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5 Ob 173/15z; OGH; 25. September 2015
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. J***** T*****, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. S***** A*****, 2. DI O***** K*****, beide vertreten durch Mag. Claudia Vitek, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterlassung, über den Rekurs der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 21. Mai 2015, GZ 5 R 37/15w-47, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 30. Dezember 2014, GZ 210 C 689/12t-41, gegen die zweitbeklagte Partei aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Klägerin erwarb 1996 Miteigentumsanteile an einer Liegenschaft verbunden mit Wohnungseigentum an der im 1. Stockwerk des Hauses gelegenen Wohnung W 2. Wohnungseigentümerin der unmittelbar darüber liegenden Dachgeschoßwohnung W 3 war seit 2006 die geschiedene Ehegattin des Zweitbeklagten, die ihre Anteile mit gerichtlichem Vergleich vom November 2007 an den Zweitbeklagten übertrug. Der Erstbeklagte, gegen den das Verfahren nach Einschränkung auf Kosten in erster Instanz rechtskräftig beendet wurde, war von 01.08.2010 bis 31.08.2014 Mieter der Dachgeschoßwohnung.
Die Klägerin begehrte – soweit noch relevant – die Verpflichtung des Zweitbeklagten als Wohnungseigentümer der Dachgeschoßwohnung W 3, sofort dafür zu sorgen, dass die Lärm- und Erschütterungsimmissionen ausgehend von dieser Wohnung auf die der Klägerin gehörige Wohnung W 2 unterlassen werden, soweit der ortsübliche Grenzwert des Geräuschpegels von 35 dBA und der ortsübliche Schalldruck von 42 dBC in ihrer Wohnung überschritten und die ortsübliche Nutzung der Wohnung wesentlich beeinträchtigt würden.
Sie brachte vor, sie sei insbesondere im Schlafzimmer und den beiden Kinderzimmern ihrer Wohnung, die sich in einer villenartigen Ruhelage inmitten einer Grünanlage befinde, durch ortsunübliche, die Nutzung der Wohnung wesentlich beeinträchtigenden Lärm- und Erschütterungsimmissionen aus der Wohnung des Zweitbeklagten gestört. Beispielsweise im Schlafzimmer erhöhe sich der Grundgeräuschpegel von 35 dBA aufgrund der Lärmimmissionen auf bis zu 66, der Grundschalldruckpegel von 42 dBC auf bis zu 83. Die Immissionen würden oft stundenlang bis in die späten Nachtstunden andauern oder auch unerwartet auftreten. Besonders störend sei das impulsartige dumpfe Dröhnen, das lang andauere und nicht vorhersehbar Pegelspitzen bis zu 105 dB erreiche. In den Wohnräumen käme es zu derart extremen Erschütterungen, dass beispielsweise Möbelstücke zu vibrieren oder abgestellte Gegenstände zu klappern begännen. Die Gründe für diese unzulässigen Immissionen lägen in der mangelnden Trittschalldämmung in der Wohnung des Zweitbeklagten, die nicht den verwaltungsrechtlichen Vorgaben entspreche, was beiden Beklagten bekannt gewesen sei. Im Herbst 2012 sei der Trittschall in der Dachgeschoßwohnung saniert worden, diese Sanierung sei im Vorraum aber nicht erfolgreich gewesen. Die Behörde habe dem Zweitbeklagten den Auftrag zur Behebung dieses Baugebrechens erteilt. Dennoch habe er den Trittschall nicht saniert, den Zutritt zur Wohnung verweigert und nicht einmal eine Ursachenerforschung zugelassen. Die von ihm verlangte Zusage, dass sich durch die Sanierung des Trittschalls die Raumhöhe nicht verringere, könne ohne Erkundung der Ursache des Trittschallmangels, die den Zutritt zur Wohnung voraussetze, nicht abgegeben werden.
