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Dokument-ID: 1133628

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 78/22i; OGH; 21. Dezember 2022

GZ: 5 Ob 78/22i | Gericht: OGH vom 21.12.2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. R*, vertreten durch die Puschner Spernbauer Rosenauer Rechtsanwälte OG, Wien, gegen die beklagte Partei G*, vertreten durch Mag. Wolfgang Steiner, Mag. Anton Hofstetter, Rechtsanwälte in Wien, sowie der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei B*, vertreten durch Mag. Günter Eybl, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen Räumung (in eventu Wiederherstellung) über die Revisionen der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. Oktober 2021, GZ 39 R 109/21z-55, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 3. März 2021, GZ 5 C 96/19s-48, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revisionen der klagenden und der beklagten Partei werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Begründung

[1] Der Kläger ist aufgrund des Kaufvertrags vom 12.12.2008 Eigentümer von 46/1602 Anteilen einer Liegenschaft, mit denen das Wohnungseigentum an der Wohnung 10 Stiege 1 des darauf errichteten Mehrparteienhauses untrennbar verbunden ist. Der Beklagte ist aufgrund des mit der Nebenintervenientin abgeschlossenen Kaufvertrags vom 21.08.2008 Eigentümer von 37/1602 Anteilen derselben Liegenschaft. Mit seinen Miteigentumsanteilen ist das Wohnungseigentum an der Wohnung 9 Stiege 1 verbunden. Beide Parteien haben ihre jeweilige Wohnung vor Unterfertigung des Kaufvertrags besichtigt; die Raumaufteilung wies bereits damals den gegenwärtigen Zustand auf. In natura ist die Trennung zwischen den Wohnungen Nr 9 und 10 so ausgeführt, dass ein Raum bzw Raumteil im Ausmaß von etwa 1,4 m², der nach dem Baukonsens Bestandteil der Wohnung 10 sein sollte, in den Wohnungsverband der top Nr 9 einbezogen wurde.

[2] Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung des Hauptbegehrens durch das Erstgericht, mit dem der Kläger die Übergabe der in den Wohnungsverband des Beklagten einbezogenen Fläche anstrebte, änderte dessen Urteil im Übrigen ab und gab dem auf Zustimmung zur Beseitigung und Herstellung des dem Baukonsens entsprechenden Zustands gerichteten Eventualantrag statt. Das Hauptbegehren scheitere schon daran, dass es rechtlich unmöglich sei, dem Kläger ein Nutzungsrecht an einem im Wohnungsverband der top Nr 9 gelegenen unselbständigen Raumteil zu verschaffen. Ein auf Übergabe einer solchen Fläche gerichtetes Urteil wäre nicht vollziehbar. Hingegen sei das Eventualbegehren berechtigt: Der Titel zum Erwerb von Wohnungseigentum liege im Regelfall im Wohnungseigentumsvertrag, wobei die Widmung die dem Wohnungseigentümer zustehenden Nutzungsbefugnisse festlege. Der Wohnungseigentumsvertrag sei nach seinem Wortlaut objektiv auszulegen, woraus hier folge, dass von einer Zuordnung der Flächen entsprechend dem Nutzwertgutachten und damit von einer Widmung der strittigen Fläche zugunsten der Wohnung top Nr 10 auszugehen sei. Für eine (ausdrückliche) Willenseinigung aller Miteigentümer, von dieser Widmung abzugehen, gebe es keine Anhaltspunkte. Eine konkludente Willenseinigung scheitere schon daran, dass die Abweichung vom Baukonsens den übrigen Miteigentümern nicht bekannt gewesen sei. Eine Zustimmung aller Wohnungseigentümer zu den baulichen Änderungen und/oder Widmungsänderungen scheide daher aus. Die Interessenslage der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer bei Versetzen einer Trennwand zwischen Wohnungen, hätte aber jedenfalls eine solche Einigung erfordert. Abgesehen davon, dass § 5 Abs 4 WEG erst mit der Wohnrechtsnovelle 2015 eingeführt worden sei und damit außerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs liege, sei kein Fall eines Zubehörsobjekts zu beurteilen. Das Eventualbegehren verstoße auch nicht gegen das Schikaneverbot. Die Revision sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof in einem vergleichbaren Fall eine gegenteilige Entscheidung des Berufungsgerichts gebilligt habe.

