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8 Ob 47/03z; OGH; 12. Juni 2003
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling, Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** AG, ***** vertreten durch Dr. Kostelka-Reimer & Dr. Fassl, Rechtsanwälte OEG in Wien, wider die beklagte Partei Andreas E*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Vinatzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung (Streitwert EUR 4.479,83), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 15. Jänner 2003, GZ 40 R 324/02x-37, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 24. September 2002, GZ 7 C 810/01d-30, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:
„Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die Wohnung top Nr 21 im Haus 1090 W*****, bestehend aus Vorraum, Küche, Wohnzimmer, zwei Zimmern, Gang, WC, Bad, Schrankraum und Terrasse geräumt von eigenen Fahrnissen binnen 14 Tagen zu übergeben.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit EUR 2.180,27 bestimmten Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz (darin enthalten EUR 191,85 Barauslagen, EUR 331,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit EUR 558,74 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten EUR 66,92 Umsatzsteuer, EUR 159,– Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Der Beklagte ist seit etwa acht Jahren Mieter der Wohnung top Nr 21 im Haus 1090 W*****. Der monatliche Mietzins betrug zuletzt EUR 373,25.
Zunächst wohnte der Beklagte in der Wohnung. Im März 2000 nahm er gemeinsam mit seiner Freundin eine Wohnung in Krems. Im September 2000 räumte er die Wohnung endgültig und zog zur Gänze nach Krems. Zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt richtete er einen Nachsendeauftrag an die Adresse ***** in 1010 Wien ein, wo seine Mutter wohnt und wo er im Falle eines Wien-Aufenthaltes nächtigte. Der Beklagte teilte der Hausverwaltung seine geänderte Adresse nicht mit.
Seit September 2000 versuchte der Beklagte, die Wohnung zu vermieten. Die Mietersuche war zunächst nicht erfolgreich. Erst im Mai 2001 vermittelte ein Nachbar des Beklagten diesem einen Arbeitskollegen, der auf Wohnungssuche war. Mit diesem schloss der Beklagte schließlich einen Untermietvertrag beginnend mit Juni 2001 zu einem Untermietzins in Höhe von monatlich EUR 1.609,– ab. Der Beklagte vereinbarte mit dem Untermieter auf dessen Bitte, dass dieser den Mietzins für Juni erst im Juli bezahlen sollte.
Im Herbst 2000 geriet der Beklagte zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Er studierte an der ***** Universität Finanzwissenschaften und wollte sich zunächst sein Studium selbst finanzieren. Er nahm gelegentlich Auftragsarbeiten als Programmierer für Bekannte an, bezog dadurch aber nur ein geringes unregelmäßiges Einkommen. Durch zusätzliche Sonderausgaben, die vor allem mit der Geburt seines zweiten Sohnes im Jänner 2001 in Verbindung standen, wurde die Finanzsituation des Beklagten immer prekärer. Gegen Jahresende 2000 merkte er, dass er aus eigener Kraft seine finanziellen Angelegenheiten nicht mehr regeln könne. Sein Konto war weit überzogen. Sein Kreditrahmen war ausgeschöpft. Er bat deshalb seinen Vater, ihm finanziell auszuhelfen, der dies auch – genau wie seine Mutter – fallweise tat. Der Beklagte suchte seit Winter 2000 neben seinem Studium Arbeit. Erst im November 2001 gelang es ihm, einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden.
Ursprünglich hatte der Beklagte einen Dauerauftrag erteilt, um die monatlichen Mieten zur Überweisung zu bringen. Aufgrund seines schlechten Kontostandes wurden die Mieten jedoch nicht mehr überwiesen. Die Miete für Oktober und Dezember 2000 zahlte der Beklagte deshalb per Erlagschein ein. Aufgrund mangelnder Deckung seines Kontos wurden diese Mietzahlungen nicht an die Klägerin überwiesen. Der Beklagte überprüfte gelegentlich seine Kontoauszüge. Dass die Mieten Oktober und Dezember 2000 nicht überwiesen wurden, fiel ihm jedoch nicht auf. Den Mietzins für November 2000 bezahlte der Beklagte am 22.11.2000 mittels Erlagschein. Diese Überweisung wurde durchgeführt. Die Mieten für Jänner, Februar und März 2001 zahlte der Beklagte wegen seiner wirtschaftlichen Notlage vorerst nicht.