Der Zweitbeklagte wendete seine mangelnde Passivlegitimation ein. Bei der Sanierung der Trittschalldämmung handle es sich um die Behebung eines ersten Schadens, der in die Erhaltungspflicht der Eigentümergemeinschaft fiele und vom einzelnen Wohnungseigentümer im Außerstreitverfahren durchzusetzen sei. Die Hausverwaltung habe auch bereits die laut Bescheid aus dem Jahr 1997 erforderlichen Maßnahmen zur Sanierung des Trittschalls beauftragt. Die Sanierung sei im Herbst 2012 durchgeführt worden. Sei die Trittschalldämmung weiterhin mangelhaft, obliege es erneut der Hausverwaltung, die ursprünglich beauftragte Firma im Rahmen der Gewährleistung zur Sanierung aufzufordern, was zwischenzeitig auch bereits geschehen sei. Der mangelhafte Trittschall könne dem Zweitbeklagten nicht zugerechnet werden, weil er erst seit 2007 Eigentümer der Wohnung sei. Die Umsetzung der in der mündlichen Verhandlung vom 15.05.2013 erörterten Sanierung sei nur deshalb gescheitert, da die Klägerin dem Zweitbeklagten nicht zugesagt habe, dass 1. sich die Raumhöhe durch die Sanierung des Bodens nicht verringern werde und 2. die Sanierung für den Fall, dass sich die Raumhöhe verringern würde, nicht durchgeführt werde. Aus diesem Grund habe der Zweitbeklagte die Ursachenerforschung nicht zugelassen. Zudem sei ihm auch nicht bestätigt worden, dass die Bodenöffnungen wieder geschlossen würden, wenn sich herausgestellt hätte, dass sich die Raumhöhe durch die Sanierung verringere. Er sei nicht verpflichtet, eine solche Verringerung hinzunehmen, wenn eine Sanierung auch mit anderen Mitteln möglich sei. Die Immissionen seien weder ortsunüblich noch würden sie die Nutzung der darunter liegenden Wohnung wesentlich beeinträchtigen.
Das Erstgericht verpflichtete den Zweitbeklagten, ab sofort bei sonstiger Exekution dafür zu sorgen, dass die Lärm- und Erschütterungsimmissionen ausgehend von seiner Dachgeschoßwohnung auf die darunter liegende Wohnung der Klägerin unterlassen werden, soweit der Schalldruckpegel von 47 dB in der Wohnung der Klägerin überschritten und die ortsübliche Nutzung dieser Wohnung dadurch wesentlich beeinträchtigt würden.
Es stellte – zusammengefasst – insbesondere fest:
„Die damalige Alleineigentümerin des Hauses ließ 1995/1996 drei Wohnungen errichten und Wohnungseigentum begründen. Nach dem Baubescheid durften die in der ÖNORM B 8115 Teil 2 enthaltenen Mindestanforderungen für den baulichen Schallschutz nicht unterschritten werden. Der Wohnungseigentümerin der Dachgeschoßwohnung (früheren Alleineigentümerin) wurde 1997 mit Bescheid des zuständigen Magistrats aufgetragen, die Geschoßdecke zwischen dem Dachgeschoß und dem ersten Obergeschoß bezüglich des baulichen Schallschutzes so zu sanieren, dass die Mindestanforderungen der genannten ÖNORM erfüllt sind. Seit Oktober 2010 erhielt die Eigentümergemeinschaft 2- oder 3 mal den Auftrag, die mangelnde Trittschalldämmung zu beheben.
Die Klägerin wohnt seit 1996 mit ihrem Ehemann und den beiden Kindern in einer 101 m² großen Wohnung im 1. Stock, die aus Schlafzimmer, zwei Kinderzimmern, Wohn-Esszimmer, Küche, Vorraum, Bad und WC besteht. Die unmittelbar darüber liegende Dachgeschoßwohnung ist 104 m² groß und besteht aus drei Zimmern, Küche, Vorraum, Bad und WC. Die Wohnungseigentumsanlage liegt in ruhiger Lage. In unmittelbarer Umgebung befinden sich keine nennenswerten Geräuschquellen. Auch der Verkehrslärm ist unaufällig.
