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5 Ob 107/16w; OGH; 25. Oktober 2016
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin M***** Privatstiftung, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Trappel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Dr. G***** K*****, 2. Mag. E***** U*****, 3. L***** S*****, 4. D***** K***** H***** B*****, 5. M***** S*****, 6. K***** Z*****, 7. K***** R*****, 8. J***** K*****, 9. J***** P*****, 10. G***** S*****, 11. K***** S*****, 12. DI J***** S*****, 13. Mag. T***** T*****, 14. Mag. M***** I*****, 15. J***** N*****, 16. Mag. B***** P*****, 17. C***** S*****, 1., 5., 6., 13. und 14. Antragsgegner vertreten durch Dr. Erich Kafka, Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 52 Abs 1 Z 9 iVm § 32 Abs 5 WEG, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 24. Februar 2016, GZ 40 R 192/15d-47, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 17. Juni 2015, GZ 20 Msch 23/12b-44, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung
Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind die Miteigentümer einer Liegenschaft in Wien, auf der Wohnungseigentum begründet ist. Auf dieser Liegenschaft befinden sich zwei getrennte Gebäude. Das unmittelbar an der Straße liegende Gebäude stammt aus der Gründerzeit und verfügt seit der Errichtung des Hauses über eine Aufzugsanlage. Dieser Aufzug wurde am 01.01.2013 von der Hausverwaltung außer Betrieb genommen, da er den Sicherheitsvorschriften nicht mehr entsprach. Mit der Außerbetriebnahme wurde der behördlichen Sperre zuvor gekommen. Auch das hofseitig gelegene Neugebäude verfügt über eine Aufzugsanlage.
Im Juni 2012 fasste die Mehrheit der Wohnungseigentümer den Beschluss, die beiden Aufzugsanlagen zu sanieren bzw zu modernisieren. Dieser Beschluss wurde von mehreren Wohnungseigentümern nach den §§ 24 Abs 6, 29 WEG 2002 angefochten. In diesen Verfahren wurde am 12.11.2012 einfaches Ruhen des Verfahrens vereinbart. Seither gab es weder Beschlussinitiativen noch konkrete Sanierungspläne; insbesondere wurden weder Pläne erstellt noch Kostenvoranschläge eingeholt.
Mit Antrag vom 19.12.2012 begehrte die Antragstellerin, 1. für die beiden Liftanlagen von der Liegenschaft abweichende Abrechnungs- und Abstimmungseinheiten zu bilden und 2. den gesetzlichen Aufteilungsschlüssel für die Aufwendungen in der Weise abzuändern, dass die Wohnungseigentumseinheiten W 1, W 2, W 3 nicht mehr mit den Kosten des Personenaufzugs im straßenseitigen Gebäude belastet werden und die Wohnungseigentumseinheit Arbeitssaal 15 nicht mehr mit den Kosten des am Hofgebäude angebauten Personenaufzugs. Die Antragstellerin brachte dazu zusammengefasst vor, dass die in ihrem Wohnungseigentum stehenden Objekte W 1, W 2 und W 3 im Hochparterre bzw Erdgeschoss des Hauptgebäudes situiert seien und daher auf einer Ebene mit der Einstiegsstelle des Liftes liegen würden. Der Lift fahre nicht in den Keller und in den Obergeschossen befänden sich keine Gemeinschaftsanlagen. Die Antragstellerin habe daher keinerlei Nutzen. Gleiches gelte für das in ihrem Wohnungseigentum stehende Objekt Arbeitssaal 15. Dieses im Souterrain des Hofgebäudes gelegene Objekt sei mit dem Aufzug nicht erreichbar und auch im Hofgebäude befänden sich keine Gemeinschaftseinrichtungen.
