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Judikatur | Entscheidung

8 Ob 46/16x; OGH; 30. August 2016

GZ: 8 Ob 46/16x | Gericht: OGH vom 30.08.2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn und die Hofrätin Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. F***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch die Gratl & Anker Rechtsanwaltspartnerschaft in Innsbruck, und des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei Dr. Hannes Paulweber, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1) C***** M*****, und 2) T***** A*****, beide vertreten durch Prader, Ortner, Fuchs, Wenzel, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Unterfertigung eines Vertrags, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 8. Februar 2016, GZ 1 R 5/16s-20, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 15. April 2015, GZ 18 C 723/14p-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass es lautet:

„Die erstbeklagte Partei ist verpflichtet, den Wohnungseigentumsabänderungsvertrag betreffend die Liegenschaft in EZ *****, laut Beilage ./E, der einen integrierenden Bestandteil des Urteils bildet, im Original zu unterfertigen.“

Die Kostenentscheidung des Erstgerichts wird wiederhergestellt.

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.085,09 (darin enthalten EUR 180,85 USt) sowie dem Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei die mit EUR 1.085,09 (darin enthalten EUR 180,85 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie der klagenden Partei die mit EUR 2.195,88 (darin enthalten EUR 138,98 USt und EUR 1.362,– Pauschalgebühr) bestimmten Kosten der Revision binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

Die Klägerin errichtete als Bauträgerin in F***** eine Wohnungseigentumsanlage. Sie ist auch – so wie die Beklagten – Miteigentümerin dieser Anlage. Die Erstbeklagte erwarb mit Kaufvertrag vom 09.08.2011 die Wohnung W 1 und den Abstellplatz AP 23, der Zweitbeklagte mit Kaufvertrag vom 30.06.2011 die Wohnung W 3 und die Abstellplätze AP 24 und TG 16. Alle Parteien haben den Wohnungseigentumsvertrag vom 09.12.2011 notariell beglaubigt unterfertigt. Dieser Wohnungseigentumsvertrag enthält unter anderem folgende Bestimmung:

„XXII. (Wohnungseigentumsbegründung)

3. Die Vertragsteile stimmen jedoch zum Zwecke der Begründung von Wohnungseigentum der unentgeltlichen Berichtigung ihrer Miteigentumsanteile zu, wenn nach Vorliegen des Nutzwertfestsetzungsgutachtens eine Neufestsetzung der Nutzwerte notwendig sein sollte; die in diesem Zusammenhang für die Berichtigung der Nutzwerte erforderlichen Abtretungen von Miteigentumsanteilen erfolgen für diesen Fall ausdrücklich unentgeltlich, soweit sich dabei am Ausmaß der kaufgegenständlichen Einheiten für die Vertragsteile nichts ändert.

…“

Diese Vertragsbestimmung war der Klägerin deshalb ein Anliegen, weil es im Zuge der Bauausführung häufig zu Planabweichungen kommt. Die Beklagten wurden über den Inhalt und den Zweck dieser Bestimmung aufgeklärt. Ihnen wurde erläutert, dass der Verkauf der Einheiten teilweise Verschiebungen der Nutzwerte mit sich bringe. Grundlage des Wohnungseigentumsvertrags war das Nutzwertgutachten des Ing. G***** L***** vom 10.10.2011.

Im Zuge der Baumaßnahmen kam es im Verhältnis zum ursprünglichen Plan zu geringfügigen Änderungen. Diese bestand darin, dass eine Teilfläche des „Gartens-Kinderspielplatz“ der Wohnung W 1 der Erstbeklagten sowie eine Teilfläche des „Gartens der Wohnung W 4“ der Wohnung W 3 des Zweitbeklagten zugeordnet wurde. Dazu wurde ein neues Nutzwertgutachten durch Ing. G***** L***** (vom 31.08.2012) erstellt. Nach diesem Gutachten haben sich die Nutzwerte teilweise in geringem Ausmaß verändert. Konkret hat sich die Summe der Nutzwerte aller Wohnungseigentumsobjekte der Liegenschaft von 1.224 auf 1.226 erhöht. Bei den Anteilen der Erstbeklagten und des Zweitbeklagten haben sich folgende Änderungen ergeben:

W 1 von 82/1224 auf 85/1226 = Veränderung von 1.754/750312

AP 23 von 3/1224 auf 3/1226 = Veränderung von -3/750312

W 3 von 91/1224 auf 91/1226 = Veränderung von -91/750312

AP 24 von 3/1224 auf 3/1226 = Veränderung von -3/750312

TG 16 von 7/1224 auf 7/1226 = Veränderung von -7/750312.