Als die (frühere) Gattin des Zweitbeklagten die Dachgeschoßwohnung kaufte, wies sie die Klägerin auf die Trittschallbeeinträchtigung hin. Bereits damals fiel beim Gehen in der Dachgeschoßwohnung Lärm in der Wohnung der Klägerin auf. Jeder Schritt war dröhnend. Auch der Zweitbeklagte kannte die Trittschallproblematik, über deren Behebung schon damals gesprochen wurde.
Der Zweitbeklagte und seine Familie nutzen die Dachgeschoßwohnung sporadisch am Wochenende. Dann stand sie eine Zeit lang leer, bis sie im Frühjahr 2010 von einer Mieterin gelegentlich und nur für einen kurzen Zeitraum genutzt wurde. Ab August oder September 2010 benützte zunächst der Erstbeklagte die Wohnung alleine. Von Juni 2012 bis zum Auszug im August 2014 benützte die insgesamt siebenköpfige Familie des Zweitbeklagten (richtig: 'Erstbeklagten') die Dachgeschoßwohnung. Die 'weder rücksichtslose noch verkehrsunübliche' Nutzung verursachte erhebliche Lärmbelästigungen in der Wohnung der Klägerin.
Die Hausverwaltung beauftragte am 25.07.2012 im Namen der Eigentümergemeinschaft ein Unternehmen mit der Sanierung des Trittschalls in der Dachgeschoßwohnung. Bereits damals gab es Besichtigungsprobleme. Im Oktober 2012 wurde der Erstbeklagte samt seiner Familie “ausgesiedelt„. Der Trittschall wurde im Küchen-Essbereich und im Vorraum der Dachgeschoßwohnung saniert. Die Sanierung des Vorraums erfolgte jedoch mangelhaft. Die Kosten der Sanierung bezahlte die Eigentümergemeinschaft aus dem Gemeinschaftskonto.
Die Hausverwaltung forderte das Unternehmen zur Verbesserung des Trittschalls im Vorraum auf. Diese Verbesserung scheiterte an Terminproblemen betreffend die Besichtigung der Wohnung.
Am 15.05.2013 einigten sich die Parteien im Verfahren auf eine gemeinsame Sanierung der Decke mit dem Ziel, einen Trittschallschutz von 43 dB zu erreichen. Die Klägerin sollte die Kosten für den Unteraufbau bis zur Oberkante des Estrichs übernehmen und zwar in Schlafzimmer, Wohnzimmer und Kinderzimmer. Die Dämmung im Vorraum sollte jenen Wert erreichen, den der Bescheid aus dem Jahr 1997 vorgeschrieben hatte. Der Beklagte übernahm die Kosten des Bodenbelags sowie die Kosten für die Umsiedlung seiner Mieter für die Dauer von sechs Wochen sowie ab der 7. Woche zu 40 %. Ab Freigabe der Estrichoberfläche erhielt er eine Frist von einer Woche, um den Boden zu verlegen. Sollte er dafür länger brauchen, sollte er die gesamten Umsiedelungskosten für den Überschreitungszeitraum tragen.
Der Hausverwalter teilte dem Zweitbeklagten per E-Mail am 17.06.2013 mit, dass am 26.06.2013 ab 7.00 Uhr die Öffnung der Böden in den drei Wohnräumen und am 15.07.2013 ab 7.00 Uhr die Sanierung der drei Wohnräume und des Vorraums geplant seien, und ersuchte ihn, den Erstbeklagten von diesen beiden Terminen zu verständigen. Der Erstbeklagte war vom ersten Besichtigungstermin informiert. Am 25.06.2013 teilte der Zweitbeklagte seinem Mieter per SMS mit, dass er die Arbeiter des Unternehmers nicht in die Wohnung lassen solle. Dieser leistete der Aufforderung Folge und ließ die Mitarbeiter des Unternehmens bei geschlossener Tür 20 Minuten lang vergeblich warten, klopfen und läuten.