[3] Die von der Gegenseite jeweils beantworteten Revisionen der Streitparteien sind entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508 Abs 1 ZPO), nicht zulässig. Die Nebenintervenientin hat sich am Revisionsverfahren nicht mehr beteiligt.

I. Zu der in der Zulassung durch das Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Das Berufungsgericht begründete seinen Zulassungsausspruch damit, dass der Oberste Gerichtshof zu 5 Ob 159/21z eine in einem vergleichbaren Fall gegenteilige Entscheidung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rechtsmittelgericht gebilligt habe.

[5] 2. In der Entscheidung 5 Ob 159/21z hat der Fachsenat die außerordentliche Revision gegen eine in einer Räumungssache ergangene abweisende Entscheidung eines anderen Senats des Berufungsgerichts gemäß § 510 Abs 3 ZPO ohne Begründung zurückgewiesen und damit zum Ausdruck gebracht, dass der zweiten Instanz kein Beurteilungsfehler unterlaufen ist (oder im Rechtsmittel geltend gemacht wurde), der aus Anlass eines außerordentlichen Rechtsmittels aufzugreifen wäre (RIS-Justiz RS0130825). Allein mit dem Hinweis auf den Beschluss zu 5 Ob 159/21z kann eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO daher nicht begründet werden.

[6] 3. Die Revision kann zwar aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig sein, wenn das Berufungsgericht zum selben Sachverhalt in zwei Verfahren widersprüchliche Auffassungen vertreten hat (RS0132819) oder die Rechtsprechung von Gerichten zweiter Instanz oder auch verschiedener Spruchkörper eines Rechtsmittelgerichts über eine bestimmte Frage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts uneinheitlich ist (RS0116241). Ein solcher Widerspruch zur Entscheidung zu 5 Ob 157/19z und damit die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage liegt hier aber schon deshalb nicht vor, weil sich dort der Wohnungseigentumsorganisator – anders als im vorliegenden Fall – im Wohnungseigentumsvertrag unter Vorwegzustimmung der übrigen Wohnungseigentümer ausdrücklich vorbehalten hat, Wohnungen und sonstige selbstständige Räumlichkeiten zusammenzulegen oder zu teilen.

II. Zur Revision des Klägers

[7] 1. Dass das Berufungsgericht seinem Eventualbegehren stattgegeben hat, steht der Anfechtung der Abweisung des Hauptbegehrens nicht entgegen (RS0007269 [T8]).

[8] 2. Der Kläger weist zwar grundsätzlich zutreffend darauf hin, dass das Berufungsgericht mit seiner Zulassungsbegründung keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO anspricht, kann mit seiner Argumentation aber selbst keine Rechtsfrage von einer solchen Bedeutung aufzeigen.

[9] 2.1 Das Wohnungseigentum ist das dem Miteigentümer einer Liegenschaft eingeräumte dingliche Recht, eine selbstständige Wohnung oder sonstige selbstständige Räumlichkeit ausschließlich zu nutzen und hierüber allein zu verfügen (§ 2 Abs 1 WEG).

[10] 2.2 Daraus folgt nach der Rechtsprechung, dass Wohnungseigentumsobjekte einer Übergabe sowie einer Räumungsexekution zugänglich sind (3 Ob 14/08t mwN; Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO § 349 Rz 10). Der Kläger begehrt vom Beklagten aber nicht die Übergabe eines Wohnungseigentumsobjekts, sondern die Übergabe einer Fläche von etwa 1,4 m², die in dessen Wohnungseigentumsverband integriert ist. Ein ausschließliches Nutzungsrecht an dieser Fläche kann er, solange diese Teil der Wohnung des Beklagten ist, nicht wahrnehmen. Indem er sich zur Begründung dieses Anspruchs auf seinen Mindestanteil beruft, macht er damit in Wahrheit aus dem ideellen Miteigentum abgeleiteten Rechte geltend. Eine Übergabe von aus dem ideellen Miteigentum abgeleiteter Rechte ist aber nicht möglich (RS0004394). Damit ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht das Hauptbegehren mit dem Hinweis auf dessen mangelnde Exequierbarkeit abgewiesen hat.

