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Dokument-ID: 1093438

Eva-Maria Hintringer | Judikatur | Entscheidung

5 Ob 117/20x; OGH; 7. Jänner 2021

GZ: 5 Ob 117/20x | Gericht: OGH vom 07.01.2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers K*****, vertreten durch Mag. Helmut Holzer, Mag. Wolfgang Kofler, Mag. Klaus Mikosch, Dr. Peter Kasper, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die Antragsgegner 1. M*****, 2. G*****, 3. Ö*****, 4. M***** und M*****, beide *****, 5. S*****, 6. O*****, 7. D*****, Zweitantragsgegnerin und Viertantragsgegner vertreten durch Dr. Christian Prader, Mag. Theresa Hauswurz, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen § 52 Abs 1 Z 2 WEG iVm § 16 Abs 2 WEG 2002 über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 29. Jänner 2020, GZ 1 R 137/19w-62, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 30. August 2019, GZ 24 MSch 1/17x-57, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller ist schuldig, dem Zweitantragsgegner und den Viertantragsgegnern deren mit EUR 481,21 (darin EUR 80,20 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Begründung

[1] Die Streitteile sind Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist nur mehr das auf § 16 Abs 2 WEG 2002 gestützte Begehren des Antragstellers auf Ersetzung der Zustimmung der Zweitantragsgegnerin und der Viertantragsgegner zu dem vor etwa zwanzig Jahren von ihm ohne Zustimmung der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer veranlassten Türdurchbruch in der westlichen Außenwand des Objekts „GR (Geschäftsraum) 3“ des Antragstellers. Damit wurden dieser GR 3 und der „C***** Lagerraum“ in dem Gebäude auf der im Alleineigentum des Antragstellers stehenden Nachbarliegenschaft miteinander verbunden. Der auf der Nachbarliegenschaft befindliche Lagerraum hat ein Rolltor und kann über eine in der Tiefgarage der Nachbarliegenschaft befindliche Hebebühne bestückt werden, sodass die Möglichkeit besteht, Waren über die Tiefgarage anzuliefern und über die Hebebühne und den C***** Lagerraum in den GR 3 zu bringen.

[2] Das Erstgericht gab dem Antrag statt.

[3] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Zweitantragsgegnerin und der Viertantragsgegner insoweit Folge und wies den Antrag ab. Eine durch Baumaßnahmen hergestellte Zusammenlegung zweier Wohnungen stehe nicht nur bei Eigentümerverschiedenheit der zusammenzulegenden Objekte, sondern auch bei Schaffung einer Verbindung eines Wohnungseigentumsobjekts mit der Nachbarliegenschaft – selbst wenn diesbezüglich Eigentümeridentität bestehe – einer Genehmigung nach § 16 Abs 2 WEG 2002 entgegen. Durch den Türdurchbruch in der Außenwand im Westbereich des Geschäftsraums 3 werde dessen bauliche Abgeschlossenheit unzulässigerweise aufgehoben, sodass eine Genehmigung nach § 16 Abs 2 WEG 2002 nicht erteilt werden könne.

[4] Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob die Verbindung eines Wohnungseigentumsobjekts mit der Nachbarliegenschaft der Genehmigung nach § 16 Abs 2 WEG 2002 auch dann entgegenstehe, wenn die zu verbindenden Objekte denselben Eigentümer haben.

[5] Dagegen richtet sich der – von Zweitantragsgegnerin und Viertantragsgegner beantwortete – Revisionsrekurs des Antragstellers, mit dem er die Wiederherstellung des seinem Antrag auch insoweit stattgebenden erstinstanzlichen Sachbeschlusses anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der Revisionsrekurs ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruchs des Rekursgerichts – nicht zulässig, er zeigt auch keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Begründung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).