Die 1., 5., 6., 13. und 14. Antragsgegner sprachen sich (nur) gegen den Antrag auf Neufestsetzung des Aufteilungsschlüssels aus. Die Antragstellerin zahle ohnedies einen zu geringen Beitrag zu den Betriebskosten und damit auch zu den Liftbetriebskosten, weil das der Wohnungseigentumsbegründung zugrunde liegende Nutzwertgutachten nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprochen habe. Insbesondere seien Wohnungen als Arbeitssäle parifiziert worden. Zudem sei bei der Berechnung der Nutzwerte die Lage im Erdgeschoss bereits berücksichtigt worden. Dies dürfe daher bei der Aufteilung der Instandhaltungskosten für allgemeine Teile des Hauses nicht nochmals berücksichtigt werden. Eigentümer von Wohnungen im Erdgeschoss könnten auch nie zur Gänze von den Aufwendungen befreit werden. Die Neufestsetzung des Verteilungsschlüssels habe sich außerdem lediglich auf die laufenden Betriebskosten zu beziehen. Die Kosten für deren Erhaltung und Verbesserung seien jedenfalls nach Nutzwerten zu zahlen. Es stehe aber ohnedies gar nicht fest, ob überhaupt und in welcher Form eine Sanierung der stillgelegten Aufzugsanlage stattfinde.
Mit Sachbeschluss vom 26. November 2013 schuf das Erstgericht für die mit den beiden Liftanlagen verbundenen Aufwendungen einschließlich der Beiträge zur Rücklage zwei gesonderte Abrechnungs- und Abstimmungseinheiten, wonach die jeweilige Zahlungspflicht allein die jeweils daran beteiligten (konkret bezeichneten) Wohnungseigentümer trifft. Dieser Sachbeschluss erwuchs in Rechtskraft.
Mit Sachbeschluss vom 12. Mai 2014 entschied das Erstgericht über den Antrag auf Neufestsetzung des Aufteilungsschlüssels; es wies den Antrag der Antragstellerin ab. Das Rekursgericht hob diesen Sachbeschluss auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Das Erstgericht habe in seiner rechtlichen Beurteilung das Argument der Antragsgegner verwertet, dass nicht feststehe, ob eine Sanierung der ursprünglichen Aufzugsanlage stattfinde oder ob möglicherweise der Lift in den Innenhof zu verlegen wäre, wodurch sich die möglichen Einstiegstellen grundlegend ändern könnten. Das Erstgericht habe allerdings keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen. Es wären Feststellungen über die weiteren Absichten der Wohnungseigentümer betreffend die Zukunft des Liftes erforderlich, um die Frage des rechtlichen Interesses an der Festsetzung eines abweichenden Verteilungsschlüssels für die Liftkosten zu beurteilen. Im Falle einer längerdauernden oder nicht absehbaren Stilllegung des Lifts ohne eine konkrete Sanierungsabsicht oder eine Neugestaltung des Liftes mit anderen Ausstiegsstellen würde das rechtliche Interesse an der Neu-Festsetzung des Verteilungsschlüssels fehlen, da es sich bei dem bloßen Vorhandensein eines Liftschachts um keine funktionierende Aufzugsanlage handle. Den Parteien sei daher Gelegenheit zu geben, ein entsprechendes Vorbringen hinsichtlich der weiteren Vorgangsweise der Eigentümergemeinschaft die Liftanlage betreffend zu geben, und im Falle eines divergierenden Vorbringens sei mittels eines Beweisverfahrens zu klären, ob und wie eine Sanierung der Liftanlage zu erwarten sei oder nicht. Die Festsetzung eines abweichenden Verteilungsschlüssels für eine stillgelegte Liftanlage, deren Sanierung und Inbetriebnahme nicht zu erwarten sei, scheide mangels eines rechtlichen Interesses jedenfalls aus.