III. Zur Revision des Beklagten

[11] 1. Die behauptete Mangelhaftigkeit sowie die geltend gemachte Nichtigkeit wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[12] 2. Nach ständiger Rechtsprechung gibt die rechtswirksame Widmung den Ausschlag dafür, was zu einem bestimmten Wohnungseigentumsobjekt gehört und entsprechend vom jeweiligen Wohnungseigentümer ausschließlich genutzt werden darf (RS0118149; zuletzt 5 Ob 76/20t). Im Allgemeinen erfolgt die Widmung im jeweiligen Wohnungseigentumsvertrag (RS0120725) und ist damit stets nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl RS0114928 [T7]; RS0120725 [T3]), sodass sich Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung dabei regelmäßig nicht stellen. Solche vermag der Beklagte auch nicht aufzuzeigen.

[13] 2.1 Der Fachsenat hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass auch die Beschreibung des Wohnungseigentumsobjekts oder die Bezeichnung der betreffenden Räume und der daraus resultierende Verwendungszweck in einem Nutzwertgutachten ein bei der Auslegung zu berücksichtigender Aspekt sein kann, soweit die Einbeziehung dieser Umstände in die Widmungsvereinbarung der Mit- und Wohnungseigentümer indiziert ist (vgl 5 Ob 72/19b mwN).

[14] 2.2 Dass – wie vom Berufungsgericht herausgearbeitet – das Nutzwertgutachen Teil des Wohnungseigentumsvertrags ist (vgl dazu 5 Ob 198/16b) bezweifelt der Beklagte zu Recht nicht. Seine daraus insbesondere aus der Begründung für die Zu- und Abschläge gewonnene Erkenntnis, dass die hier strittige Fläche danach unzweifelhaft der Wohnung top Nr 10 des Klägers zugewiesen war, ist als Ergebnis der Vertragsauslegung im Einzelfall entgegen der Ansicht des Beklagten nicht zu beanstanden. Hinzu kommt, dass unter dem Regime des WEG 1975 (aus dem öffentlich zugänglichen Grundbuch ergibt sich, dass das Wohnungseigentum an der gegenständlichen Liegenschaft im Jahr 1987 zu TZ 4271/1987 begründet wurde) für die nach § 12 WEG 1975 zur Einverleibung des Wohnungseigentums erforderliche Bescheinigung der Baubehörde (§ 12 Abs 2 Z 2 WEG 1975) ebenso, wie für die Berechnung der Nutzflächen (§ 6 Abs 2 WEG 1975) ein behördlich bewilligter Bauplan vorliegen musste, der damit über die Nutzwertfestsetzung ebenfalls in den Wohnungseigentumsvertrag eingeflossen ist. Auch daraus folgt nach den Feststellungen, dass die strittige Fläche von gut 1,4 m² ursprünglich Teil der Wohnung 10 des Klägers war und damit einen Teil dieses Wohnungsverbands bildete.

[15] 2.3 Grundsätzlich zutreffend ist zwar, dass für den Rechtsakt der Widmung im Gegensatz zum Vertrag über die Begründung von Wohnungseigentum keine Formvorschriften bestehen (RS0082712 [T14]), sodass er (im Stadium der Vorbereitung einer Wohnungseigentumsbegründung) auch vom Wohnungseigentumsorganisator gesetzt werden kann (RS0120725 [T2]; RS0082712 [T8]). Ob vor Begründung von Wohnungseigentum eine solche Widmung in dem vom Beklagten angestrebten Sinn durch die Wohnungseigentumsorganisatorin gesetzt worden ist, kann im vorliegenden Fall aber dahin stehen, weil davon jedenfalls im nachfolgenden Wohnungseigentumsvertrag abgegangen worden ist. Damit schadet es aber auch nicht, dass Feststellungen zur Frage fehlen, wann genau die Arbeiten, die zur Einbeziehung des strittigen Raumteils in den Wohnungsverband des Beklagten geführt haben, stattfanden.

[16] 3. Auszugehen ist davon, dass es entgegen der Widmung durch bauliche Maßnahmen zu einer Verschiebung einer Fläche von etwas mehr als einem Quadratmeter aus dem Bestand der Wohnung top Nr 10 hin zur Wohnung top Nr 9 gekommen ist. Diese Arbeiten wurden nach den Feststellungen des Erstgerichts entweder noch vom Wohnungseigentumsorganisator veranlasst oder von dessen unmittelbarer Rechtsnachfolgerin im Eigentum beider Wohnungen vorgenommen. Dazu stellte es aber zugleich klar, dass Letztere die beiden Wohnungen schon zwei Tage nach deren Erwerb am 17.01.1990 an die unmittelbaren Rechtsvorgängerinnen der Streitteile weiterveräußerte und zu diesem Zeitpunkt der auch jetzt noch bestehende Zustand bereits hergestellt war, was den Schluss nahe legt, dass nur die Wohnungseigentumsorganisatorin für die Versetzung der Trennwand zwischen den Wohnungen in Betracht kommen kann.

