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Anspruch auf Mietzinsminderung für GeschäftsraummieterInnen wegen COVID-19
Gastautor Mag. Martin Brunnhauser von der Mietervereinigung Österreichs erläutert anhand einer aktuellen Entscheidung des LG Wien, welche Regelungen in Bezug auf Mietzinsminderung für Geschäftsraummiete gelten.
Mit Spannung werden Entscheidungen zur Mietzinsbefreiung gemäß § 1104 ABGB von GeschäftsraummieterInnen und -vermieterInnen gleichsam erwartet. In Zeiten diverser Lockdowns waren etliche GeschäftsraummieterInnen aufgrund der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 derart betroffen, dass das betriebene Geschäft ganz oder teilweise nicht weiter betrieben werden durfte. MieterInnen und VermieterInnen liegt daher sehr viel daran, möglichst rasch Rechtssicherheit zu erlangen.
Rechtliche Grundlagen zu Mietzinsbefreiung/-erleichterungen
Gemäß § 1104 ABGB besteht ein Mietzinsbefreiungsanspruch, wenn der Bestandgegenstand wegen außerordentlicher Zufälle, als Feuer, Krieg oder Seuche, großer Überschwemmungen, Wetterschläge, oder wegen gänzlichen Misswachses gar nicht gebraucht oder benutzt werden kann.
Gemäß § 1105 ABGB ist ein verhältnismäßiger Teil des Mietzinses zu erlassen, wenn die MieterInnen trotz eines solchen Zufalls einen beschränkten Gebrauch des Bestandgegenstands behalten.
Aktuelle Entscheidung des LG Wien
Im Februar 2021 hatte das Landesgericht für Zivilrechtsachen Wien zur GZ 39 R 27/21s erstmals über einen derartigen Mietzinsminderungsanspruch zu entscheiden. In der vielbeachteten Entscheidung gab der Senat der Berufung eines Geschäftsraumvermieters nicht Folge. Das Gericht setzte sich umfassend mit den Argumenten der Parteien auseinander und hat dabei einige Klarstellungen getroffen.
Sachverhalt
Bei gegenständlichem Sachverhalt hat ein Betreiber eines Buchladens einen Betrag an zu viel geleisteten Mietzins während des 1. Lockdowns von seinen Vermietern eingeklagt. Das Geschäftslokal verfügt über eine etwa 100 qm große Verkaufsfläche und etwa 200 qm Lagerräumlichkeiten.
In der Zeit von 16.03.2020 bis 13.04.2020 durfte der Kläger keine Kunden in seiner Buchhandlung empfangen. Der Buchhändler konnte einige Stammkunden weiterhin mit Büchern beliefern, doch konnte er lediglich 2 bis 5 % des Umsatzes zum Vergleichszeitraum erzielen.
Der Unternehmer bezahlte die Mieten für März und April in voller Höhe, hielt aber in einem Schreiben in der zweiten Aprilhälfte an die Hausverwalterin fest, dass er diese Zahlungen nur unter Vorbehalt geleistet hatte, da er einen Anspruch auf Rückzahlung habe.
Der Kläger begehrte in der Folge im Ausmaß der Unbrauchbarkeit nach Tagen (16 Tage im März und 14 Tage im April) eine Rückzahlung des Mietzinses. Dazu nahm der Kläger selbst eine Berechnung vor, in welcher er eine Aufteilung des zu leistenden Bruttomietzinses in einen Anteil für den Verkaufsraum und einen Anteil für das Lager vornahm. Seiner Berechnung folgend, forderte der Mieter lediglich eine Mietzinsbefreiung für den Verkaufsraum.
Die Gegenseite bestritt die Unbrauchbarkeit. Leute würden aufgrund der vorhandenen Auslage weiterhin etwa telefonisch Bücher bestellen können. Es wurde vorgebracht, dass kein außerordentlicher Zufall vorliegen würde, da der Bestandgegenstand nicht aufgrund eines Elementarereignisses unbrauchbar geworden wäre, sondern aufgrund vom Gesetzgeber erlassener Betretungsverbote. Zudem hätte der Mieter Ansprüche aus Fixkostenzuschuss und Härtefallfonds an den Vermieter abzuführen bzw wären diese auf Rückforderungsansprüche des Mieters anzurechnen. Moniert wurde auch, dass der Buchhändler Förderungen der MitarbeiterInnen durch Kurzarbeit erhalten könnte und der Mieter damit erhalten würde, wovon Vermieter nur träumen könnten. Auch wurde angemerkt, dass ein Unternehmer, der keine Rückstellungen für Fixkosten im Ausmaß der geforderten 24 Mietzinstage bilde, nicht förderungswürdig wäre. Es würde sich daher um keinen umsichtigen, sondern um einen maroden Unternehmer handeln.
Das Bezirksgericht Josefstadt gab dem Klagebegehren Folge. Die Beklagten fichten das Urteil an.
Entscheidung des LG Wien
Das Landesgericht für ZRS Wien hat in der Entscheidung erwogen, dass es sich bei der Krankheit „Covid-19“ um eine Seuche im Sinne des § 1104 ABGB handelt. Zwar würde die Gebrauchsbeeinträchtigung tatsächlich nicht aus der Pandemie selbst resultieren, doch würden die, wegen der Pandemie ergriffenen Maßnahmen, die Nutzungsmöglichkeit des Bestandobjekts beseitigen oder beschränken und sind diese als Folge der Pandemie den §§ 1104 f ABGB zu unterstellen.