Aufgrund des bis dahin aufgelaufenen Mietzinsrückstandes schickte ihm die Hausverwaltung eine Mahnung vom 22.02.2001 an die Adresse ***** in 1090 Wien. Dieses Schreiben behob der Beklagte nicht. Die Mieten Jänner bis März 2001 überwies der Beklagte am 15.03.2001, nachdem er zuvor von einem Freund für ausgeführte Programmiertätigkeiten eine größere Summe überwiesen erhalten hatte. Am 18.05.2001 überwies der Beklagte die Mietzinse für April und Mai 2001. Die Mietzinse für Juni und Juli 2001 beglich in Höhe von jeweils EUR 373,32 beglich der Beklagte vorerst nicht. Die Hausverwaltung verfasste daher das Schreiben vom 12.07.2001, welches sie dem Beklagten per Einschreiben an die Adresse ***** in 1090 Wien sandte. Aufgrund des vom Beklagten eingerichteten Nachsendeauftrages wurde das Schreiben an die Adresse 1010 Wien, ***** weitergeleitet. Das Schreiben wurde nicht behoben. Dass keine Hinterlegungsanzeige erfolgte bzw der Beklagte keine erhielt, kann nicht festgestellt werden.
Als der Beklagte auch die Vorschreibung für August 2001 nicht beglich, erklärte der Klagevertreter mit Schreiben vom 14.08.2001 die Auflösung des Mietverhältnisses gemäß § 1118 ABGB. Diese Auflösungserklärung wurde an die *****adressiert und aufgrund des Nachsendeauftrages in die ***** weitergeleitet. Ob der Beklagte dieses Schreiben vom 14.08.2001 erhalten hat, kann nicht festgestellt werden.
In Kenntnis seines Mietzinsrückstandes bat der Beklagte im Juli 2001 seine Mutter, die offenen Mietzinse zu zahlen. Seine Mutter sagte zu, dies zu tun. Sie nahm jedoch die Überweisung wegen diverser Auslandsaufenthalte erst am 20.08.2001 vor, wobei sie die Mietzinse für Juni, Juli und August widmete sowie eine umgewidmete Mietzinszahlung leistete. Diese umgewidmete Mietzinszahlung wurde von der Klägerin auf die älteste Schuld (Mietzins Oktober 2000) angerechnet.
Nach einer Einschränkung um das Zahlungsbegehren begehrt die Klägerin die Räumung der Wohnung. Der Beklagte sei hinsichtlich der offenen Mietzinse für Oktober und Dezember 2000 und für Juni und Juli 2001 unter Setzung einer angemessenen Nachfrist mit Schreiben vom 12. 7. 2001 gemahnt worden. Mangels Zahlung des gemahnten Betrages sei das Mietverhältnis mit dem Beklagten durch das Schreiben vom 14.08.2001 gemäß § 1118 ABGB aufgelöst worden.
Der Beklagte wendete ein, dass die rückständigen Mieten für Juni und Juli 2001 – ebenso wie die August-Miete – am 20.08.2001 bezahlt worden sei. Von den Mietzinsrückständen für die Monate Oktober und Dezember 2000 habe der Beklagte erst durch die Klageführung erfahren. Eine qualifizierte Mahnung vom 12.07.2001 habe den Beklagten nicht erreicht. Daher sei auch die Auflösungserklärung unberechtigt erfolgt.