Der auf dieser Basis errichtete Wohnungseigentumsabänderungsvertrag (Beilage ./E), der von allen Wohnungseigentümern unterzeichnet werden sollte, lautet auszugsweise wie folgt:

„III.

Das Nutzwertgutachten des Ing. G***** L***** vom 10.10.2011, auf dessen Basis die Miteigentumsanteile im Grundbuch einverleibt wurden, weicht von den tatsächlichen Gegebenheiten ab. Die Parifizierung für die Liegenschaft musste demgemäß abgeändert werden;

Mit dem Gutachten des Ing. G***** L***** vom 31.08.2012 über die erste Neufestsetzung der Nutzwerte und Mindestanteile, welches einen integrierenden Bestandteil dieser Vertragsurkunde bildet, wurden nunmehr die obigen Änderungen in der Berechnung der Nutzwerte und Mindestanteile berücksichtigt und die Nutzwerte neu festgesetzt.

Die Vertragsparteien erklären hiermit gemäß § 9 Abs 6 WEG 2002, dass sie den Ergebnissen des Gutachtens des Ing. G***** L***** vom 31.08.2012 über die erste Neufestsetzung der Nutzwerte und Mindestanteile zustimmen.

Die Nutzwertfestsetzung führt bei keinem der Miteigentumsanteile zu einer Änderung von mehr als 10 %.

…“

Die Beklagten weigerten sich, den Wohnungseigentumsabänderungsvertrag zu unterfertigen.

Die Klägerin begehrte, die Beklagten zur Unterfertigung des Wohnungseigentumsabänderungsvertrags betreffend die in Rede stehende Liegenschaft zu verpflichten. Die Beklagten hätten sich bereits im Wohnungseigentumsvertrag vom 09.12.2011 dazu verpflichtet, einer künftigen Änderung der Nutzwerte zuzustimmen. Da die verbücherten Miteigentumsanteile den tatsächlichen Gegebenheiten nicht entsprochen hätten, sei eine Neuparifizierung erforderlich gewesen. Dementsprechend sei ein neues Nutzwertgutachten erstellt worden.

Die Beklagten entgegneten, dass nach dem neuen Nutzwertgutachten allgemeine Teile der Liegenschaft zum Garten der Erstbeklagten dazugeschlagen würden. Dies sei vom Wohnungseigentumsvertrag nicht gedeckt. Pkt XXII.3 des Vertrags sei überdies gröblich benachteiligend im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB sowie intransparent im Sinne des § 6 Abs 3 KSchG. Zudem liege ein Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG vor. Eine geltungserhaltende Reduktion sei nicht zulässig. Hinzu komme, dass sich auf der Liegenschaft nur 36 Autoabstellplätze befinden würden. Dies stehe mit der einschlägigen Gemeindeverordnung nicht im Einklang. Zur Unterfertigung eines gesetzwidrigen Vertrags seien sie nicht verpflichtet.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Pkt XXII.3 des Wohnungseigentumsvertrags beziehe sich auf Fälle, bei denen sich nach der Begründung von Wohnungseigentum noch tatsächliche Änderungen der Verhältnisse ergeben würden und aus diesem Grund eine Änderung der Nutzwerte eintrete. Genau dies sei hier der Fall.

Gegenüber dem Zweitbeklagten ist die stattgebende Entscheidung des Erstgerichts in Rechtskraft erwachsen.