Des Weiteren führte das Gericht aus, dass es dafür keiner Substanzschädigung des Objektes bedarf, dafür würde nicht nur die in § 1104 ABGB ausdrücklich genannte „Seuche“, die naturgemäß auf die Substanz des Objektes keinen Einfluss hat sprechen, sondern vor allem der Zweck der gesetzlichen Regelungen: Entscheidend ist, ob die Gebrauchsmöglichkeit objektiv – gemessen am Vertragszweck – beseitigt oder eingeschränkt ist.
Diesen Standpunkt untermauert das Landesgericht mit Judikatur zu Beschlagnahmen von Wohnungen durch Besatzungsmächte, welche bereits als Anwendungsfall des § 1104 ABGB anerkannt wurden (RIS-Justiz RS0038602, RS0024896, RS0024903). Die Betriebsschließung ist daher in einem solchen Fall die Folge eines außerordentlichen Zufalls iSd § 1104 ABGB, weshalb der Gebrauch des Bestandobjektes nicht „aus einem dem Bestandnehmer zugestoßenen Hindernisse oder Unglücksfalle vereitelt“ worden ist.
„Gewöhnliche Zufälle“ versus „außergewöhnliche Zufälle“
Im Unterschied zu § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB, der bloß „gewöhnliche Zufälle" erfasst, werden die Rechtsfolgen der „außergewöhnlichen Zufälle“ in § 1104 ABGB geregelt. Letztendlich trägt bei beiden Szenarien der Bestandgeber die Preisgefahr. Der maßgebliche Unterschied zwischen § 1096 ABGB und den §§ 1104 f ABGB besteht darin, dass der Bestandgeber bei „außergewöhnlichen Zufällen" in der Regel nicht zur Wiederherstellung verpflichtet ist. Der Bestandgeber trägt damit zwar weiter die Preisgefahr, von der Leistungsgefahr wird er aber befreit.
Das Gericht erachtet für die Zinsminderung die Frage, ob die Pandemie ein außerordentlicher Zufall im Sinn des § 1104 ABGB ist, als eine von lediglich akademischer Bedeutung, da die Preisgefahr bei jeder Art von Zufall den Vermieter trifft.
Ausführungen zu Fixkostenzuschuss und Härtefonds
Deutlich wies das Gericht die Argumentation der Vermieter zurück, wonach Ansprüche aus Fixkostenzuschuss und Härtefallfonds an den Vermieter abzuführen bzw diese auf Rückforderungsansprüche des Mieters anzurechnen wären. Es führte dazu aus, dass bei Inanspruchnahme des Fixkostenzuschusses den Unternehmer eine Schadensminderungspflicht trifft. Der Unternehmer als Mieter muss sich aktiv um eine Reduktion oder Aussetzung des Mietzinses bemühen. „Dieser Schadensminderungspflicht ist der Kläger im vorliegenden Fall nachgekommen, da er – wohlgemerkt: nicht zuletzt zugunsten des Steuerzahlers! – entsprechend den geltenden gesetzlichen Regelungen vom Bestandgeber die Rückzahlung aus seiner Sicht zu viel bezahlter Mietzinse begehrt.“
Auch wenn im gegenständlichen Fall der Mieter gar keinen Fixkostenzuschuss beantragt hat, führt das Gericht aus, dass Unterstützungsleistungen durch Fixkostenzuschüsse den begünstigten Unternehmen zugutekommen soll. Vermieter zählen gerade nicht zu diesen begünstigten Unternehmern.
Der Dreirichtersenat hielt fest, dass es nicht Aufgabe des Geschäftsraummieters ist, durch Verzicht auf eine ihm gesetzlich zustehende Mietzinsbefreiung bzw -minderung auf Kosten des Steuerzahlers Förderungsleistungen zu beantragen, um diese dem Vermieter zukommen zu lassen.
Zur Berechnung der Mietzinsminderung
Zur vorzunehmenden relativen Berechnungsmethode stellte das Landesgericht klar, dass die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die Gebrauchsfähigkeit des Objekts eingeschränkt ist, sich auch im Anwendungsbereich der §§ 1104 ff ABGB nach den Grundsätzen des § 1096 Abs 1 ABGB richtet. Die Minderung des Bestandzinses ist durch Vergleich des Bestandzinses zu ermitteln, der ohne Mangel, und jenem, der mit dem Mangel für das Bestandobjekt am Markt zu erzielen ist. Nach Ansicht des Berufungssenats lebt eine Buchhandlung vom Verkaufsraum, da dieser zum „Stöbern“ und zur persönlichen Beratung dient. Die vom Mieter vorgenommene Aufteilung des Bruttomietzinses auf Verkaufsfläche und Lagerräumlichkeit hat letztendlich eine Mietzinsreduktion um etwa 64 % zur Folge. Angesichts des Betretungsverbotes für den Verkaufsraum erachtet der Senat im letzten Absatz der Entscheidung dies als eine ohnedies vermieterfreundliche Berechnung.
Fazit
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Meinung der überwiegenden Lehre, die sich vorab mit diesen neuen vorherrschenden Umständen auseinandergesetzt hatte, durch diese Entscheidung bestätigt wurde. Erfreulich ist der Verfahrensausgang auch aus Sicht der Steuerzahlenden, weil damit eine Umleitung von Förderungen auf jene, denen explizit keine Förderung zuteil kam, hintangehalten wurde. Die Entscheidung ist rechtskräftig. Eine Revision war aufgrund des niedrigen Streitwerts unzulässig. Interessant bleibt die Thematik weiterhin, da sich der OGH erst in anderen Fällen mit diesem spannenden Thema befassen wird.
Autor
Mag. Martin Brunnhauser ist Jurist der Mietervereinigung Österreichs mit langjähriger Beratungserfahrung in sämtlichen Bereichen des österreichischen Wohnrechts und Vertretungstätigkeit in allen Angelegenheiten des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens.