Ihre Suche nach dienstwohnung lieferte 249 Ergebnisse.

Dokument-ID: 009362

Judikatur | Entscheidung

9 Ob 28/09x; OGH; 29. Juni 2009

GZ: 9 Ob 28/09x | Gericht: OGH vom 29.06.2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herwig P*****, vertreten durch die Puschner Spernbauer Rosenauer Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei Mustafa A*****, Kaufmann, *****, vertreten durch Mag. Renate Mrus, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufkündigung (Streitwert 4.374,12 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 14. Jänner 2009, GZ 38 R 179/08t-12, womit das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 27. März 2008, GZ 4 C 894/07f-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 650,16 (darin EUR 108,36 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit EUR 445,82 (darin EUR 74,30 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

Der Beklagte ist aufgrund des Mietvertrags vom 18.08.1990 Mieter des Geschäftslokals *****, „zum Betrieb eines Obst- u. Gemüsegeschäftes". Dieses Mietobjekt, das unmittelbar an den *****markt angrenzt, wurde schon vom Vormieter des Beklagten als Lager für den am Markt betriebenen Obst- und Gemüsestand verwendet. Das gemietete Lokal verfügte ursprünglich weder über Strom noch Heizung. In den Nachtstunden wurde der Marktstand jeweils in das Geschäftslokal geschoben; lediglich das Gestell des Schiebestands blieb draußen stehen. Im Geschäftslokal selbst wurden nur bei großer Kälte Waren verkauft. Der Beklagte übernahm 1990 nicht nur den vom Vormieter betriebenen Marktstand, sondern schloss über Vermittlung des Vormieters seinerseits einen Mietvertrag über das gegenständliche Lokal mit dem Kläger (bzw mit dessen Rechtsvorgängerin) ab. Der Beklagte benützte das Geschäftslokal in der Folge genauso wie sein Vorgänger; es wurde daher nur bei großer Kälte zu Verkaufszwecken verwendet. Änderungen erfolgten im Lauf der Zeit lediglich insoweit, als der Beklagte 1991/92 in das Lokal Strom einleiten ließ. Ab dieser Zeit durften auch die Schiebestände draußen stehen bleiben. Ab 1995 wurden schließlich Fixstände am *****markt eingeführt. Der Beklagte ließ den Innenraum des Lokals verfliesen, Regale errichten und auch ein Kühlhaus einbauen. Im Jahr 1995 übernahmen Ay***** und H***** A***** vom Beklagten gegen Zahlung eines Betrags von ATS 195.000,– (EUR 14.171,20) sowohl den Marktstand als auch das Geschäftslokal. Der Beklagte arbeitete in der Folge selbst nur mehr aushilfsweise mit.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage, gestützt auf verschiedene Kündigungsgründe, von denen aber im Revisionsverfahren nur mehr jener des § 30 Abs 2 Z 7 MRG relevant ist, die gerichtliche Aufkündigung des gegenständlichen Mietvertrags. Dieser Kündigungsgrund sei verwirklicht, weil der Beklagte das Mietobjekt nur als Lager für einen am *****markt betriebenen Marktstand verwende.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Kündigungsbegehrens und wendete ein, das Mietobjekt vertragsgemäß zu benützen. Das Erstgericht hob in seinem Urteil die Aufkündigung vom 14.11.2007 auf und wies das Klagebegehren ab. Ausgehend von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen führte es in rechtlicher Hinsicht aus, dass der Beklagte das gegenständliche Geschäftslokal wie der Vormieter verwendet habe. Aufgrund der mangelnden Stromversorgung des Lokals (keine Beleuchtung, keine Heizung) und dessen räumlicher Nähe zum Verkaufsstand des Beklagten am *****markt, könne der Mietvertragspassus „zum Betrieb eines Obst- und Gemüsegeschäfts“ nicht so verstanden werden, dass im Lokal eine regelmäßige Verkaufstätigkeit entfaltet werden müsse. Im Übrigen gehörten auch die Kühlung und Lagerung zum Betrieb eines Obst- und Gemüsegeschäfts. Das Berufungsgericht gab der gegen das Ersturteil erhobenen Berufung des Klägers Folge und änderte das Ersturteil im Sinn, dass die Aufkündigung vom 14.11.2007 rechtswirksam sei, und der Stattgebung des Klagebegehrens ab. Der im Mietvertrag vereinbarte Verwendungszweck beinhalte die Durchführung der Verkaufstätigkeit. Da ausdrücklich ein Verwendungszweck vereinbart worden sei, sei die Ausgestaltung des Geschäftslokals irrelevant, zumal vom Beklagten auch nicht eingewendet worden sei, dass der Verwendungszweck in der Folge abgeändert worden sei. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil die Frage, ob eine regelmäßige geschäftliche Tätigkeit im Sinn des § 30 Abs 2 Z 7 MRG vorliege, eine Frage des Einzelfalls sei.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen.

Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Nach § 30 Abs 2 Z 7 MRG liegt ein wichtiger Grund zur Kündigung des Mietvertrags dann vor, wenn die vermieteten Räumlichkeiten nicht zu der im Vertrag bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung regelmäßig verwendet werden, es sei denn, dass der Mieter nur vorübergehend wegen Urlaubs, Krankheit oder Kuraufenthalts abwesend ist.

Nach den Feststellungen mietete der Beklagte ein Geschäftslokal, das aufgrund seiner Ausstattung nicht zum Betrieb eines Verkaufsgeschäfts geeignet war. Es wurde deshalb und auch aufgrund der besonderen räumlichen Nähe zum *****markt – sowohl vom Beklagten als auch dessen Vormieter – nur in Kombination mit dem dort befindlichen Marktstand genutzt. Während der Verkauf von Obst und Gemüse überwiegend am Marktstand erfolgte, fand im Lokal, das bei Abschluss des Mietvertrags weder beleuchtet noch beheizt werden konnte, in erster Linie die Einlagerung von Obst und Gemüse statt. Bei sehr kaltem Wetter zog man sich allerdings vom Marktstand in das Lokal zurück und nahm dort – wenn auch ursprünglich noch ohne Beleuchtung und Heizung - den Verkauf vor.

Was nun der bedungene Vertragszweck im Sinn des § 30 Abs 2 Z 7 MRG ist, hängt von der Auslegung des Mietvertrags im Einzelfall ab. Die Auffassung des Erstgerichts, dass im vorliegenden Fall – insbesondere unter Berücksichtigung der gleichförmigen Nutzung des Lokals wie schon zu Zeiten des Vormieters, der den Beklagten an die frühere Vermieterin vermittelt hatte, der mangelnden Eignung des Mietobjekts zum Verkaufslokal und der unmittelbaren räumlichen Nähe des Lokals zum Marktstand – der Mietvertragspassus „zum Betrieb eines Obst- und Gemüsegeschäfts“ nicht so verstanden werden könne, dass im Lokal eine regelmäßige und ausschließliche Verkaufstätigkeit entfaltet werden müsse, trägt den vorliegenden speziellen Gegebenheiten in plausibler Weise Rechnung. Die vom Erstgericht abweichende Auslegung des Berufungsgerichts, dass die tatsächliche Ausgestaltung des Geschäftslokals für die Auslegung des Mietvertrags irrelevant sei, weil der Beklagte nicht eingewendet habe, dass der Verwendungszweck in der Folge abgeändert worden sei, greift demgegenüber zu kurz, weshalb ihr nicht beigepflichtet werden kann. Es geht hier nicht erst um eine spätere Abänderung des ursprünglichen Verwendungszwecks, sondern um eine gleichförmige Nutzung des Mietobjekts in Kombination mit dem Marktstand bereits ab Beginn des Mietvertrags und einen darin zum Ausdruck kommenden natürlichen Konsens der Mietvertragsparteien über den tatsächlichen Vertragszweck.

Auch der Kläger dürfte erkannt haben, dass ein ausschließlicher Verkaufsbetrieb bei Abschluss des Mietvertrags weder möglich noch beabsichtigt war. Demzufolge stützte er die Aufkündigung auch nicht darauf, dass der Beklagte im Lokal vertragswidrig „auch“ die Einlagerung von Obst und Gemüse vornehme, sondern darauf, dass der Beklagte im Mietobjekt „nur“ die Einlagerung von Obst und Gemüse vornehme. Dies trifft aber nach den bindenden Feststellungen des Erstgerichts nicht zu. Der außerordentlichen Revision des Beklagten ist daher Folge zu geben und das die Aufkündigung aufhebende und das Klagebegehren abweisende Ersturteil einschließlich der Kostenentscheidung wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Leitsätze