An den eingetretenen Zahlungsrückständen treffe den Beklagten kein grobes Verschulden. Er sei seit Herbst 1998 Student der Finanzwissenschaften in *****. Zunächst habe er für seinen Unterhalt unabhängig von jeglicher Unterstützung durch seine Eltern aufkommen wollen. Zu diesem Zweck habe er neben dem Studium gelegentlich Auftragsarbeiten, die àperiodische Einkünfte verschafften, verrichtet. Zudem habe er auf seinem Girokonto einen Rahmen eingeräumt erhalten. Im Gefolge seiner eigenen Familiengründung sei er zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Diese hätten ihn letztlich veranlasst, seinen Vater um finanzielle Unterstützung zu bitten. Diese Unterstützung werde auch seit Anfang 2001 gewährt. Hiedurch sei der Beklagte in die Lage versetzt worden, seine Bankschulden zu regulieren und seinen laufenden Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Zu diesem Zeitpunkt habe der Beklagte noch keine Kenntnis gehabt, dass die Mietzinse für Oktober und Dezember 2000 unberichtigt aushafteten. Die Untervermietung der Wohnung top 21 in ***** ermögliche dem Beklagten die Erzielung von Einkünften. Kraft gesonderter Vereinbarung habe er bis 18.07.2001 noch keine Untermiete lukrieren können. Seit November 2001 habe der Beklagte eine Beschäftigung angenommen, um seine finanzielle Situation zu sanieren.
Das Erstgericht wies das Räumungsbegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und erachtete rechtlich, dass es sich bei der im § 1118 zweiter Fall ABGB vorausgesetzten Mahnung um eine empfangsbedürftige Erklärung des Bestandgebers handle, die dem Bestandnehmer im Sinne des § 862a ABGB zugehen müsse. Durch den Nachsendeauftrag habe der Beklagte die Nachsendeadresse als seinen Machtbereich deklariert. Der Tatbestand einer qualifizierten Mahnung sei daher erfüllt. Jedenfalls in der Klage sei eine berechtigte Auflösung des Mietvertrages gemäß § 1118 ABGB zu sehen, weil zu diesem Zeitpunkt noch ein Teil des Mietzinses unberichtigt ausgehaftet habe.
Allerdings sei unter Berücksichtigung der Gesamtumstände davon auszugehen, dass den Beklagten kein grobes Verschulden an den in der Folge zur Gänze nachgezahlten Mietzinsrückständen treffe. Häufige Rückstände trotz Mahnung könnten nach der Rechtsprechung zwar nur ausnahmsweise eine grobe Fahrlässigkeit ausschließen. Allerdings liege ein besonderes Maß an Sorglosigkeit auch bei länger andauernden Rückständen dann nicht vor, wenn dem Mieter die Zahlung des Mietzinses wegen einer unverschuldet entstandenen schlechten Wirtschaftslage nicht möglich gewesen sei. Die Mietzinsrückstände seien im konkreten Fall auf die ergebnislose Jobsuche und die Geburt des zweiten Kindes des Beklagten zurückzuführen. Dennoch sei der Beklagte bemüht gewesen, keine allzu großen Rückstände auftreten zu lassen. So habe der Beklagte immer sofort dann, wenn er entweder eine größere Summe durch eine Nebentätigkeit erhalten habe oder von seinen Eltern Geld erbeten habe, die ausständigen Mietzinse nachbezahlt. Dass der Beklagte im Sommer erst nach drei Monaten den ausständigen Mietzins bezahlt habe, lasse sich auch auf eine Verkettung unglückseliger Umstände zurückführen (Zahlungsverzögerung des Untermieters, Urlaub der Mutter).
