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Andrea Weisert | News | 16.03.2012

Ungebührlicher Lärm aus der Nachbarwohnung

Gastautorin Dr. Weisert gibt in ihrem Beitrag einen guten Überblick darüber, wie man sich rechtlich vor Lärmbelästigung durch die Nachbarn zur Wehr setzen kann

Kinder, die durch die Wohnung springen, hoffnungsvolle Nachwuchsmusiker, die stundenlang üben (meist die selben Passagen), lassen Nachbarn oftmals die Wände hoch gehen. Da das „an die Wand oder Decke klopfen“ eher sinnlos ist, da es in Anbetracht des Lärmes auch nicht gehört wird bzw sich auch niemand angesprochen fühlt, möchte ich die Möglichkeiten der rechtlichen Abwehr von nachbarschaftlichen Lärm näher erläutern:

1. Gesetzlicher Hintergrund:

Grundsätzlich darf jeder Eigentümer einer Sache, diese beliebig gebrauchen. Hiebei muss er allerdings die Interessen der Allgemeinheit wahren, das heißt, die schrankenlose Ausübung des Eigentumsrechtes ist naturgemäß nicht immer möglich. Gemäß § 364 ABGB darf das Eigentumsrecht nur so ausgeübt werden, dass dadurch weder in die Rechte eines Dritten eingegriffen wird, noch die im allgemeinen Interesse vorgeschriebenen Beschränkungen übertreten werden.
Einwirkungen auf das Nachbargrundstück durch Abwässer, Rauch, Gas, Wärme, Geruch, Geräusch, Erschütterung und ähnliches können daher vom Nachbarn (gerichtlich) untersagt werden, aber nur dann, wenn die den Nachbarn als störend empfundenen Immissionen das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die orstübliche Benützung des Grundstückes wesentlich beeinträchtigen.
Für die Ortsüblichkeit sind zumeist öffentlich-rechtliche Vorschriften maßgebend. Es sollte ein objektiv messbarer Maßstab angelegt werden, wobei nicht nur die Lautstärke, sondern auch die Häufigkeit und Dauer sowie die Tageszeit, in die die Geräuschbelästigung fällt, zu beurteilen ist.
Bei der Beurteilung, ob etwas als wesentliche Beeinträchtigung angesehen werden kann, kommt es nicht auf das persönliche Empfinden, sondern auf jenes eines verständigen Durchschnittsmenschen an. Grundsätzlich ist ein Interessensausgleich der Parteien zu be-rücksichtigen. Die konkrete Belastbarkeit (zB Krankheit) des betroffenen Nachbarn ist dabei nicht entscheidend.
Schwierig ist es, von vornherein zu beurteilen, was ortsüblich und zu dulden ist. Vor allem bei Kinderlärm ist fraglich, was man als Nachbar akzeptieren muss – laut Rechtsprechung ist „typischer Kinderlärm“ zu dulden, trotzdem sind die Ruhezeiten einzuhalten. Es wird auch auf das Alter der Kinder abgestellt. Das Weinen und Kreischen von Kleinkindern ist ortsüblich, das stundenlange Herumtoben von 8-Jährigen jedoch nicht mehr.
Eine umstrittene Entscheidung über das 4stündige tägliche Klavierspielen eines Musikstudenten veranlasste zu Überlegungen, welche Musikinstrumente und in welchem Ausmaß als ortsüblich angesehen werden können.
Vorschriften über Ruhezeiten finden sich in Landespolizeistrafgesetzen, Gemeindeordnungen und auch in Hausordnungen. Zumeist ist normiert, dass während der Ruhezeiten (22.00 Uhr bis 6.00 Uhr früh) jeglicher Lärm zu unterlassen ist, der die Nachtruhe empfindlich stören kann. Auch über die Mittagszeit (12.00 Uhr bis 15.00 Uhr), sowie an Samstagen ab 17.00 Uhr, sowie an Sonn- und Feiertagen ganztägig, ist Lärm zu vermeiden.
Die Bestimmung des § 364 ABGB ist dispositives Recht, dh sie kann durch Vereinbarungen der Hausparteien abgeändert werden. Zumeist geschieht dies durch Hausordnungen, denen sich Mieter bei Vertragsunterfertigung unterwerfen. In den meisten Hausordnungen werden die Ruhezeiten festgelegt und Verhaltensanordnungen für Benützung allgemeiner Teile geregelt. Eine Beschneidung der Rechte, die einem betroffenen Nachbar iS § 364 ABGB zustehen, findet eher selten statt.
Im Wohnungseigentum wird die Lehransicht vertreten, dass Wohnungseigentümer, die sich gegenseitig verpflichten – schon von Gesetz wegen (§ 1 Abs 1 WEG) – die Nutzung der Objekte zu dulden, keinen Anspruch gem § 364 ABGB geltend machen können. Bei verkehrsüblicher Nutzung wären Immissionen zu dulden, auch wenn bspw aufgrund von Baumängeln (dünne Wände, fehlende Schalldämmung etc) das ortsübliche Ausmaß überschritten wird und eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt (vgl. wobl 1999, 54; MietSlg 30.036).