[17] 4. Eine ausdrückliche, vom ursprünglichen Vertrag abweichende Vereinbarung aller Mit- und Wohnungseigentümer hat das Beweisverfahren nicht ergeben. Es wurde zwar auch schon ausgesprochen, dass spätere Widmungsänderungen allenfalls auch konkludent die Zustimmung aller Mit- und Wohnungseigentümer finden können (RS0119528 [T6]; RS0120725 [T4, T9]). Für ein einvernehmliches Abgehen vom ursprünglichen Wohnungseigentumsvertrag durch alle Wohnungseigentümer gemäß § 863 ABGB kann allein wegen der lang geübten Nutzung der beiden Wohnungen durch ihre jeweiligen Eigentümer aber schon mangels Anhaltspunkte für eine Kenntnis der übrigen Mit- und Wohnungseigentümer von den hier in Rede stehenden baulichen Abweichungen nicht ausgegangen werden.

[18] 4.1 Nach ständiger Rechtsprechung verpflichtet schon die bloße Möglichkeit einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Mit- und Wohnungseigentümer den änderungswilligen Wohnungseigentümer, die Zustimmung aller Miteigentümer oder die Genehmigung des Außerstreitrichters einzuholen. Tut er das nicht, nimmt er also Änderungen im Sinn des § 16 Abs 2 WEG ohne vorherige Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer und ohne Genehmigung des Außerstreitrichters vor, handelt er in unerlaubter Eigenmacht und kann im streitigen Rechtsweg petitorisch mit Klage nach § 523 ABGB zur Beseitigung der Änderung und Wiederherstellung des früheren Zustands sowie gegebenenfalls auf Unterlassung künftiger Änderungen verhalten werden (RS0083156; RS0005944). Eine solche Klage richtet sich zwar grundsätzlich gegen den unmittelbaren Störer, sie kann aber auch gegen denjenigen gerichtet werden, der den unerlaubten Zustand aufrecht hält (vgl 1 Ob 35/89 mwN; RS0012129), sodass der Beklagte auch mit seinem Einwand, er sei passiv nicht legitimiert, keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzeigen kann.

[19] 4.2 Der in § 16 Abs 2 WEG und seiner Vorgängerbestimmung (§ 13 Abs 2 WEG 1975) verwendete Begriff „Änderungen“ ist grundsätzlich weit auszulegen (RS0083108 [T1]; RS0083132). Das Vorliegen einer Änderung kann demnach nur bei bagatellhaften Umgestaltungen verneint werden (RS0109247). Die Verschiebung von Bestandflächen zwischen zwei Wohnungen erfordert die Versetzung zumindest einer Trennwand zwischen diesen Wohnungen und berührt damit notwendigerweise einen allgemeinen Teil des Hauses, weshalb dafür die Zustimmung aller Wohnungseigentümer oder die Genehmigung durch den Außerstreitrichter erforderlich ist. Daran, dass es sich nach den Feststellungen um eine eigenmächtige Änderung im Sinn der Rechtsprechung handelt, vermag entgegen der Ansicht des Beklagten auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Trennwand zwischen den Wohnungen verschoben wurde, als beide noch im Eigentum desselben Wohnungseigentümers standen. Auch bei Änderungen im Bestand räumlich unmittelbar aneinandergrenzender Wohnungseigentumsobjekte ist § 16 Abs 2 Z 1 WEG beachtlich (dazu § 16 Abs 2 Z 5 WEG [nunmehr § 16 Abs 4 WEG idF BGBl I 2021/222]). Nichts anderes galt für die Rechtslage nach dem WEG 1975 (§ 13 Abs 2 Z 5 WEG 1975).

