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Zum eigenständigen Eintrittsrecht Minderjähriger an einer Wohnung gem § 14 MRG
Das dringende Wohnbedürfnis eines Minderjährigen ist ua dann zu bejahen, wenn der Anspruch auf familienrechtliche Wohnversorgung gegen den Unterhaltspflichtigen nicht durchsetzbar ist.
Geschäftszahl
4 Ob 16/18h; OGH; 20. Februar 2018
Norm
§§ 14 MRG, 30 Abs 2 Z 5 MRG
Leitsatz
Quintessenz:
Die Eintrittsvoraussetzungen des § 14 Abs 3 MRG sind im gerichtlichen Aufkündigungsverfahren für jede eintrittsberechtigte Person gesondert zu behaupten und zu prüfen. Das dringende Wohnbedürfnis eines Minderjährigen ist ua dann zu bejahen, wenn der Anspruch auf familienrechtliche Wohnversorgung gegen den Unterhaltspflichtigen nicht durchsetzbar ist.
OGH: Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG liegt vor, wenn die vermieteten Wohnräume nach dem Tod des bisherigen Mieters nicht mehr einem dringenden Wohnbedürfnis eintrittsberechtigter Personen dienen. Wer diese sind, definiert § 14 Abs 3 MRG: eintrittsberechtigt sind ua Verwandte in gerader Linie, sofern sie ein dringendes Wohnbedürfnis haben und schon bisher im gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter in der Wohnung gewohnt haben. Der Eintritt in den Mietvertrag erfolgt (unter Ausschluss anderer zur Erbfolge berufenen Personen) ex lege, sofern die potenziell eintrittsberechtigten Personen dem Vermieter innerhalb von 14 Tagen nichts Gegenteiliges bekanntgeben – einer rechtsgeschäftlichen Erklärung braucht es hierfür nicht.
Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen der Eintrittsvoraussetzungen trägt nach der Rsp derjenige, der meint, eintrittsberechtigt zu sein oder der vorbringt, dass der vom Vermieter geltend gemachte Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 5 MRG wegen einer eintrittsberechtigten Person nicht verwirklicht sei (vgl 7 Ob 196/10i). Der bloße Hinweis des Gekündigten, dass die gekündigte Wohnung der Befriedigung eines „dringenden Wohnbedürfnisses“ diene, reicht hierfür nicht aus, vielmehr sind konkrete Behauptungen aufzustellen, aus welchen Gründen die Eintrittsvoraussetzungen gegeben sind. Das Gericht hat die Eintrittsvoraussetzungen für jede potenziell eintrittsberechtigte Person konkret zu prüfen. Es ist hierbei durch die Einwendungen begrenzt und erfasst nicht auch dritte Personen, deren mögliche Eintrittsrechte nicht zum Gegenstand der Einwendungen gemacht werden.
Ob einem Minderjährigen, der aufgrund seines Unterhaltsanspruchs auch einen Anspruch auf familienrechtliche Wohnversorgung hat, ein eigenständiges Eintrittsrecht an einer Wohnung gem § 14 MRG zukommt, hängt davon ab, ob dieses Kind im konkreten Einzelfall ein dringendes Wohnbedürfnis an der Wohnung hat, das vom familienrechtlichen Wohnungsanspruch nicht gedeckt ist. Bei der Beurteilung sind das Alter des Kindes, die zu erwartenden Entwicklungen in nächster Zukunft und die Gründe, die für die gesonderte Wohnungsnahme oder für die Begründung von eigenen Mitmietrechten des Unterhaltsberechtigten sprechen, zu berücksichtigen. Nach der Rsp kommt Minderjährigen, deren Selbsterhaltungsfähigkeit in nächster Zukunft nicht absehbar ist, neben dem familienrechtlichen Wohnungsanspruch gegen den Unterhaltspflichtigen kein dringendes Wohnbedürfnis an einer Wohnung zu, wenn nicht besondere Gründe dafür bestehen (vgl 7 Ob 145/09p).
Für die Notwendigkeit eigener Mietrechte eines Minderjährigen kann neben der nahenden Selbsterhaltungsfähigkeit ua die besondere Bedeutung einer Wohnung am Studienort sprechen. Zu beachten bleibt auch, dass ein dringendes Wohnbedürfnis nur dann verneint werden kann, wenn eine gleichwertige andere Wohnmöglichkeit zur Verfügung steht, wobei es dabei insbesondere auf die rechtliche Position ankommt. Zwar ist der Anspruch auf familienrechtliche Wohnversorgung gegen den Unterhaltspflichtigen durchsetzbar, ist die Durchsetzbarkeit jedoch nicht gesichert, so kann nicht mehr gesagt werden, dass das dringende Wohnbedürfnis bereits durch den familienrechtlichen Wohnungsanspruch gedeckt sei.
Geklagt hat im vorliegenden Fall die Eigentümerin einer Liegenschaft, auf der sich mehrere Häuser mit Wohnungen – ua jene der im Juli 2016 verstorbenen Mieterin – befinden. Weil der Sohn der Mieterin im Jänner 2015 beruflich nach Deutschland übersiedelte, zogen im April 2015 die spätere Schwiegertochter und ihre im Jahr 2013 geborene Tochter (Enkelin der Mieterin) in die gegenständliche Wohnung hinzu. Die beiden Frauen teilten die Hausarbeit, erledigten die Einkäufe gemeinsam und trugen abwechselnd die Lebenshaltungskosten, Im November 2015 wurde die zweite Enkelin der Mieterin geboren und im April 2016 kehrte auch ihr Sohn aus Deutschlang zurück. Seit diesem Zeitpunkt wohnte auch er in der gegenständlichen Wohnung, die Familie verfügte über keine andere Wohnmöglichkeit. Nach dem Tod der Mieterin kündigte die Klägerin das Mietverhältnis nach § 30 Abs 2 Z 5 MRG auf, mit der Begründung, dass keine eintrittsberechtigten Personen vorhanden seien, weshalb die Wohnung nicht mehr der Befriedigung eines dringenden Wohnbedürfnisses diene.
Da die Eintrittsvoraussetzungen für jede eintrittsberechtigte Person gesondert zu behaupten und zu prüfen sind, war ein allenfalls bestehendes Eintrittsrecht des Sohnes – mangels diesbezüglicher Einwendungen - nicht Gegenstand des Verfahrens. Nach den Feststellungen des Erstgerichts hat er für sich, seine Frau und die beiden Kinder zwar eine Wohnung gesucht, aber keine andere geeignete Wohnung gefunden. Besteht aber trotz entsprechender Suche für den Unterhaltspflichtigen keine andere Wohnmöglichkeit, so ist ein familienrechtlicher Wohnungsanspruch ihm gegenüber aktuell nicht durchsetzbar. Aus diesem Grund war die Notwendigkeit eigener Mietrechte der Enkelinnen der verstorbenen Mieterin zu bejahen.
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