Am 26.06.2013 gab der Hausverwalter dem Zweitbeklagten einen neuerlichen Termin für die Öffnung der Bodenaufbauten mit 04.07.2013, 7.00 Uhr bekannt und ersuchte um Verständigung des Erstbeklagten. Mit E-Mail vom 27.06.2013 teilte der Vertreter des Zweitbeklagten dem Vertreter der Klägerin mit, dass sein Mandant mit einer Begutachtung zwar einverstanden sei, dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass sämtliche Öffnungen des Bodens umgehend ordnungsgemäß und spurenfrei geschlossen werden“.
In der rechtlichen Beurteilung warf das Erstgericht dem Zweitbeklagten vor, trotz des Bescheids aus dem Jahr 1997 mit der Festlegung eines Mindesttrittschallerfordernisses von 48 dB und mehreren an die Eigentümergemeinschaft gerichteten Aufträgen zur Sanierung einer Trittschallisolierung den Zustand aufrecht erhalten zu haben, der ortsunübliche und wesentliche Lärmimmissionen in der darunter liegenden Wohnung der Klägerin verursacht habe. Im Hinblick auf die Beibehaltung der Raumhöhe wäre es ihm jederzeit offen gestanden, der Klägerin oder der Eigentümergemeinschaft eine Sanierungsvariante, bei der sich die Raumhöhe nicht verändere, vorzuschlagen oder selbst zu einem Besichtigungstermin zu kommen, um vor Ort mit den ausführenden technischen Möglichkeiten im Detail zu besprechen. Im Ergebnis habe er die mangelnde Trittschalldämmung und die dadurch verursachten Ortslärmimmissionen zu verantworten. Davon unberührt bleibe der gemäß § 30 Abs 1 WEG jedem Wohnungseigentümer im außerstreitigen Verfahren eingeräumte Anspruch auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten an allgemeinen Teilen der Liegenschaft, zu denen auch die Geschossdecke zähle.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Zweitbeklagten Folge und hob das stattgebende Unterlassungsurteil zur Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 5.000,–, nicht aber ERU 30.000,– übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
Rechtlich folgerte es, dass § 364 Abs 2 ABGB grundsätzlich auch im Verhältnis zwischen Wohnungseigentümern ein- und desselben Hauses anzuwenden sei, wenn ein Wohnungseigentümer in Ausübung seines ausschließlichen Benutzungsrechts an einer bestimmten Wohnung Störungen verursache. Mitglieder einer Eigentümergemeinschaft befänden sich in einer den nachbarrechtlichen Immissionsschutz gestaltenden besonderen Rechtsbeziehung, und zwar insoweit, als sie einander versprochen hätten, die ausschließliche Nutzung der Wohnungseigentumsobjekte auf der Liegenschaft durch den jeweiligen Wohnungseigentümer zu dulden, dies nach Maßgabe der einvernehmlichen Widmung, aber auch weil es um die gemeinsame Verantwortung für gemeinsames Eigentum gehe, und zwar nach Maßgabe des Bauzustands jener Teile der Liegenschaft, die der gemeinsamen Benutzung dienten. Grundsätzlich habe jeder Mit- und Wohnungseigentümer die von einer verkehrsüblichen Nutzung des Nachbarobjekts ausgehenden Immissionen zu dulden. Der gesetzliche Abwehranspruch nach § 364 Abs 2 ABGB stehe ihm nur bei Immissionen zu, die durch eine nicht verkehrsübliche oder nicht der vertraglichen Sonderbeziehung entsprechende Nutzung des Nachbarobjekts hervorgerufen würden. Die mit dem bestimmungsgemäßen (vertragsgemäßen) Gebrauch einer Wohnung verbundenen üblichen Geräusche rechtfertigten daher eine Unterlassungsklage grundsätzlich selbst dann nicht, wenn sie durch eine mangelhafte Schallisolierung in der Wohnungseigentumsanlage stärker hörbar seien, soferne die störende