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Ausgehend von den erstgerichtlichen Feststellungen und der in der mündlichen Berufungsverhandlung erfolgten Außerstreitstellung, dass der Mietzinsrückstand für Dezember 2000 am 04.09.2001 bezahlt worden sei, gelangte es zur rechtlichen Beurteilung, dass zum Zeitpunkt der Zustellung der Räumungsklage – sei sie nun am 10. 9. 2001 durch Hinterlegung an der vom Beklagten angegebenen Nachsendeadresse oder erst am 24.09.2001 durch die Behebung erfolgt – kein qualifizierter Zinsrückstand im Sinne des § 1118 ABGB mehr vorgelegen sei. Die Schreiben der Klägerin vom 22.02.2001 und 12.07.2001 hätten nur die Anführung eines offenen Saldos von jeweils S 20.547,92 auf dem Mieterkonto enthalten. Es sei somit lediglich die Zahlung eines offenen, zeitlich in keiner Weise präzisierten Saldos gefordert worden. Daher sei eine gehörige Mahnung erstmals in der Mietzins- und Räumungsklage zu erblicken, in welcher die konkret offenen Mietzinse für Oktober und Dezember 2000 sowie Juni bis August 2001 dargestellt worden seien. Da für den Eintritt der Rechtsfolgen des § 1118 ABGB die zeitliche Abfolge – Mahnung, Nachfristsetzung und Auflösungserklärung – gewahrt sein müsse, sei die Frage, ob die außergerichtliche Auflösungserklärung dem Beklagten zugegangen sei, bedeutungslos. Ein Eingehen auf die zum groben Verschulden erstatteten Berufungsausführungen erübrige sich, weil das Räumungsbegehren bereits mangels Vorliegens eines qualifizierten Mietzinsrückstandes abzuweisen sei.
Die dagegen von der Klägerin erstattete außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist. Die Revision ist im Sinne des gestellten Abänderungsantrages auch berechtigt.
§ 1118 ABGB zweiter Fall berechtigt den Bestandgeber zur früheren Aufhebung des Vertrages, wenn der Bestandnehmer nach geschehener Einmahnung mit der Bezahlung des Zinses dergestalt säumig ist, dass er mit Ablauf des Termins den rückständigen Bestandzins nicht vollständig entrichtet hat. Hier steht fest, dass zum Zeitpunkt der Mahnung der Klägerin mittels eingeschriebenen Briefes vom 12.07.2001 die Mietzinse für Oktober und Dezember 2000 und jene für Juni und Juli 2001 (jeweils in Höhe von EUR 373,32; somit in Höhe des in der Mahnung ausgeworfenen Betrages) offen waren. Bei der Mahnung handelt es sich um eine empfangsbedürftige Erklärung des Bestandgebers, die dem Bestandnehmer zugehen muss. Auf Mahnungen nach § 1118 ABGB ist § 862a ABGB analog anzuwenden (wobl 1993/22 = MietSlg 43.288). Danach ist im Sinne der Empfangstheorie eine Erklärung dem Adressaten dann zugekommen, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass nach regelmäßigen Umständen mit der Kenntnisnahme durch ihn gerechnet werden konnte (wobl 1993/22; Rummel in Rummel³ § 862a ABGB Rz 2; RIS-Justiz RS0014071; RS0014076; 7 Ob 55/02t uva). Dem Erstgericht ist nun darin beizupflichten, dass durch die Einrichtung eines Nachsendeauftrages durch den Beklagten, der der Hausverwaltung überdies niemals seine Anschriftenänderung mitteilte, die Kenntnisnahme des Inhaltes der Mahnschreiben durch den Beklagten unter normalen Umständen erwartet werden konnte. Die Störung, die sich der Kenntnisnahme durch den Beklagten entgegenstellte, ging vom Lebensbereich des Beklagten aus (vgl dazu 7 Ob 55/02t mwN), der trotz des erteilten Nachsendeauftrages keine Vorkehrungen dafür trug, die eingeschrieben weitergeleitete Mahnung zu beheben. Dabei ist die Verpflichtung, für die Möglichkeit des Zuganges von rechtsgeschäftlichen Erklärungen vorzusorgen, umso stärker zu gewichten, je eher mit der Möglichkeit des Einlangens solcher Erklärungen zu rechnen ist (SZ 70/89; SZ 70/238; 7 Ob 55/02t). Im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Mahnung vom 12.07.2001 bestehenden Mietzinsrückstände musste der Beklagte im Sinn der dargelegten Grundsätze mit der Möglichkeit des Einlangens von Mahnungen rechnen. Diese Überlegungen haben auch für die Auflösungserklärung vom 14.08.2001 zu gelten. Auch diese Auflösungserklärung hat als rechtlich zugegangen zu beurteilen, weshalb es auf die von der Klägerin in der Berufung aufgeworfene Frage des Erhaltes der Auflösungserklärung durch den Beklagten nicht ankommt: Ist die Willenserklärung in den Machtbereich des Adressaten gelangt, kommt es auf die tatsächliche Kenntnisnahme des Inhaltes durch den Empfänger nicht an (RIS-Justiz RS0014076; SZ 62/202; zuletzt 7 Ob 55/02t).