2. Abwehrmittel:

Abgesehen von einem empfohlenerweise zunächst zu führenden freundschaftlichen Nachbargespräch, kann bei fruchtlosem Versuch, die Angelegenheit außergerichtlich zu regeln, gemäß den bundesländlichen Polizeistrafgesetzen eine Anzeige wegen Erregung störenden Lärms, der grundsätzlich mit Verwaltungsstrafe bedroht ist, erstattet werden. Erfahrungsgemäß wird jedoch genau dann, wenn die Exekutive einschreitet, kein Lärm zu hören sein.
Nebst einer selbst zu erhebenden Unterlassungsklage gemäß § 364 ABGB hat man als Mieter die Möglichkeit, den Vermieter mit dem Problem „zu belasten, da Lärmeinwirkung eine Störung des bedungenen Gebrauches darstellen kann.
Der Vermieter ist gemäß § 1096 ABGB verpflichtet, dem Mieter den vereinbarten Gebrauch des Mietobjektes zu gewährleisten. Dies heißt, dass der Vermieter in bestimmten Fällen auch gegen Dritte vorgehen muss, die den Mieter im Gebrauch seines Objektes beeinträchtigen. Der Schutzanspruch besteht freilich nur bei einer wesentlichen Beeinträchtigung des Gebrauches des Mietobjektes (hier sind die Grundsätze des § 364 ABGB analog heranzuziehen), es obliegt auch dem Vermieter, welche Abhilfemittel er wählt.
Ein Abhilfmittel des betroffenen Mieters kann auch die Geltendmachung einer Mietzinsminderung sein (vgl. 7 Ob 90/10a – 15 %), wenn Immissionen aus Nachbarwohnungen, die grundsätzlich nicht ortsunüblich wären, einen Mieter dermaßen belästigen und beeinträchtigen, weil die Beschaffenheit des Wohnhauses mangelhaft ist (zB keine ausreichende Schalldämmung, dünne Wände etc).
Wohnungseigentümer haben die Möglichkeit gem § 13a WEG Ansprüche auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten von gemeinsamen Teilen und Anlagen, dh auch die Herstellung des mangelfreien Zustandes, geltend zu machen.
Wie natürlich bei jedem gerichtlichen/behördlichen Schritt sollte man überlegen, ob es für das weitere Zusammenleben gedeihlich ist oder ob einer außergerichtlichen Lösung nicht doch der Vorzug zu geben ist.

Autorin:

Frau Dr. Weisert ist seit 2006 selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Im gleichen Jahr promovierte sie zum Doktor der Rechtswissenschaften. Ihre Haupttätigkeit liegt in der zivil- und strafrechtlichen Beratung und Vertretung. Auf folgende juristische Felder hat sie sich spezialisiert: Miet- und Wohnrecht, Immobilien- und Liegenschaftsrecht, Gewährleistungs- und Schadenersatzrecht, Familien- und Erbrecht sowie Straf- und Verwaltungsstrafrecht.
Für den WEKA-Verlag erstellt sie regelmäßig Fachbeiträge für das Portal Wohnrecht online.
www.weisert.at

Alle Informationen über Nachbarrechte:

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