Nutzung des benachbarten Objekts noch verkehrsüblich sei oder der vertraglichen Sonderbeziehung entspreche. Im Fall einer noch verkehrsüblichen oder bestimmungsgemäßen störenden Nutzung einer Wohnung seien diese Grundsätze jedoch dann einzuschränken, wenn der störende Wohnungseigentümer selbst jene Umstände (etwa einen mangelnden Trittschallschutz) geschaffen habe, die Ursache der Lärmimmissionen seien. In diesem Fall sei er bei Abwägung der nachbarrechtlichen Interessen nicht in gleichem Maße schutzwürdig. Solange er die Störquelle nicht beseitigt habe, müsse er auf die Interessen des durch Lärmimmissionen beeinträchtigten Wohnungseigentümers besondere Rücksicht nehmen. Habe er daher keinen oder einen mangelhaften Trittschallschutz geschaffen oder zu verantworten und keine ausreichenden Maßnahmen zur gebotenen Rücksichtnahme ergriffen, sei das nachbarrechtliche Unterlassungsbegehren berechtigt. Davon unberührt bleibe der im außerstreitigen Verfahren durchzusetzende Anspruch auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten iSd § 30 Abs 1 WEG. Nach diesen Grundsätzen sei der Zweitbeklagte als Störer passiv legitimiert. Die Verhinderung der Sanierung durch Herstellung eines ausreichenden Trittschallschutzes sei der Errichtung eines unzureichenden Trittschallschutzes gleichzusetzen. Das Erstgericht habe aber seinen Feststellungen zur Überschreitung bestimmter Dezibelwerte zu Unrecht einen Grundschalldruckpegel von rund 42 dB als unstrittig zugrunde gelegt. Die Heranziehung dieses Werts als Basis für die Ermittlung des zulässigen Grenzwerts sei verfehlt. Es bedürfe ergänzender Feststellungen zum Grundgeräuschpegel in der Wohnung der Klägerin.
Der Rekurs sei zulässig, weil es eine erhebliche Rechtsfrage darstelle, ob die festgestellte Nichtzulassung einer Sanierung der noch mangelhaften Trittschalldämmung oder das Verhindern der Beseitigung der Störquelle jenem Fall gleichzusetzen sei, in dem der störende Wohnungseigentümer selbst jene Umstände geschaffen habe.
Rechtliche Beurteilung
Der – beantwortete – Rekurs des Zweitbeklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Immissionen im Allgemeinen und Geräusch- oder Lärmimmissionen im Besonderen können nach § 364 Abs 2 ABGB dann untersagt werden, wenn sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Die unzulässige Einwirkung wird demnach durch zwei Kriterien bestimmt: Einmal, dass die Störung nicht (mehr) ortsüblich ist, und zum anderen, dass die ortsübliche Benützung des Grundstücks durch den Eingriff wesentlich beeinträchtigt wird. Da diese beiden Kriterien kumulativ vorliegen müssen, sind selbst übermäßige Immissionen zu dulden, wenn sie die ortsübliche Nutzung des Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigen, aber auch dann, wenn sie das ortsübliche Maß nicht übersteigen, obwohl die ortsübliche Nutzung des Grundstücks durch sie wesentlich beeinträchtigt wird (RIS-Justiz RS0010587 [T4]).
1.1 Bei der Beurteilung, ob eine wesentliche Beeinträchtigung der ortsüblichen Benützung der Wohnung vorliegt, ist nicht auf die besondere Empfindlichkeit der betroffenen Person, sondern auch das Empfinden eines Durchschnittsmenschen in der Lage des Gestörten abzustellen (RIS-Justiz RS0010557 [T4]; vgl RS0010607). Diese Betrachtungsweise ist nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (1 Ob 6/99k; 7 Ob 286/03i; 9 Ob 62/09x [Musik spielen]) durch den nach dem Nachbarrecht gebotenen sozial relevanten Interessensausgleich vorgegeben.
1.2 Dieser Interessensausgleich fordert von beiden Seiten gegenseitige Rücksichtnahme und Toleranz. Beim Zusammenleben mehrerer Personen in einem Haus sind darauf bedingte Unannehmlichkeiten grundsätzlich in Kauf zu nehmen. Es ist ein akzeptabler Ausgleich der gegenläufigen Interessen zu finden (1 Ob 6/99k; 7 Ob 286/03i; 9 Ob 62/09x).
1.3 Nach der, mit der Entscheidung 5 Ob 180/98a eingeleiteten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0110784) steht der nachbarrechtliche Abwehranspruch nach § 364 Abs 2 ABGB dem Wohnungseigentümer nur bei Immissionen zu, die durch eine nicht verkehrsübliche oder nicht der vertraglichen Sonderbeziehung entsprechende Nutzung des Nachbarobjekts hervorgerufen werden. Dies wurde damit begründet, dass zwischen den Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft insofern eine den nachbarschaftsrechtlichen Immissionsschutz gestaltende Sonderrechtsbeziehung besteht, als sie einander versprochen haben, die ausschließliche Nutzung der Wohnungseigentumsobjekte auf der Liegenschaft durch den jeweiligen Wohnungseigentümer zu dulden (§ 1 Abs 1 WEG), und zwar nach Maßgabe der einvernehmlichen Widmung, aber auch, weil es um die gemeinsame Verantwortung für gemeinsames Eigentum gehe, nach Maßgabe des Bauzustands jener Teile der Liegenschaft, welche der gemeinsamen Benützung dienen. Die mit dem bestimmungsgemäßen (vertragsgemäßen) Gebrauch einer Wohnung verbundenen üblichen Geräusche rechtfertigen daher eine Unterlassungsklage selbst dann nicht, wenn sie durch mangelhafte Schallisolierung in der Wohnungseigentumsanlage stärker hörbar sind.
1.4 Jeder Wohnungseigentümer ist berechtigt, sein Wohnungseigentumsobjekt zu vermieten. Der Vermietung eines als Wohnung gewidmeten Objekts an den Erstbeklagten oder einen anderen (künftigen) Mieter zu Wohnzwecken stellt einen vertragsgemäßen Gebrauch dar. Ob die Nutzung der Dachgeschoßwohnung durch den Erstbeklagten, seine Gattin und deren fünf Kindern im Alter von 8 bis 19 Jahren einen verkehrsunüblichen Lärm erzeugte, der die ortsübliche Nutzung der darunter liegenden Wohnung wesentlich beeinträchtigte (wie beispielsweise nach den Feststellungen des Erstgerichts durch starkes Vibrieren nächtens zwei bis drei Mal wöchentlich) ist nicht relevant: Das Klagebegehren stellt bei der Ortsüblichkeit des Störungsausmaßes und der Benutzung der beeinträchtigten Wohnung nämlich auf die Überschreitung konkreter Dezibelwerte ab.
1.5 Auch im Fall einer verkehrsüblichen oder bestimmungsgemäßen Nutzung gewährte der Oberste Gerichtshof einem durch Lärmimmissionen wesentlich beeinträchtigten benachbarten Wohnungseigentümer den nachbarrechtlichen Schutz durch eine Unterlassungsklage nach § 364 Abs 2 ABGB, wenn der störende Wohnungseigentümer selbst einen die Lärmimmissionen verursachenden unzureichenden Trittschallschutz errichtet hat. Bei Abwägung der nachbarrechtlichen Interessen ist der Störer nämlich nicht im gleichen Maß schutzwürdig. Über die Vermeidung solcher Immissionen, die durch eine nicht verkehrsübliche oder bestimmungsgemäße Widmung hervorgerufen werden, hinaus, ist von ihm eine besondere Rücksichtnahme auf die Interessen des beeinträchtigten Wohnungseigentümers zu verlangen, solange er die Störquelle (den mangelnden Trittschallschutz) nicht beseitigt hat (9 Ob 13/12w = RIS-Justiz RS0110784 [T6]).