Das Berufungsgericht hat die Mahnung vom 12.07. 2001 – deren Inhalt zwar nicht ausdrücklich festgestellt wurde, der aber unstrittig ist – als nicht ausreichend angesehen, weil die Mahnung den Beklagten nur auf den offenen Saldo von ATS 20.547,92 (genau vier Monatsmieten) zum 11.07.2001 hinwies, ohne dass dieser Saldo nach einzelnen offenen Bestandzinsperioden aufgeschlüsselt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Dieser Auffassung kann sich der erkennende Senat nicht anschließen:
Voraussetzung einer wirksamen Mahnung ist nach der Rechtsprechung, dass der Zinsrückstand hinreichend bestimmt angeführt wird. So wurde etwa das Vorbringen, der Mieter sei „mit fälligen Bestandzinsen in Rückstand geraten“ nicht als gesetzmäßige Mahnung gewertet (wobl 1991/27). Die Aussage, dass der Mieter in einem bestimmten Zeitraum überhaupt keinen Zins bezahlt habe, wurde auch ohne ziffernmäßige Anführung der offenen Beträge als ausreichend konkret angesehen (JBl 1994, 826). Nicht ausreichend ist die Aufforderung, die fälligen Mietzinse zu bezahlen, ohne diese näher zeitlich oder betraglich zu präzisieren (8 Ob 146/99z). Ist ein Pauschalzins vereinbart, bedarf es einer Bezifferung des Mietzinsrückstandes nicht (7 Ob 555/82). Schließlich wurde in der Entscheidung 1 Ob 567/88 = MietSlg 40.174 der insoweit mit dem vorliegenden Fall vergleichbare Sachverhalt behandelt, dass der beklagte Mieter aufgefordert wurde, den bis zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgelaufenen Mietzinsrückstand in betraglich genannter Höhe bis zu einem bestimmten Termin zu bezahlen. Darin wurde eine wirksame Mahnung gesehen.
Ob eine Mahnung als ausreichend anzusehen ist, ist nach ihrem Zweck zu beurteilen: Sinn der Mahnung vor Zulässigkeit einer außergerichtlichen Auflösungserklärung im Sinne des § 1118 zweiter Fall ABGB ist es, den Schuldner nochmals ausdrücklich auf die Fälligkeit seiner Zinsverbindlichkeit hinzuweisen und ihm durch die Setzung oder zumindest Gewährung einer angemessenen Nachfrist Gelegenheit zu geben, durch die Bezahlung der als dringlich erkannten Forderung die Gefahr einer für ihn vielleicht nachteiligen vorzeitigen Vertragsauflösung abzuwenden (vgl Würth in Rummel³ § 1118 ABGB Rz 17; RIS-Justiz RS0021197; SZ 57/52; 1 Ob 502/89 = MietSlg 41.136). Eine am Zweck der Mahnung orientierte Beurteilung hat aber im vorliegenden Fall zum Ergebnis zu führen, dass die Mahnung der Klägerin vom 12. 7. 2001 ausreichend aufgeschlüsselt ist: Der darin genannte Saldo belief sich auf genau vier offene Monatsmieten, die überdies in jeweils gleicher Höhe zur Vorschreibung gelangten. Der Beklagte erstattete im gesamten Verfahren keinerlei Vorbringen dahin, dass für ihn die in der Folge auch eingeklagten Rückstände rechnerisch nicht nachvollziehbar seien. Damit ist aber die Auffassung, in einer Mahnung müssten auch zwingend die einzelnen Bestandzinsperioden ausgeworfen sein, nicht zu teilen. War dem Mieter – wovon hier mangels entgegenstehenden Vorbringens auszugehen ist – klar, welche Bestandzinsforderungen offen sind (immerhin bezahlte der Beklagte sämtliche Rückstände noch vor Zustellung der