[20] 4.3 Auch mit seinen Ausführungen, der Kläger sei infolge einer geschlossenen Vertragskette an die Zustimmung seines Rechtsvorgängers im Eigentum der Wohnung top Nr 9 gebunden, kann der Beklagte keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzeigen, die im Sinn der Rechtssicherheit zu korrigieren wäre:

[21] Ob in der Zustimmung zu einer bestimmten Änderung iSd § 16 Abs 2 WEG allenfalls ein (konkludenter) Verzicht des Einwilligenden auf die Geltendmachung von Rechten aus dem Eigentum liegen könnte, muss hier nicht geprüft werden. Grundsätzlich kann zwar auf jedes Recht verzichtet werden, sofern es nicht nach seiner Zweckbestimmung unverzichtbar sein muss oder der Verzicht durch positive Gesetzesanordnung ausgeschlossen ist (RS0033976). Ein Verzicht ist aber nach der Rechtsprechung ein zweiseitiges Rechtsgeschäft (RS0033948; zuletzt 5 Ob 196/20i). Da fest steht, dass die Trennwand zwischen den Objekten verschoben wurde, als die Nutzungsrechte an den Wohnungen demselben Wohnungseigentümer zustanden, scheidet eine (konkludente, allenfalls als Verzicht zu wertende) vertragliche Regelung, die im Sinn der Rechtsprechung (vgl dazu 5 Ob 205/14d) den jeweiligen Rechtsnachfolgern überbunden werden hätte können, wie es der Beklagte allenfalls vor Augen haben mag, aus. Damit kann auch dahin stehen, ob die jeweiligen Verträge nach ihrem Inhalt überhaupt eine solche Annahme erlaubten.

[22] 4.4 Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang einen Verstoß des Klägers gegen den Grundsatz von Treu und Glauben releviert, macht er der Sache nach Rechtsmissbrauch geltend. Zwar liegt schikanöse Rechtsausübung nicht nur dann vor, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet, sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten und den beeinträchtigten Interessen eines anderen ein krasses Missverhältnis besteht (RS0026265). Im Verfahren über die Berechtigung des Unterlassungs- und Beseitigungsbegehrens ist aber nur zu prüfen, ob die Änderungen überhaupt § 16 Abs 2 WEG zu unterstellen sind. Der Fachsenat hat daher bereits wiederholt ausgesprochen, dass der Einwand der Schikane in einem solchen Fall Fragen der Interessensabwägung berührt, für die im streitigen Verfahren kein Raum bleibt (5 Ob 5/15v [Pkt 3.3] mwN).

[23] 4.5 Die Bestimmung des § 5 Abs 4 WEG in der Fassung BGBl I Nr 100/2014 trat mit 01.01.2015 in Kraft. Sie gilt nach der Übergangsbestimmung des § 58c Abs 2 WEG zwar auch für Übertragungen, die vor ihrem Inkrafttreten vorgenommen wurden. Jede analoge Anwendung einer Bestimmung setzt aber eine Lücke im Rechtssinn voraus. Eine solche ist dort anzunehmen, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist, ohne dass seine Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (RS0008866 [T5]). Dass hier eine solche Regelungslücke vorliegt, die es gerechtfertigt erscheinen ließe, die Bestimmung des § 5 Abs 4 WEG, nach der die Übertragung eines Zubehörs zu ihrer Wirksamkeit nicht der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer bedarf, auch auf den Fall der Verschiebung von Trennwänden zwischen zwei Wohnungen anzuwenden, vermag der Beklagte mit seinem Hinweis auf eine seinem Standpunkt Rechnung tragende sachgerechte Lösung nicht aufzuzeigen, sodass er auch insoweit keine Korrekturbedürftigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts aufzeigen kann.

[24] Sein Rechtsmittel ist damit ebenfalls zurückzuweisen.

IV. Kostenentscheidung

[25] Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Parteien haben in ihren Rechtsmittelbeantwortungen jeweils darauf hingewiesen, dass die Revision der Gegenseite nicht zulässig ist. Ihr Anspruch auf Kostenersatz hebt sich damit gegeneinander auf.

Leitsätze

  • Zur Verschiebung von Bestandflächen zwischen zwei Wohnungen und deren Genehmigungspflicht

    Die Verschiebung von Bestandflächen zwischen zwei Wohnungen erfordert die Versetzung zumindest einer Trennwand zwischen diesen Wohnungen. Damit wird notwendigerweise ein allgemeiner Teil des Hauses berührt, weshalb für eine solche Änderung jedenfalls die Zustimmung aller Wohnungseigentümer oder die Genehmigung durch den Außerstreitrichter erforderlich ist.
    Eva-Maria Hintringer | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 78/22i | OGH vom 21.12.2022 | Dokument-ID: 1133627