vom Hauseingang gelegenes Geschäftslokal, bestehend aus diversen Verkaufs-
und Lagerräumen sowie einem Keller.
§ 1 Punkt 5 des schriftlichen Mietvertrags lautet wie folgt:
„Vermietet ist nur der Innenraum des Bestandgegenstands. Eine Änderung des Verwendungszwecks ist unzulässig.“
Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags war an der Richtung W*****straße gerichteten Fassade im Bereich des von der Antragstellerin gemieteten Geschäftslokals bereits ein 13,20 m langer, 2,10 m hoher und 0,25 m vorspringender Ladenvorbau vorhanden. Über diesem Ladenvorbau befand (und befindet) sich ein 13,20 m langes Vordach mit 0,55 m Vorsprung und einem Bodenabstand von 2,53 m.
Nach Mietvertragsabschluss brachte die Antragstellerin oberhalb des Vordaches eine frontale, freistehende Lichtreklame mit ihrem Firmenlogo in einer Länge von 6,50 m und einer Höhe von 0,90 m sowie senkrecht zur Außenfassade einen 1,60 m langen und 1,30 m hohen Leuchtkasten im Bodenabstand von 2,90 m an.
Die Antragstellerin veränderte den Ladenvorbau und das Vordach nicht. Sie ließ lediglich das Metall des Ladenvorbaus neu streichen.
Seit dem Jahr 2009 drang in dem von der Straße aus betrachtet äußerst linken und äußerst rechten Bereich des Vorbaus von oben Wasser in das Geschäftslokal ein. Im Inneren des Geschäftslokals kam es dadurch unterhalb des Portalvorbaus an der direkt darunter anschließenden Rigipsverkleidung zu Wasserschäden mit gelblich verfärbter, abblätternder Malerei im Ausmaß von ca 1 m².
Grund für diese Wassereintritte war und ist eine Undichtheit im Bereich der Blechdeckung bzw des Blechanschlusses zur Fassade des Portalvorbaus, die bei starkem Regen und Schmelzwasser zum Eindringen von Niederschlags- und Schmelzwasser in das Geschäftsinnere führt.
Zur Erlangung eines dichten oberen Anschlusses des Portalvorbaus bzw eines dichten Anschlusses an die Fassade sind die Blechdeckung sowie sämtliche Anschlüsse zu überprüfen und die vorhandenen Schadstellen an der Blecheindeckung und den Blechanschlüssen instand zu setzen. Die Bestanddauer dieser Arbeiten beträgt zehn Jahre. Als Frist für die Durchführung dieser Arbeiten ist eine Woche ab Inangriffnahme angemessen.
Bei Fortbestand der bestehenden Mängel kann eine Schädigung der Bausubstanz aufgrund des eindringenden Wassers nicht ausgeschlossen werden.
Die Antragstellerin begehrt mit ihrem zunächst bei der Schlichtungsstelle gestellten Sachantrag, dem Antragsgegner möge aufgetragen werden, die erforderlichen Erhaltungsarbeiten bei den straßenseitigen Geschäftsportalen durchführen zu lassen.
Sie bringt zusammengefasst vor, sie habe die Portalkonstruktion bei Mietvertragsabschluss übernommen und an ihr keine Änderungen vorgenommen. Es liege ein Schaden an einem allgemeinen Teil der Liegenschaft vor.
Der Antragsgegner, der gegen die antragstattgebende Entscheidung der Schlichtungsstelle rechtzeitig das Erstgericht anrief, wendet ein, dass der Vorbau zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses nicht vorhanden gewesen sei. Selbst wenn das Gegenteil zuträfe, handle es sich dabei jedenfalls nicht um einen allgemeinen Teil der Liegenschaft, weil er sich außerhalb der Grundgrenzen befinde. Das ergebe sich auch daraus, dass der Antragstellerin eine Gebrauchsabgabe vorgeschrieben werde. Jedenfalls sei der Vorbau nicht Gegenstand des Hauptmietverhältnisses zwischen den Streitteilen, weil dies im Mietvertrag einvernehmlich ausgeschlossen worden sei. Der Vorbau sei allenfalls vom Vormieter angebracht und von der Antragstellerin abgelöst worden. Eine Gleichsetzung von Schaufensterkonstruktionen mit normalen Fenstern sei unzulässig, weil Auslagenkonstruktionen nicht primär dem Abschluss des Bestandobjekts, sondern der Präsentation der Ware des Geschäftsraummieters dienten. Die Überwälzung eines wesentlich höheren Erhaltungsaufwands für Schaufensterkonstruktionen auf den Vermieter lasse sich nicht begründen.