aufgeschlüsselten Räumungs- und Zinszahlungsklage), so war im konkreten Fall der Inhalt der Mahnung vom 12.07.2001 geeignet, ihren Zweck zu erfüllen. Gelingt es daher dem im Bestreitungsfall dafür ohnedies behauptungs- und beweispflichtigen Vermieter, nachzuweisen, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Mietzinsrückstand bestand und mahnte der Vermieter diesen Mietzinsrückstand unter Hinweis auf die zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehende ziffernmäßige Höhe, ist diese Vorgangsweise grundsätzlich als ausreichend im Sinne des § 1118 zweiter Fall ABGB anzusehen. Es wäre dann Sache des Mieters, zu behaupten und zu beweisen, dass aus besonderen Gründen (etwa wegen Verrechnungsschwierigkeiten – zB bei Einzelabrechnung von Betriebskosten) die Mahnung einen objektiv nicht nachvollziehbaren Rückstand aufwies und damit ihren Zweck nicht erfüllen konnte. Da auch die in der Mahnung gewährte Nachfrist (bis 20.07.2001) als angemessen zu beurteilen ist, erfolgte die außergerichtliche Auflösungserklärung vom 14.08.2001 berechtigt.
Damit ist aber die Frage zu beantworten, ob den Beklagten an den eingetretenen Zinsrückständen ein grobes Verschulden trifft. Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass ein grobes Verschulden an der Nichtzahlung des Zinses nicht vorliege, trifft den Mieter (Würth/Zingher Miet- und Wohnrecht20 § 33 MRG Rz 28; wobl 1997/8; RIS-Justiz RS0069316). Dabei geht jeder Zweifel zu Lasten des Mieters (7 Ob 555/82; wobl 1994/62 uva).
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass grobes Verschulden im Sinne des § 33 Abs 2 MRG ein besonderes Maß an Sorglosigkeit voraussetzt, sodass der Vorwurf berechtigt erscheint, der Mieter habe die Interessen des Vermieters aus Rechthaberei, Willkür, Leichtsinn oder Streitsucht verletzt. Im Fall häufiger Rückstände trotz Mahnung kann nur ausnahmsweise nach den Besonderheiten des Einzelfalls eine sonst naheliegende grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen werden (MietSlg 41.366; wobl 1997/8; Würth/Zingher aaO). Grobe Fahrlässigkeit wurde auch angenommen, wenn der Mieter den Mietzinsrückstand aus reiner Gleichgültigkeit entstehen ließ, insbesondere dann, wenn er den Mietzinsrückstand von der Mahnung bis zur Einbringung der Klage anwachsen ließ (MietSlg 35.587). Zahlt der Mieter den Mietzins nicht, weil er wirtschaftliche Schwierigkeiten hat, so hat er auch zu beweisen, dass er die Schwierigkeiten nicht verschuldet hat (wobl 1997/8).
Im hier zu beurteilenden Fall hat der Beklagte vorgebracht, dass er keine Kenntnis davon gehabt habe, dass die Monatsmieten Oktober 2000 und Dezember 2000 unberichtigt aushafteten, dass er wegen seines Studiums und seiner Familiengründung zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten geraten sei, die ihn veranlassten, seinen Vater um finanzielle Unterstützung zu bitten, die ihm seit Jahresanfang 2001 gewährt worden sei. Dadurch sei er in die Lage versetzt gewesen, seine laufenden Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Aus der Untervermietung der hier gegenständlichen Wohnung habe er bis 18.07.2001 keine Erlöse lukrieren können.