Nach Verfahrensergänzung wies das Erstgericht den Antrag der Antragstellerin wiederum ab. In der Begründung seiner Entscheidung führte das Erstgericht aus, dass zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrags am 19.12.2012 die Benutzung des Liftes zwar noch für etwa 14 Tage möglich gewesen sei. Seit 01.01.2013 sei die Benutzung des Liftes aber für niemanden mehr möglich, da dieser außer Betrieb genommen worden sei. Zum Zeitpunkt der Entscheidung liege daher eine gleichartige Nutzungsmöglichkeit sämtlicher Wohnungseigentümer vor, nämlich keine. Da derzeit nicht feststehe, ob, wann und in welcher Form eine Sanierung des Liftes durchgeführt werde, sei der Antrag abzuweisen.
Dem Rekurs der Antragstellerin gab das Rekursgericht nicht Folge. Die angefochtene Entscheidung stehe mit der im Verfahren bereits geäußerten Rechtsansicht des Rekursgerichts im Einklang, wonach kein rechtliches Interesse an der Festsetzung eines abweichenden Verteilungsschlüssels für eine stillgelegte Liftanlage bestehe, deren Sanierung und Inbetriebnahme nicht zu erwarten sei. An diese Rechtsansicht sei das Rekursgericht gebunden. Im Übrigen entferne sich die Rekurswerberin in ihren Ausführungen von den erstgerichtlichen Feststellungen, die weder konkrete Einigungsversuche zu einer bestimmten Sanierungsform erkennen ließen, noch die Feststellung enthielten, dass der Liftbetrieb bloß vorübergehend eingestellt worden sei. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass ihrem Antrag auf Abänderung des gesetzlichen Aufteilungsschlüssels stattgegeben werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Die 1., 5., 6., 13. und 14. Antragsgegner beantragen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs ist zulässig und – im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags – auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1.1 Die Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage sind von den Wohnungseigentümern nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile bei Ende der Abrechnungsperiode zu tragen (§ 32 Abs 1 Satz 1 WEG 2002). Sämtliche Wohnungseigentümer können jedoch einen von dieser Regelung abweichenden Aufteilungsschlüssel oder eine von der Liegenschaft abweichende Abrechnungseinheit festlegen; für die nur diese abweichende Abrechnungseinheit betreffenden Angelegenheiten kann auch eine von der Liegenschaft abweichende Abstimmungseinheit festgelegt werden. Solche Vereinbarungen bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform (§ 32 Abs 2 WEG 2002).
1.2 Bei einer wesentlichen Änderung der Nutzungsmöglichkeit seit einer Vereinbarung iSd § 32 Abs 2 WEG 2002 oder bei erheblich unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten kann das Gericht den Aufteilungsschlüssel auf Antrag eines Wohnungseigentümers nach billigem Ermessen neu festsetzen (§ 32 Abs 5 WEG 2002). Besteht eine von der Liegenschaft abweichende Abrechnungseinheit, kann ein abweichender Verteilungsschlüssel auch innerhalb dieser gesonderten Abrechnungseinheit festgelegt werden (vgl 5 Ob 176/14i mwN).
1.3 Bei der in § 32 Abs 5 WEG 2002 vorgesehenen Änderung des gesetzlichen Aufteilungsschlüssels werden einzelne Aufwendungen für die Liegenschaft, für die erheblich unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten bestehen, nach einer vom gesetzlichen Schlüssel abweichenden Art verteilt (RIS-Justiz RS0122484). Die Änderung des gesetzlichen Aufteilungsschlüssels ist uneingeschränkt für alle Liegenschaftsaufwendungen möglich (vgl RIS-Justiz RS0109167). Zu den Aufwendungen für die Liegenschaft gehört insbesondere alles, was zur Erhaltung und Verbesserung der Liegenschaft oder der darauf errichteten Gebäude und dort befindlichen Anlagen aufgewendet wird, soweit sich diese Aufwendungen auf allgemeine Teile der Liegenschaft oder gemeinschaftliche Anlagen beziehen (T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht – WEG³ § 32 WEG Rz 20).