[7] 1. Nach der Aktenlage erfolgte die Wohnungseigentumsbegründung hier noch im zeitlichen Geltungsbereich des WEG 1975. Bereits dieses hat das Wohnungseigentum als das dem Miteigentümer einer Liegenschaft eingeräumte dingliche Recht, ein Wohnungseigentumsobjekt ausschließlich zu nutzen und allein darüber zu verfügen, definiert (§ 1 Abs 1 WEG 1975). Das mit 01.07.2002 in Kraft getretene WEG 2002 behielt diese Definition bei (§ 2 Abs 1 WEG 2002). Als dingliches Recht stellt das Wohnungseigentum auf das Miteigentum an einer einzelnen Liegenschaft ab, worunter stets ein gesamter einheitlicher Grundbuchskörper zu verstehen ist (RIS-Justiz RS0082865). Das Wohnungseigentumsobjekt muss sich daher zur Gänze auf ein und derselben Liegenschaft befinden, ein „grenzüberschreitendes Wohnungseigentum“ war nach dem WEG 1975 und ist auch unter dem Regime des WEG 2002 nicht möglich (5 Ob 52/14d; RS0060192). Soll daher etwa eine Garage ein wohnungstaugliches Objekt sein, muss sie innerhalb der Grundstücksgrenzen baulich abgetrennt sein (5 Ob 60/16h).

[8] 2. Nach ständiger Rechtsprechung des Fachsenats schon zu § 1 Abs 2 WEG 1975 und nun zu § 2 Abs 2 WEG 2002 erfordert die Wohnungseigentumstauglichkeit eines Objekts die bauliche Abgeschlossenheit nach allen Seiten und ist im Übrigen nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen. Der in § 1 WEG 1975 verwendete Begriff der wohnungseigentumstauglichen „sonstigen selbstständigen Räumlichkeit“ ist zwar nicht gesetzlich definiert. Die Wortwahl „Raum“ gibt allerdings Anhaltspunkte für das richtige Begriffsverständnis und auch das Wort „sonstige“ (Räumlichkeiten neben den Wohnungen) deutet an, dass die wohnungseigentumstaugliche selbstständige Räumlichkeit dem Vergleich mit den für eine Wohnung typischen „vier Wänden“ standhalten soll (RS0111284 [T1]). Zur Definition der sonstigen selbstständigen Räumlichkeiten in § 2 Abs 2 WEG 2002, die auf einen baulich abgeschlossenen, nach der Verkehrsauffassung selbstständigen Teil eines Gebäudes abstellt, dem nach seiner Art und Größe eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zukommt, wie dies bei einem selbstständigen Geschäftsraum oder einer Garage der Fall ist, judiziert der Fachsenat, dass es sich dabei um zwingende Grundsätze handelt, sodass bei einem Verstoß dagegen Nutzwertfestsetzungen und Grundbuchseintragungen nichtig wären (RS0111284 [T4]). In der Entscheidung 5 Ob 162/10z ging der Senat davon aus, dass die Selbständigkeit zweier Wohnungseigentumsobjekte aufgrund des Verlusts der baulichen Abgeschlossenheit im Fall der Zusammenlegung mittels Wanddurchbruchs verloren geht (zust T. Hausmann, wobl 2011/64 [136]). Zu 5 Ob 157/11s hatte der Fachsenat einen Antrag auf Neufestsetzung der Nutzwerte für eine Liegenschaft zu beurteilen, bei der aufgrund der vom Antragsgegner vorgenommenen baulichen Verbindung seiner Wohnungseigentumsobjekte mit Objekten der ebenfalls in seinem Eigentum stehenden Nachbarliegenschaft die Wohnungseigentumstauglichkeit dieser Objekte strittig war. Der Fachsenat ging davon aus, dass bauliche Änderungen an Objekten, an denen bereits Wohnungseigentum begründet ist, in Form der Verbindung mit Objekten auf einer Nachbarliegenschaft deren Wohnungseigentumstauglichkeit im Sinn des § 2 Abs 2 WEG 2002 beseitigen. Diese Auffassung wird auch in der wohnrechtlichen Literatur vertreten (vgl Prader/Pittl, „Grenzenloses“ Wohnungseigentum und seine Folgen, immolex 2018, 206 [210]; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht4 § 2 WEG Rz 11).