Das Berufungsgericht gab der – in Wirklichkeit nur von der Erstbeklagten erhobenen – Berufung Folge und änderte das angefochtene Urteil des Erstgerichts dahin ab, dass das Klagebegehren abgewiesen wurde. Im Anlassfall sei zwischen einer Neufestsetzung der Nutzwerte und einer Änderung der Widmung (durch Übertragung allgemeiner Teile in das Wohnungseigentum) zu unterscheiden. Die in Rede stehende Vertragsbestimmung erfasse eine solche Widmungsänderung nicht, zumal es sich dabei nicht um eine bloße Nutzwertänderung bzw Nutzwertverschiebung handle. Die Vertragsbestimmung schaffe auch keine einseitige Veränderungsmöglichkeit hinsichtlich der kaufgegenständlichen Wohnungseigentumseinheit.

Über Antrag der Klägerin nach § 508 ZPO sprach das Berufungsgericht nachträglich aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil zur Frage, ob eine vertragliche Vorabzustimmung von Wohnungseigentümern zu einer notwendigen Neufestsetzung der Nutzwerte auch in das Wohnungseigentum des Zustimmenden eingreifende Widmungsänderungen umfassen könne, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts wendet sich die Revision der Klägerin, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Erstbeklagte, die Revision zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die vom Berufungsgericht geäußerte Rechtsansicht einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Die Revision ist auch berechtigt.

1. Die Klägerin begehrt die Unterfertigung des Wohnungseigentumsabänderungsvertrags, der als Beilage ./E zum Akt genommen wurde. Sie beruft sich dabei auf die Bestimmung in Pkt XXII.3 des Vertrags, die eine Regelung zur Zustimmung der Wohnungseigentümer zur Neufestsetzung der Nutzwerte sowie zur Abtretung und der Berichtigung der Miteigentumsanteile im Grundbuch enthält. In der Revision führt sie dazu aus, dass es sich bei der in Rede stehenden Vertragsbestimmung um eine Standardklausel in Bauträgerverträgen handle. Im Anlassfall sei es im Zuge der Baumaßnahmen zu einer äußerst geringfügigen Anpassung der Nutzwerte und Miteigentumsanteile an die tatsächlichen Gegebenheiten gekommen. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts liege keine Widmungsänderung, sondern eine tatsächliche Verschiebung der Nutzwerte vor.

2.1 Die Lösung des Rechtsstreits hängt somit von der Auslegung der Bestimmung in Pkt XXII.3 des Wohnungseigentumsvertrags ab. Im Allgemeinen betrifft die Frage, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, typisch den Einzelfall, weshalb grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage vorliegt (RIS-Justiz RS0042936; RS0042776).

2.2 Die Besonderheit des Anlassfalls liegt allerdings darin, dass die zu beurteilende Vertragsbestimmung einen eindeutigen inhaltlichen Bezug zu den §§ 9 Abs 6 und 10 Abs 3 WEG 2002 aufweist. Die grundbücherliche Durchführung einer geringfügigen Änderung der Nutzwerte, etwa aufgrund von Planabweichungen im Zuge der Bauausführung, ist gerade das Ziel und der Regelungsgegenstand des § 10 Abs 3 WEG 2002, der eine vereinfachte grundbücherliche Anpassung der Miteigentumsanteile an die geänderten Nutzwerte ermöglichen soll. In solchen Fällen kann eine spezielle angeordnete Berichtigung des Grundbuchs erfolgen. § 10 Abs 3 WEG 2002 stellt demnach eine Spezialnorm bzw einen Anwendungsfall der Berichtigung nach § 136 GBG dar. Die in Rede stehende Vertragsbestimmung zielt eindeutig auf eine derartige Berichtigung des Grundbuchs ab. Dementsprechend ist in der Vertragsbestimmung auch ausdrücklich von der Berichtigung der Nutzwerte und Miteigentumsanteile die Rede.

