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Eva-Maria Hintringer | News | 10.10.2019

Verletzung von Verkehrssicherungspflichten – besteht eine Haftung der Eigentümergemeinschaft?

Die Eigentümergemeinschaft haftet ihren Mitgliedern für die Verletzung der ihr im Rahmen der Verwaltung obliegenden Wegsicherungspflichten nur deliktisch. Kommt in casu eine Gehilfenhaftung (durch den Hausmeister) nach § 1313a ABGB in Frage?

Geschäftszahl

OGH 31.07.2019, 5 Ob 37/19f

Norm

§ 18 WEG 2002; § 1313a ABGB

Leitsatz

Quintessenz:

Die Eigentümergemeinschaft haftet ihren Mitgliedern für die Verletzung der ihr im Rahmen der Verwaltung obliegenden Wegsicherungspflichten nur deliktisch. Eine Zurechnung von Gehilfenverhalten (im Anlassfall: durch den Hausmeister) nach § 1313a ABGB kommt daher nur dann infrage, wenn zwischen der Eigentümergemeinschaft und den Mitgliedern eine rechtliche Sonderbeziehung besteht. Liegt eine solche nicht vor, kommt allenfalls eine Zurechnung im Wege der Repräsentantenhaftung infrage.

OGH: Nach langjähriger Rsp des OGH haftet die Eigentümergemeinschaft ihren Mitgliedern und deren Mietern für die Verletzung der ihr im Rahmen der Verwaltung obliegenden Wegsicherungspflichten nur deliktisch. Die Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft stehen aufgrund des Wohnungseigentumsvertrags zwar zueinander in einem gesellschaftsähnlichen Verhältnis, haben aber zu ihrer in Verwaltungsangelegenheiten als juristische Person agierenden Gemeinschaft keine Vertragsbeziehung.

Nach § 2 Abs 5 zweiter Satz WEG 2002 bilden alle Wohnungseigentümer zur Verwaltung der Liegenschaft die Eigentümergemeinschaft; sie ist juristische Person mit Rechtsfähigkeit in dem durch § 18 Abs 1 und 2 WEG 2002 umschriebenen Umfang. Nach hM sind der Eigentümergemeinschaft keine Eigentümerrechte, sondern Verwaltungsrechte zugeordnet.

Im Anlassfall stürzte eine Mit- und Wohnungseigentümerin auf der trotz Schneefalls nicht entsprechend gestreuten Wohnanlage. Mit der Verrichtung des Winterdienstes war der Hausmeister, der mit der Eigentümergemeinschaft in einem Dienstverhältnis stand, betraut. Für die Zurechenbarkeit seines Verhaltens an die Eigentümergemeinschaft kommt § 1313a ABGB dann infrage, wenn zwischen der Eigentümergemeinschaft und den einzelnen Wohnungseigentümern eine rechtliche Sonderbeziehung besteht, aus der eine Verpflichtung der Eigentümergemeinschaft zur Vornahme bzw Unterlassung ganz konkreter Handlungen im Rahmen der ihr obliegenden Verwaltung abzuleiten ist.

Die Unterlassung einer witterungsbedingt gebotenen Streuung eines allgemeinen Teils der Wohnungseigentumsanlage stellt eine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten dar. Diese Räum- und Streupflicht ist nicht Ausdruck einer spezifischen wohnungseigentumsrechtlichen Sonderbeziehung, sondern entspringt der allgemeinen Anordnung, grundsätzlich jedermann vor Gefahren auf einem Weg zu sichern, den man eröffnet. Eine unterschiedliche Ausgestaltung der Streupflicht gegenüber den einzelnen Wohnungseigentümern einerseits und Hausfremden andererseits ist aus dem Gesetz nicht begründbar. Es besteht daher kein Anlass, von der bisher herrschenden Rechtsprechung abzuweichen, wonach die Eigentümergemeinschaft ihren Mitgliedern gegenüber grundsätzlich nur deliktisch haftet. Damit scheidet die Zurechnung des Gehilfenverhaltens des Hausmeisters an die Eigentümergemeinschaft nach § 1313a ABGB aus.

Denkbar ist die Zurechnung des Verhaltens des Hausmeisters über die Repräsentantenhaftung. Nach stRsp haften juristische Personen deliktisch nicht nur für ihre verfassungsmäßigen Organe, sondern auch für alle Personen, die in verantwortlicher, leitender oder überwachender Funktion Tätigkeiten für eine juristische Person ausüben. Repräsentanten sind aber nur jene Personen, die mit eigenverantwortlicher Entscheidungsbefugnis ausgestattet sind. Wer bloß untergeordnete Tätigkeiten ausübt, ist grundsätzlich nicht Repräsentant.