1.6 Der Zweitbeklagte begründet seine mangelnde Passivlegitimation mit dem Einwand, dass die Erhaltung oder Verbesserung der Trittschalldämmung der Eigentümergemeinschaft obliege. Jeder Wohnungseigentümer könne die notwendige Erhaltung nach § 30 Abs 1 WEG im außerstreitigen Verfahren gegen die Eigentümergemeinschaft durchsetzen. Die 2013 vereinbarte Herstellung einer Komforttrittschalldämmung sei zudem keine Erhaltungsarbeit, sondern eine reine Verbesserungsmaßnahme, die nur nach vorangegangener, hier nicht erfolgter Beschlussfassung durchgeführt werden dürfe. Die Nichtzulassung der Behebung einer mangelhaften Trittschalldämmung sei als passive Tätigkeit nicht mit der Schaffung einer solchen als aktiver Tätigkeit gleichzusetzen.
1.7 Zu Inhalt und Bedeutung des aufgrund des Verweises auf § 3 MRG im Wohnungseigentumsrecht am ortsüblichen Standard zu orientierenden Erhaltungsbegriffs (so genannter dynamischer oder elastischer Erhaltungsbegriff) existiert umfangreiche Judikatur des Obersten Gerichtshofs. Danach gehören zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten zur Erhaltung bestehender Anlagen noch zur Erhaltung, auch wenn es sich um die erstmalige Herstellung eines mangelfreien Zustands handelt, es dabei zu einer vollständigen Erneuerung kommt und/oder dabei Veränderungen vorgenommen werden, die gegenüber dem vorigen Zustand als Verbesserung anzusehen sind. Voraussetzung für die Qualifikation als Erhaltungsarbeit ist eine Reparaturbedürftigkeit, Schadensgeneigtheit oder Funktionseinschränkung (5 Ob 23/15s mwN),
1.8 Geschoßdecken sind allgemeine Teile des Hauses (RIS-Justiz RS0082890). Der vorhandene Trittschallschutz zwischen Dachgeschoß- und darunterliegender Wohnung erfüllt – nach den Feststellungen des Erstgerichts – nicht die Mindestanforderungen der nach Baubescheiden einzuhaltenden ÖNORM. Gemessen am dynamischen oder elastischen Erhaltungsbegriff ist die begehrte Herstellung eines ausreichenden und mängelfreien Trittschallschutzes als Maßnahme der Erhaltung zu qualifizieren, die zufolge § 28 Abs 1 Z 1 WEG als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung in die Zuständigkeit der Eigentümergemeinschaft fällt. Deren Versuche, ihrer Erhaltungspflicht nachzukommen, verhinderte der Zweitbeklagte jedoch dadurch, dass er seinen Mieter anwies, Mitarbeiter des beauftragten Unternehmens nicht in die Wohnung zu lassen und auch sonst nicht daran mitwirkte, die Möglichkeiten einer Sanierung des Trittschallschutzes überhaupt zu klären. Ohne Zweifel sind derartige (Vor)Arbeiten zur Sanierung allgemeiner Teile mit Unannehmlichkeiten für die betroffenen Bewohner verbunden. § 16 Abs 3 Satz 2 WEG verpflichtet aber jeden einzelnen Wohnungseigentümer, die Betretung und Benützung seines Wohnungseigentumsobjekts zu gestatten, soweit dies zur Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft und der Behebung ernster Schäden des Hauses erforderlich ist. Für die vermögensrechtlichen Nachteile, die er dadurch erleidet, ist er von der Eigentümergemeinschaft angemessen zu entschädigen. Schon aus diesem Grund kann der Zweitbeklagte keine Ausnahmestellung für sich in Anspruch nehmen, soweit es seine Verpflichtung betrifft, die Sanierung des Trittschallschutzes zu ermöglichen (und nicht zu verhindern).