2.3 Voraussetzung und Vorfrage für eine vereinfachte grundbücherliche Durchführung nach § 10 Abs 3 WEG 2002 ist allerdings eine rechtsverbindliche Neufestsetzung der Nutzwerte. Die Möglichkeiten, wie eine solche Neufestsetzung bewirkt werden kann, sind in § 9 WEG 2002 geregelt. In Betracht kommt entweder eine gerichtliche Neufestsetzung der Nutzwerte oder eine Neufestsetzung im Einvernehmen aller Wohnungseigentümer nach § 9 Abs 6 WEG 2002. Im Anlassfall soll eine einvernehmliche Neufestsetzung der Nutzwerte erfolgen. Die zu beurteilende Vertragsbestimmung soll somit die Herstellung des Einvernehmens unter den Wohnungseigentümern zur Neufestsetzung der Nutzwerte regeln und damit die Grundlage für eine (vereinfachte) Verbücherung schaffen. Sie ist daher im Lichte der genannten WEG-Bestimmungen auszulegen.

3.1 Das Berufungsgericht steht in dieser Hinsicht auf dem Standpunkt, dass im Anlassfall eine Widmungsänderung vorliege, weil allgemeine Teile der Liegenschaft in die Wohnungseigentumseinheit der Erstbeklagten einbezogen würden. Eine solche Maßnahme sei von der zu beurteilenden Vertragsbestimmung nicht gedeckt.

Diese Ansicht erweist sich – mangels eines entsprechenden vertraglichen Vorbehalts im Wohnungseigentumsvertrag – als unzutreffend.

3.2 In der Entscheidung 5 Ob 228/13k hatte sich der Oberste Gerichtshof mit einer ähnlichen Fallgestaltung zu beschäftigen. In dieser Entscheidung wurde zunächst darauf hingewiesen, dass der – mit der WRN 2006 (vgl nunmehr die vereinfachende Regelung nach der GB-Novelle 2012) – dem § 9 WEG 2002 neu hinzugefügte Abs 6 (in Erweiterung der bereits mit der WRN 1997 initiierten Privatisierung der Nutzwertermittlung) die Möglichkeit einer Nutzwertneufestsetzung im Einvernehmen aller Wohnungseigentümer einer Liegenschaft normiere. Danach könnten die Nutzwerte auch ohne gerichtliche Entscheidung abweichend vom ursprünglichen Nutzwertgutachten (§ 9 Abs 1) oder von einer behördlichen oder gerichtlichen Nutzwertfestsetzung (§ 9 Abs 2 oder 3) festgesetzt werden, indem ein neues Nutzwertgutachten eingeholt werde und sämtliche Wohnungseigentümer den Ergebnissen dieses Gutachtens schriftlich zustimmten. Diese Bestimmung ermögliche die im Grundbuchsverfahren zu beantragende Änderung der Nutzwerte ohne gerichtliche Neufestsetzung.

Weiters wurde in dieser Entscheidung dargelegt, dass in der Lehre unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien vertreten werde, dass eine vor Fertigstellung des Gutachtens erteilte (Blanko-)Zustimmung für eine einvernehmliche Nutzwertneufestsetzung gemäß § 9 Abs 6 WEG 2002 nicht ausreiche. Für diese Ansicht spreche der Wortlaut des § 9 Abs 6 WEG, nach dem die einvernehmliche Festsetzung neuer Nutzwerte voraussetze, dass ein Gutachten eingeholt werde und sämtliche Wohnungseigentümer den Ergebnissen dieses Gutachtens zustimmten. Eine im Vorhinein erteilte (Blanko-)Zustimmung von Wohnungseigentümern zu einer einvernehmlichen Festsetzung von Nutzwerten sei aber von einer (hier vorliegenden) vertraglichen Verpflichtung zu unterscheiden, erforderlichenfalls eine (künftige) Zustimmung (ohne Einrede) zu erteilen. Dazu wurde ausgeführt, dass redlichen Parteien nicht zu unterstellen sei, dass sie eine Vereinbarung bezweckten, die vorweg Einwände gegen eine den zwingenden gesetzlichen Bestimmungen oder der ausdrücklichen oder schlüssigen Widmung durch die Wohnungseigentümer widersprechende Nutzwertfestsetzung abschneiden solle.

Schließlich wurde in der zitierten Entscheidung darauf hingewiesen, dass der Zweck einer Vereinbarung nach § 9 Abs 6 WEG 2002 in einer möglichst zügigen Abwicklung der Neuparifizierung und einer möglichst raschen Herstellung einer den tatsächlichen Gegebenheiten auf der Liegenschaft entsprechenden Nutzwertfestsetzung bestehe.