Das Erstgericht gab dem Sachantrag der Antragstellerin mit der Präzisierung statt, dass es dem Antragsgegner auftrug, binnen einer Frist von einer Woche bei dem Portalvorbau die Blechdeckung und sämtliche Anschlüsse zur Fassade zu überprüfen und die vorhandenen Schadstellen an der Blecheindeckung und an den Blechanschlüssen des Portalvorbaus an die Fassade sach- und fachgerecht instand zu setzen, sodass ein dichter oberer Abschluss des Portalvorbaus zur Fassade hergestellt und das Eindringen von Niederschlagswasser verhindert wird.
Neben den eingangs wiedergegebenen Feststellungen verwies das Erstgericht auf ein dem erstgerichtlichen Sachbeschluss angeschlossenes Lichtbild, aus dem sich die konkrete Portalkonstruktion des Geschäftslokals ergibt.
Rechtlich erachtete das Erstgericht, dass das Geschäftsportal, insbesondere der Ladenvorbau und das Vordach, aufgrund der festgestellten Konstruktionsweise zweifelsfrei als allgemeiner Teil der Liegenschaft anzusehen sei, trenne es doch das Bestandobjekt der Antragstellerin nach außen hin ab. Darüber hinaus würden bedingt durch die fortwährenden Feuchtigkeitseintritte letztlich ernste Schäden am Haus selbst eintreten, was ebenfalls zu einer Erhaltungspflicht des Antragsgegners führe.
Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Antragsgegner erhobenen Rekurs nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR nicht übersteigt und erklärte den Revisionsrekurs mit der Begründung für zulässig, dass oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein Geschäftsportal in die Erhaltungspflicht des Vermieters falle.
Das Rekursgericht billigte die Rechtsauffassung des Erstgerichts. Ergänzend verwies es darauf, dass das Geschäftsportal nicht eine mit einem jederzeit abnehmbaren, an der Außenfassade angebrachten Steckschild vergleichbar sei, sondern den Abschluss des Geschäftslokals nach außen hin in Form einer Schaufensterkonstruktion bilde. Der diese Abgrenzung nach außen hin bewerkstelligende Portalvorbau sei daher als Teil der „Außenhaut“ des Gebäudes anzusehen und falle in die Erhaltungspflicht des Vermieters. Die vom Antragsgegner aufgezeigte Problematik, dass dem Vermieter unter Umständen eine aufwändige Schaufensterkonstruktion gegen seinen Willen aufgezwungen werden könne und dann auch noch in dessen Erhaltungspflicht fiele, stelle sich hier nicht, weil die Antragstellerin das Portal nicht selbst hergestellt habe.
Der Antragsgegner strebt mit seinem gegen den Sachbeschluss des Rekursgerichts erhobenen Revisionsrekurs eine Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne einer Antragsabweisung an.
Die Antragstellerin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen; hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
Im Revisionsrekurs wiederholt der Antragsgegner seinen Standpunkt, dass bei der gebotenen funktionalen Betrachtungsweise die vorliegende Portalkonstruktion keinen allgemeinen Teil des Hauses darstelle. Gerade in neuerer Zeit würden der eigentlichen Fassade eines Gebäudes häufig Konstruktionen vorgesetzt, welche sich auf dem öffentlichen Gut befänden und der Erweiterung von Geschäftsflächen dienten. Dabei handle es sich vor allem um Konstruktionen aus Metall und Glas, die dem Schutz der Gäste gastronomischer Betriebe gegen Wettereinflüsse dienten und bisweilen beachtliche Ausdehnungen erreichten. Diese Konstruktionen hätten zur Folge, dass die dadurch abgedeckte Fassade ihre Funktion als „Außenhaut“ völlig verliere. Folge man der Auffassung der Vorinstanzen, könnten solche Schaufensterkonstruktionen vom Mieter (nach § 9 Abs 1 MRG) gegenüber dem Vermieter durchgesetzt werden, der dann auch noch wesentlich höhere Erhaltungsaufwendungen zu tragen habe.
Im Übrigen bezog sich der Revisionsrekurs auf einen Befund eines Bausachverständigen in einem Beweissicherungsverfahren. Dieser Befund werde „gemäß § 66 Abs 2 AußStrG zur Unterstützung des geltend gemachten Revisionsgrundes“ vorgelegt. Damit will der Antragsgegner unter Beweis stellen, dass das Eindringen von Niederschlagswasser in den Ladenvorbau zumindest auch dadurch verursacht worden sei, dass die Antragstellerin im Zuge von Bohrungen zur Führung des Zuleitungskabels des an der Fassade montierten Außenfühlers sowie eines weiteren Stromkabels entweder eine Silikonabdichtung niemals hergestellt habe oder diese durch die Witterung zerstört worden sei.
Dazu wurde erwogen:
1. Gemäß § 3 Abs 2 Z 1 MRG trifft den Vermieter für Arbeiten, die zur Erhaltung der allgemeinenen Teile des Hauses erforderlich sind, die Erhaltungspflicht.