1.9 Die Durchsetzung der Duldungspflicht sowie des Anspruchs auf angemessene Entschädigung (§ 16 Abs 3 Satz 2 WEG) sowie des Anspruchs auf Durchführung von Erhaltungsarbeiten (§ 30 Abs 1 WEG) jeweils im außerstreitigen Verfahren (§ 52 Abs 1 Z 2 oder 3 WEG) ändert nichts daran, dass im streitigen Immissionsprozess zwischen Wohnungseigentümern dem Grundgedanken des Interessensausgleichs zwischen Nachbarn Rechnung zu tragen ist. Solange die mangelnde Trittschalldämmung nicht ordnungsgemäß hergestellt ist und die Lärmimmissionsquelle beseitigt wird, ist der Wohnungseigentümer, von dessen Objekt Lärmimmissionen ausgehen, zu einer möglichst rücksichtsvollen Nutzung verpflichtet. Das Verhalten des Beklagten lässt jedoch keine derartige besondere Rücksichtnahme erkennen, lässt er doch nicht einmal Vorarbeiten zu, die die Möglichkeiten und Auswirkungen (allenfalls auf die Raumhöhe) der Sanierung erst klären sollen.
1.10 Einem Wohnungseigentümer steht daher die Immissionsklage nach § 364 Abs 2 ABGB gegen den benachbarten Wohnungseigentümer zu, wenn dieser die Beseitigung der Ursache störender Immmisionen (hier: mangelhafter Trittschallschutz) verhindert.
2. Eine missbräuchliche Rechtsausübung iSd § 1295 Abs 2 ABGB liegt nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht bei ausschließlichem Schädigungszweck, sondern schon dann vor, wenn das unlautere Motiv der Rechtsausübung die lauteren Motive eindeutig überwiegt oder ein krasses Missverhältnis zwischen den vom Handelnden verfolgten und den beeinträchtigten Interessen vorliegt (RIS-Justiz RS0026271 [T24]).
2.1 Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass ein Nachbar die sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren oder sogar Jahrzehnten steigernden Immissionen, gegen die er sich nicht rechtzeitig gewehrt hat, dulden muss, weil die Ortsüblichkeit nach der gestiegenen Intensität der Immission zu messen ist (2 Ob 94/00p mwN = RIS-Justiz RS0010587 [T6]).
2.2 Die Klägerin agiert hier weder rechtsmissbräuchlich, noch muss sie den Lärm deshalb hinnehmen, weil sie sich nicht rechtzeitig gewehrt hat. Sie hat bereits im Jahr 2006 anlässlich des Kaufs der Dachgeschoßwohnung durch die (damals) Ehegattin des Zweitbeklagten auf die Trittschallbeeinträchtigung hingewiesen und im Laufe der Jahre (vergeblich) eine Gesprächsbasis mit dem Zweitbeklagten und dessen Mieter gesucht und dabei sogar die Sanierung des Trittschalls auf ihre Kosten angeboten. Im Jahr 2012 wurde die Sanierung von der Eigentümergemeinschaft erstmals in Angriff genommen, schlug jedoch fehl. Weitere Versuche scheiterten am Verhalten des Beklagten und seines Mieters. Von einer jahrelangen widerspruchslosen Hinnahme von Lärmimmissionen kann daher keine Rede sein, zumal die Intensität des Lärms erst ab der Benützung der Wohnung durch den Mieter und dessen Familie (2012) eklatant zunahm.
3. Der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, kann der Einschätzung des Berufungsgerichts, das eine Ergänzung des Verfahrens in Bezug auf die Überschreitung zulässiger Trittschallpegel für notwendig hielt, nicht entgegen treten (RIS-Justiz RS0042179 [T17]).
4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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