3.3 Die hier zu beurteilende Vertragsbestimmung sieht eine Zustimmung der Wohnungseigentümer vor, wenn nach Vorliegen des (eines neuen) Nutzwertgutachtens eine Neufestsetzung der Nutzwerte notwendig sein (werden) sollte. Mit dieser Bestimmung sollte nach der an die §§ 9 und 10 WEG 2002 angelehnten Diktion und dem Zweck der Regelung die schuldrechtliche Verpflichtung der Wohnungseigentümer normiert werden, nach Vorliegen eines neuen Nutzwertgutachtens einer (geringfügigen) Neufestsetzung der Nutzwerte zuzustimmen.

Vergleichbar mit dem Ergebnis zu 5 Ob 228/13k handelt es sich auch im Anlassfall um keine vorweggenommene Zustimmungserklärung, sondern um die Verpflichtung, eine (künftige) Zustimmung zu erteilen.

3.4 Mit der vorliegenden Klage fordert die Klägerin die vertragliche Verpflichtung der Beklagten zur Zustimmung zu der aufgrund von Baumaßnahmen erforderlich gewordenen Neufestsetzung der Nutzwerte ein, indem sie die Unterfertigung eines darauf basierenden Wohnungseigentumsabänderungsvertrags begehrt. Durch die geforderte nachträgliche Zustimmung der Wohnungseigentümer soll das nach § 9 Abs 6 WEG 2002 erforderliche Einvernehmen hergestellt werden. Die Zustimmung der Wohnungseigentümer wird im Weg der Unterfertigung des Abänderungsvertrags – als Zusatz zum ursprünglichen Wohnungseigentumsvertrag – erteilt.

Das Klagebegehren ist demnach zutreffend auf die Unterfertigung des Abänderungsvertrags (Beilage ./E) gerichtet. Dieser Vertrag macht das neue Nutzwertgutachten zu seiner Grundlage und nimmt davon ausgehend die Neufestsetzung der Nutzwerte vor. Unter Hinweis auf § 9 Abs 6 WEG 2002 erklären die Vertragsparteien ihre Zustimmung dazu. Gleichzeitig wird festgehalten, dass die Nutzwertfestsetzung bei keinem der Miteigentumsanteile zu einer Änderung von mehr als 10 % führt und der Grundbuchsstand durch die Verschiebung der Anteile zu berichtigen ist (nach dem Inhalt des Abänderungsvertrags).

Wie im Abänderungsvertrag zutreffend festgehalten ist, kommt es durch die Neufestsetzung der Nutzwerte bei keinem der Miteigentumsanteile zu einer Veränderung von mehr als 10 %. Damit ist die Voraussetzung nach § 10 Abs 3 erste Fallgruppe WEG 2002 erfüllt (vgl dazu Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 10 WEG Rz 13/1). Die durch die Neufestsetzung der Nutzwerte konkret vorgenommene Änderung stellt eine geringfügige Änderung im Zuge der Baumaßnahmen dar und ist damit von Pkt XXII.3 des Wohnungseigentumsvertrags erfasst.

Ob im Zuge einer solchen Änderung allgemeine Teile in eine Wohnungseigentumseinheit einbezogen werden oder nicht, bleibt – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – unerheblich (vgl dazu auch 5 Ob 228/13k). Es kommt nur auf das Ausmaß der Änderung an.

3.5 Nach der zu beurteilenden Vertragsbestimmung erfolgt die Abtretung (hier Verschiebung der Mindestanteile durch Berichtigung) unentgeltlich, soweit sich am „Ausmaß“ der kaufgegenständlichen Einheiten nichts ändert. Mit diesem „Ausmaß“ werden nicht die Nutzwerte angesprochen, weil deren Neufestsetzung und Änderung gerade den Gegenstand der vertraglichen Regelung bildet. Vielmehr bezieht sich der Begriff „Ausmaß“ in diesem Zusammenhang auf die Wohnnutzfläche im Inneren des Wohnungseigentumsobjekts.