Nach Lehre (Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 3 MRG Rz 13; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht I²² § 3 MRG Rz 11) und ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0069976) gehört zu den allgemeinen Teilen des Hauses jedenfalls alles, was sich außerhalb eines Mietgegenstands befindet.
Auch wenn die Rechtsprechung bei der Beurteilung, was nun im Einzelnen zu dieser „Außenhaut“ gehört, ansatzweise auch funktionelle (wertende) Kriterien heranzieht (5 Ob 154/08w immolex 2009/72 [Maier-Hülle] mwN), ist jedenfalls gesichert, dass insbesondere die Außenfassade allgemeiner Teil des Hauses ist (RIS-Justiz RS0069457; 5 Ob 180/08v). Unerheblich ist, ob das Ergebnis entsprechender Erhaltungsmaßnahmen nur in einem (bestimmten) Bestandobjekt spürbar wird (5 Ob 129/10x wobl 2011/48).
2. Es steht fest, dass die Antragstellerin nicht in die Mietrechte eines Vormieters eingetreten ist. Sie übernahm das Geschäftslokal samt der davor befindlichen Portalkonstruktion aufgrund des Mietvertrags vom 14.04.1987 vom Antragsgegner als Vermieter. Ob sie dem Vormieter für die Portalkonstruktion eine Ablösezahlung leistete, ist unerheblich, weil der Antragsgegner – unterstellt man die Richtigkeit seines nicht geprüften Vorbringens – auch in diesem Fall das Geschäftslokal samt bestehender Portalkonstruktion zunächst vom Vormieter übernahm und der Antragstellerin übergab.
3. Die Gestaltung der Portalkonstruktion und insbesondere des Vorbaus beruht daher nicht auf Baumaßnahmen der Antragstellerin, sondern ist dem Antragsgegner als Vermieter zuzurechnen.
Der Oberste Gerichtshof hat in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass ein Hauseigentümer, der vor den Außenfenstern Rollläden anbringen lässt, als Konsequenz der von ihm selbst vorgenommen Gestaltung der Außenhaut seines Hauses auch die Rollläden – wie sonst nur die Außenfenster und die Fensterstöcke – in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten hat (5 Ob 22/91).
4. An dieser Beurteilung ändert sich weder dadurch etwas, dass die Antragstellerin für die Portalkonstruktion eine Gebrauchsabgabe zu leisten hat, noch dadurch, dass der Mietvertrag darauf verweist, dass nur das Innere des Bestandgegenstands vermietet ist:
Die Gebrauchsabgabepflicht ergibt sich aus der Benützung öffentlichen Grundes, soweit die Portalkonstruktion in den über den öffentlichen Grund befindlichen Luftraum hinausragt. Die konkreten Mängel der Portalkonstruktion bestehen im Bereich des Anschlusses durch die Blechabdeckung an die Fassade.
Die Bestimmung im Mietvertrag, dass der Antragstellerin nur das Innere des Bestandgegenstands vermietet wird, hat mit der Frage, ob das an der Außenfassade des Hauses angebrachte Portal samt Ladenvorbau allgemeiner Teil des Hauses ist oder nicht, nichts zu tun.
5. Damit unterscheidet sich der hier zu beurteilende Fall ganz grundsätzlich von dem im Revisionsrekurs genannten Beispiel eines Geschäftslokalmieters, der eine Verbreiterung von Geschäftsflächen, etwa in Form eines Wintergartens, vornimmt. Hier hat die Antragstellerin weder ihre Geschäftsflächen erweitert noch sonst eine bauliche Änderung durchgeführt.
Es bedarf daher auch keines Eingehens auf die Frage, ob den Vermieter eine Erhaltungspflicht nach § 3 Abs 2 Z 1 MRG auch für eine vom Mieter selbst vorgenommene, gemäß § 9 Abs 1 MRG genehmigte Portalgestaltung treffen könnte.
6. Im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren gilt das Neuerungsverbot ausnahmslos (RIS-Justiz RS0070485 [T2]). Auf das (neue) Vorbringen zur Ursache der Mängel der Portalkonstruktion ist daher nicht einzugehen.
7. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG. Es entspricht der Billigkeit, dem unterlegenen Antragsgegner die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung der Antragstellerin aufzuerlegen.
Leitsätze
-
Portalkonstruktion als allgemeiner Teil eines Hauses
Ein Geschäftsvorbau, den der Mieter nicht selbst angebracht, sondern vom Vormieter übernommen hat, zählt zu dem allgemeinen Teil eines Hauses, für dessen Erhaltung den Vermieter die Pflicht trifft.WEKA (gau) | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 19/13z | OGH vom 18.04.2013 | Dokument-ID: 607802