1.4 Die gerichtliche Festsetzung des abweichenden Aufteilungsschlüssels ist ab der der Antragstellung nachfolgenden Abrechnungsperiode wirksam (§ 32 Abs 5 WEG 2002). Da es sich dabei um eine rechtsgestaltende Entscheidung des Außerstreitrichters handelt, kann sie nur für die Zukunft getroffen werden (RIS-Justiz RS0083220).
2.1 Maßstab für den bei Gemeinschaftsanlagen iSd § 32 WEG 2002 festzusetzenden Verteilungsschlüssel ist die objektive und nicht die subjektive Nutzungsmöglichkeit; auf die tatsächliche Nutzung kommt es nicht an (RIS-Justiz RS0083193, RS0083101 [T4], RS0083087 [T8]). Bleibt die objektive Nutzungsmöglichkeit eines Liftes für einen Miteigentümer erheblich hinter jener anderer Miteigentümer zurück, kann er beantragen, von der Tragung der Liftkosten (zum Teil) ausgenommen zu werden (vgl RIS-Justiz RS0083087).
2.2 Das Erstgericht verneinte das Bestehen unterschiedlicher Nutzungsmöglichkeiten, weil der Lift außer Betrieb genommen worden sei, derzeit daher für keinen der Wohnungseigentümer eine Nutzungsmöglichkeit bestehe und nicht feststehe, ob, wann und in welcher Form eine Sanierung des Liftes durchgeführt werde. Für das Rekursgericht besteht schon kein rechtliches Interesse an der Festsetzung eines abweichenden Verteilungsschlüssels für eine stillgelegte Liftanlage.
2.3 Im Zusammenhang mit der Nichterrichtung eines ursprünglich geplanten und in die Wohnungseigentumsbegründung einbezogenen Objekts hat der Oberste Gerichtshof breits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass bei der gerichtlichen Festsetzung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels nach § 32 Abs 5 WEG 2002 nicht auf vorübergehende Gegebenheiten abgestellt werden kann (5 Ob 12/10s, 5 Ob 220/04w). Zwischen den Nutzungsmöglichkeiten jener Miteigentümer, die über real existierende Wohnungseigentumsobjekte verfügen, und jener, deren Objekte sich – lange Zeit nach der Parifizierung und Wohnungseigentumsbegründung – noch immer im Planungsstadium befinden, bestehen zwar gravierende Unterschiede, sodass die aus Gründen der Kostenverteilungsgerechtigkeit angestrebte Festsetzung eines von § 32 Abs 1 WEG 2002 abweichenden Schlüssels für die Aufteilung der Liegenschaftsaufwendungen nicht von vornherein als obsolet oder unzulässig beurteilt werden kann (5 Ob 220/04w). Das gilt aber nur für den Fall, dass definitiv feststeht, dass die Ausführung unmöglich ist oder die Errichtungsabsicht aufgegeben wurde (vgl RIS-Justiz RS0118636).
2.4 Auch der Untergang einer Gemeinschaftsanlage oder der gleich zu behandelnde Fall einer definitiven Unmöglichkeit oder Aufgabe des Vorhabens ihrer Wiederrichtung lässt sich nicht allein daraus ableiten, dass es – wie hier festgestellt – keine konkreten Pläne und Bemühungen gibt, die stillgelegte Anlage nach Sanierung oder Erneuerung wieder in Betrieb zu nehmen (vgl 5 Ob 220/04w). Zumal die Entscheidung über die Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen an allgemeinen Teilen der Liegenschaft iSd § 3 MRG zufolge § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 der Mehrheit im Rahmen der ordentlichen Verwaltung obliegt und nach ständiger Rechtsprechung auch zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten an bestehenden Anlagen noch zur Erhaltung gehören, selbst wenn es dadurch zu einer vollständigen Erneuerung kommt oder sogar Veränderungen vorgenommen werden (RIS-Justiz RS0114109). Die Anpassung einer Aufzugsanlage, die – wie hier – technischen und rechtlichen Vorgaben nicht mehr entspricht, ist daher grundsätzlich als Erhaltungsmaßnahme und damit als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung zu qualifizieren (vgl 5 Ob 92/08b mwN). Umstände, die im vorliegenden Einzelfall die Qualifikation der Wiederinbetriebnahme des Liftes als Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung bedingen, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
2.5 Im Rahmen der ordentlichen Verwaltung ist der bestellte Verwalter autonom zuständig (RIS-Justiz RS0083447 [T3]); Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung kann und muss der Verwalter auch ohne Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen eigenständig setzen (RIS-Justiz RS0122841).