3.6 Der zugrunde liegende Abänderungsvertrag setzt damit in zutreffender Weise die Vertragsbestimmung in Pkt XXII.3 des ursprünglichen Wohnungseigentumsvertrags um. Die genannte Vertragsbestimmung setzt wiederum in rechtmäßiger Weise die Vorgaben nach §§ 9 Abs 6 und 10 Abs 3 WEG 2002 zur vereinfachten grundbücherlichen Durchführung einer einvernehmlichen Neufestsetzung der Nutzwerte um.

4. Da die zugrunde liegende vertragliche Regelung mit den genannten gesetzlichen Vorgaben im Einklang steht, ist die Vertragsbestimmung – entgegen der Ansicht der Erstbeklagten – weder gröblich benachteiligend noch intransparent. Auch liegt ein Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG nicht vor, weil es sich nicht um eine einseitige, sondern um eine einvernehmliche Neufestsetzung der Nutzwerte handelt. Es liegt auch kein Fall einer Änderung eines Wohnungseigentümers an seinem Wohnungseigentumsobjekt oder einer derartigen Widmungsänderung im Sinne des § 16 Abs 2 WEG 2002 vor.

5.1 Einwände, die der begehrten Unterfertigung des Wohnungseigentumsabänderungsvertrags entgegengehalten werden könnten, müssten sich auf eine nicht gesetzmäßige Neuparifizierung oder auf vertragliche Vorbehalte oder Beschränkungen zu einer Änderung der Nutzwerte beziehen. Solche Einwände wurden nicht erhoben.

5.2 Die Erstbeklagte führt in der Revisionsbeantwortung die Frage der Stellplätze ins Treffen. Die Klägerin habe im Sinne des § 267 ZPO zugestanden, dass nur 36 Stellplätze errichtet worden seien. Dies sei – nach der einschlägigen Gemeindeverordnung – zu wenig. Es bestehe keine Verpflichtung zur Unterfertigung eines rechtswidrigen Vertrags.

Das Berufungsgericht qualifizierte diesen Einwand zutreffend als irrelevant. Die Anzahl der Stellplätze ist nicht Inhalt des Abänderungsvertrags. Im Verhältnis zum ursprünglichen Wohnungseigentumsvertrag kommt es in dieser Hinsicht zu keiner Änderung. Der Einwand kann dem Begehren auf Unterfertigung des Zusatzes zum ursprünglichen Wohnungseigentumsvertrag somit nicht entgegenstehen. Er bezieht sich nicht etwa auf eine rechtswidrige Neuparifizierung oder auf vertragliche Vorbehalte oder Beschränkungen. Auf die von der Erstbeklagten aufgeworfenen Frage eines Tatsachengeständnisses der Klägerin zur Anzahl der Stellplätze kommt es nicht an. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Mängel des Berufungsverfahrens liegen nicht vor.

6.1 Das Berufungsgericht hat das Klagebegehren nicht auch mit der Begründung abgewiesen, dass dieses zu unbestimmt sei. Vielmehr ist es davon ausgegangen, dass in dieser Hinsicht zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung eine Erörterung bzw ein Verbesserungsverfahren erforderlich gewesen wäre, dies aber obsolet sei, weil das Klagebegehren wegen Vorliegens einer Widmungsänderung nicht berechtigt sei.

Richtig ist, dass das Klagebegehren keine Konkretisierung zu dem zu unterfertigenden Vertrag enthält. Dazu ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass im Begehren zu dessen Spezifizierung auf Urkunden oder andere Unterlagen verwiesen werden kann, wenn deren Identifizierung einwandfrei möglich ist (RIS-Justiz RS0037420). Im Anlassfall würde es somit genügen, wenn im Klagebegehren auf den Abänderungsvertrag laut Beilage ./E Bezug genommen wird.

6.2 Es entspricht ebenso der Rechtsprechung, dass das Gericht dem Urteilsspruch eine klare und deutliche, vom Begehren abweichende Fassung geben darf, wenn sich diese im Wesentlichen mit dem Begehren deckt (RIS-Justiz RS0039357; RS0038852). Das Klagebegehren ist dabei so zu verstehen, wie es im Zusammenhang mit dem Vorbringen und dem erkennbaren Rechtsschutzziel vom Kläger gemeint ist (RIS-Justiz RS0037440; RS0041254).