[9] 3.1 Die Auffassung des Rekursgerichts orientiert sich an diesen in höchstgerichtlicher Rechtsprechung vorgegebenen Grundsätzen, die auch für den Fall der Verbindung von Wohnungseigentumsobjekten mit auf der Nachbarliegenschaft gelegenen Objekten desselben Eigentümers vertreten wurde. Auf die Frage, ob die bauliche Abgeschlossenheit des Geschäftsraums 3 tatsächlich durch den Einbau einer Türe in die Außenwand allein bereits aufgehoben würde, kommt es im Gegensatz zur Auffassung des Revisionsrekurswerbers hier nicht entscheidend an. Neben der baulichen Abgeschlossenheit ist nach den Legaldefinitionen in § 1 Abs 2 WEG 1975 und § 2 Abs 2 WEG 2002 auch die Selbständigkeit des entsprechenden Gebäudeteils zwingende Voraussetzung. Diese ist nach der Verkehrsauffassung und daher nur nach der Lage des konkreten Einzelfalls beurteilbar (RS0111284 [T6]). Wenn das Rekursgericht hier (erkennbar) davon ausging, die Selbständigkeit des Geschäftsraums 3 sei aufgrund der baulichen Verbindung mit dem anschließenden Lagerraum nicht mehr gegeben, ist dies keine auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung.

[10] 3.2 Auf die Frage, ob zwischen dem Eigentümer des Geschäftsraums 3 und demjenigen der Nachbarliegenschaft Identität besteht, kommt es nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut von § 2 Abs 2 WEG 2002 nicht an. Nach der Judikatur bewirkt die – durch welche Baumaßnahmen auch immer hergestellte – Zusammenlegung zweier Wohnungen grundsätzlich, dass deren bauliche Abgeschlossenheit und Selbständigkeit verloren geht, was bei Eigentümerverschiedenheit der zusammenzulegenden Wohnungen einer Genehmigung nach § 16 Abs 2 WEG 2002 entgegensteht (5 Ob 38/08m; 5 Ob 162/10z), während die Zusammenlegung von Wohnungseigentumsobjekten im Fall der Eigentümeridentität, die spätestens bei Verbücherung vorliegen muss, als zulässig und genehmigungsfähig erachtet wurde (5 Ob 279/08b; 5 Ob 236/11h). Dieser Ausnahme vom Grundsatz liegt die Überlegung zugrunde, im Fall der Zusammenlegung von Wohnungseigentumsobjekten desselben Wohnungseigentümers werde ein neues einheitliches Objekt geschaffen, was wohnungseigentumsrechtlich zulässig sei und allenfalls zu einer entsprechenden Nutzwertneufestsetzung führen könne (vgl Prader, Zur Frage der Abgeschlossenheit eines Wohnungseigentumsobjekts, immolex 2008, 204 [206]). Daraus ist nicht der Umkehrschluss zu ziehen, dass eine bauliche Verbindung eines Wohnungseigentumsobjekts mit einem Objekt auf der Nachbarliegenschaft – mag es auch im Eigentum dieses Wohnungseigentümers stehen – nur aufgrund der Eigentümeridentität auch dann zulässig ist, wenn die Selbständigkeit des Wohnungseigentumsobjekts dadurch verloren ginge. Die vom Rekursgericht in seiner Zulassungsbegründung hervorgehobene Frage der Eigentümeridentität spielt daher keine entscheidende Rolle.

[11] 4. Die Beurteilung der Zulässigkeit der schon bei Wohnungseigentumsbegründung im Kellergeschoss eingebauten Türe zwischen dem Lagerraum (LR) und der auf der Nachbarliegenschaft gelegenen Tiefgarage ist ebenso irrelevant für das vom Rekursgericht erzielte Ergebnis.

[12] 5. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

[13] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Die Zweitantragsgegnerin und die Viertantragsgegner haben auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.

Leitsätze

  • Ist eine bauliche Verbindung eines WE-Objekts mit der Nachbarliegenschaft zulässig?

    Die Wohnungseigentumstauglichkeit eines Objekts erfordert nach § 2 Abs 2 WEG 2002 die bauliche Abgeschlossenheit nach allen Seiten. Bauliche Änderungen an Objekten durch Verbindung mit Objekten auf einer Nachbarliegenschaft beseitigen deren Wohnungseigentumstauglichkeit und zwar auch dann, wenn der Mit-und Wohnungseigentümer des Objekts und der Eigentümer der Nachbarliegenschaft ident sind.
    Eva-Maria Hintringer | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 117/20x | OGH vom 07.01.2021 | Dokument-ID: 1093406