Mit § 30 Abs 1 Z 1 WEG 2002 wird zudem den Wohnungseigentümern die Möglichkeit eröffnet, in Bezug auf die ordnungsgemäße Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft auch gegen den grundsätzlich maßgebenden Mehrheitswillen aufzutreten und gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Jeder Wohnungseigentümer kann die Entscheidung des Gerichts darüber verlangen, dass Arbeiten iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 binnen einer angemessenen Frist durchgeführt werden. Voraussetzung für die Anrufung des Gerichts ist die Untätigkeit der Mehrheit oder des Verwalters, entweder durch die Unterlassung einer Beschlussfassung oder die Ablehnung einer Erhaltungsarbeit. Wesentliches Kriterium für die Durchsetzbarkeit dieses Individualrechts eines einzelnen Wohnungseigentümers auf Durchführung von Erhaltungsmaßnahmen ist allerdings deren Dringlichkeit; ebenso ist auf wirtschaftliche Aspekte wie den Kostenaufwand und die Finanzierbarkeit der Erhaltungsmaßnahmen Bedacht zu nehmen (5 Ob 212/13g mwN).
2.6 Vor diesem Hintergrund und mangels eines Anhaltspunkts dafür, dass die Geltendmachung des Minderheitsrechts § 30 Abs 1 Z 1 WEG 2002 an den zuletzt genannten Voraussetzungen scheitert, unterblieb die Wiederinbetriebnahme der Aufzugsanlage bislang ausschließlich aus subjektiven bei den Antragsgegnern gelegenen Gründen, obwohl objektiv eine entsprechende Sanierung und folglich Nutzung möglich und durchsetzbar gewesen wäre. Für die Festsetzung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels ist aber auf diese objektive Nutzungsmöglichkeit abzustellen (vgl 5 Ob 12/10s [Nichtbetreiben eines parifizierungskonformen Ausbaus eines Dachbodens aus subjektiven Gründen]).
3. Bei dieser Sachlage tragen die von den Vorinstanzen herangezogenen Begründungen die Abweisung des Antrags auf Festsetzung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels nicht. Die Stilllegung der Aufzugsanlage ist nach den Feststellungen nicht endgültig und die in diesem Sinn vorübergehende faktische Nichtbenützbarkeit ist nicht gleichzusetzen mit dem Fehlen der objektiven Nutzungsmöglichkeit. Der Antragstellerin ist das rechtliche Interesse an der Festsetzung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels auch dann zuzugestehen, wenn seit der Antragstellung keine Aufwendungen für die Aufzugsanlage angefallen sein sollten und nicht absehbar ist, ob und wann dies (wieder) der Fall ist. Da die gerichtliche Festsetzung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels erst für die der Antragstellung nachfolgende Abrechnungsperiode wirksam ist (§ 32 Abs 5 WEG 2002), entstünde durch die vorläufige Verneinung des rechtlichen Interesses die von der Revisionsrekurswerberin aufgezeigte Rechtsschutzlücke. Fallen Absehbarkeit der Wiederinbetriebnahme und Kostenaufwand hiefür in dieselbe Abrechnungsperiode, könnte sie den neuerlichen Antrag auf gerichtliche Festlegung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels nicht mehr so rechtzeitig stellen, dass der geänderte Aufteilungsschlüssel auch für den bereits getätigten Aufwand wirksam wäre. Das wiegt umso schwerer, als auch die Bevorschussung eines bereits bestimmten Erhaltungsaufwands als eine Leistung in die Rücklage zu qualifizieren ist. Eine allfällige den Wohnungseigentümern anteilig vorgeschriebene Zahlung, die die Wiederinbetriebnahme der Aufzugsanlage finanzieren soll, würde demnach einen Beitrag zur Rücklage darstellen (5 Ob 206/15b mwN) und wäre daher von den Wohnungseigentümern nach dem zu diesem Zeitpunkt gültigen Aufteilungsschlüssel nach § 32 WEG 2002 zu tragen.
4. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen kann demnach die von der Antragstellerin angestrebte Festsetzung eines von § 32 Abs 1 WEG 2002 abweichenden Schlüssels für die Aufteilung der Aufwendungen für die Aufzugsanlage nicht von vornherein als (derzeit) obsolet beurteilt werden. Diese Festsetzung eines abweichenden Verteilungsschlüssels hinsichtlich der Liftkosten nach billigem Ermessen des Außerstreitrichters bedarf eines alle Anteilseigner erfassenden Verteilungsschlüssels, welcher Feststellungen über die Lage aller Objekte im Haus sowie deren Anteil an der objektiv möglichen Nutzung der Liftanlage erfordert. In diesem Verfahren nach § 52 Abs 2 WEG 2002 haben daher aufgrund des dort herrschenden Untersuchungsgrundsatzes Erörterungen über die den einzelnen Miteigentümern und Wohnungseigentümern zukommenden objektiven Möglichkeiten der Liftbenützung stattzufinden (RIS-Justiz RS0109935). Die rechtsgestaltende Festsetzung des Verteilungsschlüssels für die Kosten der Liftanlage nach § 32 Abs 5 WEG 2002 ist für sämtliche Verfahrensparteien als zum Zeitpunkt der Rechtskraft eingetragenen Miteigentümer bindend (RIS-Justiz RS0109935 [T1]). Die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zu den im straßenseitigen Gebäude gelegenen Objekten und der Ausgestaltung der Aufzugsanlage geben über die mit diesen Objekten verbundenen objektiven Möglichkeiten der Liftbenützung nicht mit der erforderlichen Sicherheit Auskunft. Damit erweist sich die Sache als noch nicht entscheidungsreif.
5. Der Revisionsrekurs ist daher im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG 2002. Erst mit der endgültigen Sachentscheidung können die gebotenen Billigkeitserwägungen angestellt werden (RIS-Justiz RS0123011 [T1]).
Leitsätze
-
Zum Antrag auf Festsetzung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels
Die Wohnungseigentümer haben die Möglichkeit, einen von der allgemeinen Regelung abweichenden Aufteilungsschlüssel oder eine von der Liegenschaft abweichende Abrechnungseinheit festzulegen. Im Falle einer nachfolgenden wesentlichen Änderung der Nutzungsmöglichkeit oder bei erheblich unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten kann das Gericht den Aufteilungsschlüssel auf Antrag eines Wohnungseigentümers nach billigem Ermessen neu festsetzen. Maßgeblich ist hierbei die objektive Nutzungsmöglichkeit.WEKA (ato) | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 107/16w | OGH vom 25.10.2016 | Dokument-ID: 895540 -
Zum Untergang einer Gemeinschaftsanlage
Der Untergang einer Gemeinschaftsanlage oder der gleich zu behandelnde Fall einer definitiven Unmöglichkeit oder Aufgabe des Vorhabens ihrer Wiederrichtung lässt sich nicht allein daraus ableiten, dass es keine konkreten Pläne und Bemühungen gibt, die stillgelegte Anlage nach Sanierung oder Erneuerung wieder in Betrieb zu nehmen.WEKA (ato) | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 107/16w | OGH vom 25.10.2016 | Dokument-ID: 895541