Diese Voraussetzungen zur amtswegigen Verdeutlichung des Urteilsspruchs durch Aufnahme des Hinweises, dass es sich bei dem vom Begehren erfassten Wohnungseigentumsabänderungsvertrag um jenen in Beilage ./E handelt, sind im Anlassfall gegeben. Die Klägerin hat sich von Anfang an auf den Wohnungseigentumsabänderungsvertrag bezogen, der den Beklagten wiederholt zur Unterfertigung übermittelt worden sei. Den Beklagten musste somit in jeder Lage des Verfahrens bekannt sein, dass die Unterfertigung des Vertrags in Beilage ./E begehrt wird (siehe auch ON 4). Dementsprechend haben sie im erstinstanzlichen Verfahren auch keinen derartigen Einwand erhoben.

7. Insgesamt ergibt sich, dass das Klagebegehren zu Recht besteht. Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof damit nicht stand. Vielmehr ist die stattgebende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen, wobei der Spruch durch eine Bezugnahme auf Beilage ./E zu ergänzen ist.

8. Die Abänderung der Entscheidung in der Hauptsache bewirkt auch eine Änderung der Kostenentscheidung. Diese stützt sich auf § 41 ZPO iVm § 50 ZPO. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Verfahrens ist die Kostenentscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Zu den Kosten des Berufungsverfahrens in Bezug auf den Zweitbeklagten ergibt sich Folgendes: Die Berufung wurde am 08.05.2015 laut Rubrum und Erklärungen im Schriftsatz im Namen beider Beklagten eingebracht. Mit Schriftsatz vom 21.05.2015 teilte der Beklagtenvertreter dem Gericht mit, dass der Zweitbeklagte in der Berufung versehentlich als Berufungswerber angeführt worden sei. Die Berufungsbeantwortung wurde von der Klägerin am 22.05.2015 eingebracht. Darin findet sich der Antrag, auch den Zweitbeklagten zum Kostenersatz zu verpflichten. Zwar sei im ERV-Deckblatt zur Berufung lediglich die Erstbeklagte angeführt. Dies gelte allerdings nicht für das angehängte PDF-Dokument, das in einem solchen Fall maßgebend sei (RIS-Justiz RS0125827). Die Mitteilung des Zweitbeklagten vom 21.05.2015 sei der Klägerin erst nach Ausarbeitung der Berufungsbeantwortung zugegangen. Mit Schriftsatz vom 29.05.2015 hat der Beklagtenvertreter bescheinigt, dass dem Klagevertreter bereits mit E-Mail vom 08.05.2015 mitgeteilt worden war, dass der Zweitbeklagte nicht beruft und das Klagebegehren einschließlich der Verpflichtung zum Kostenersatz erfüllt hat. In dieser Situation kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, der Irrtum des Beklagtenvertreters sei ihm erst am 21.05.2015 aufgefallen. Ohne weitere Aufklärung hätte er die Berufungsbeantwortung daher nur im Verhältnis zum Erstbeklagten einbringen dürfen. Der Zweitbeklagte war in dieser Situation nicht mehr Partei des Berufungsverfahrens.

Den Zweitbeklagten trifft im Berufungsverfahren damit keine Kostenersatzpflicht.

Leitsätze

  • Zur Zulässigkeit von Blankozustimmungen im WE-Vertrag zur Nutzwertneufestsetzung

    Eine vor Fertigstellung des Gutachtens erteilte (Blanko-)Zustimmung für eine einvernehmliche Nutzwertneufestsetzung gemäß § 9 Abs 6 WEG 2002 ist nicht ausreichend. Nicht so hingegen im Falle einer vertraglichen Verpflichtung, erforderlichenfalls eine (künftige) Zustimmung (ohne Einrede) zu erteilen.
    Judikatur | Leitsatz | 8 Ob 46/16x | OGH vom 30.08.2016 | Dokument-ID: 872938