Selbst wenn man nun die vom Erstgericht festgestellte Unkenntnis des Beklagten von den aushaftenden Mietzinsen Oktober und Dezember 2000 trotz der erfolgten Mahnungen der Klägerin und trotz des Umstandes, dass dem Beklagten bekannt war, dass die Mieten von der Bank wegen seines schlechten Kontostandes nicht überwiesen worden waren, weshalb er sie mit Erlagschein einzahlte, bloß als leicht fahrlässig ansieht, lässt sich weder aus dem Vorbringen des Beklagten noch aus den – im Berufungsverfahren ungerügt gebliebenen und damit beachtlichen – teilweise überschießenden Feststellungen des Erstgerichtes (vgl dazu RS0037972) ableiten, warum der Beklagte auch die Mietzinse für Juni, Juli und August 2001 nicht bezahlte: Nach seinem eigenen Vorbringen war er in die Lage versetzt, durch die von seinem Vater erhaltene Unterstützung die laufenden Verbindlichkeiten des Jahres 2001 abzudecken. Darüber hinaus gestand der Beklagte zu, ab 18.07.2001 Erlöse aus der Untervermietung der Wohnung erzielt zu haben (nach den Feststellungen des Erstgerichtes EUR 1.609 monatlich). Schon das Vorbringen des behauptungs- und beweispflichtigen Beklagten erklärt nicht, warum er trotz Unterstützung seines Vaters und den nach seinem Vorbringen ab 18.07.2001 erzielten Untervermieterlösen die offenen Mietzinse für Juni und Juli 2001 nicht spätestens im Juli 2001 beglich (allein eine Untermietzahlung des Untermieters reichte aus, um sämtliche Mietzinsrückstände des Beklagten bis einschließlich Juli 2001 abzudecken). Auch die – überschießende – Feststellung des Erstgerichtes, dass der Beklagte im Juli 2001 seine Mutter um Abdeckung der Mietzinsrückstände ersuchte, kann den Beklagten nicht entlasten: Dazu hätte es eines Vorbringens bedurft, warum er nicht die Unterstützung seines Vaters oder den Untermieterlös benutzte, um die aushaftenden Mietzinsrückstände abzudecken. Nach dem eigenen erstinstanzlichen Vorbringen des Beklagten wäre es ihm nämlich möglich gewesen, innerhalb der von der Klägerin gewährten Nachfrist (20. Juli 2001) die Untermietzahlungen zur Abdeckung der Mietzinsrückstände heranzuziehen. Bediente sich hingegen der Beklagte – wie hier – seiner Mutter bei der Erfüllung seiner Mietzinszahlungsverpflichtung, so muss sich der Beklagte das Verhalten seiner Mutter zurechnen lassen. Dabei ist zu prüfen, ob das Verhalten des Gehilfen den Schuldner ersatzpflichtig gemacht hätte, hätte es von diesem selbst hergerührt. Der Maßstab für die Beurteilung, ob das Verhalten des Erfüllungsgehilfen fahrlässig war, ist dem Verkehrskreis und der Stellung des Schuldners zu entnehmen. Das gilt auch für den Verschuldensgrad (JBl 1992, 42 = MietSlg 43.287/8). Der Umstand aber, dass ein Mieter trotz Mahnung unter Nachfristsetzung und angedrohter Auflösungserklärung die Mietzinsrückstände nicht sofort begleicht (obwohl zu diesem Zeitpunkt keine finanziellen Schwierigkeiten mehr bestanden und auch gar nicht behauptet wurden), lässt sich nur als Leichtsinn, zumindest aber als reine Gleichgültigkeit ansehen (MietSlg 35.587; vgl ferner wobl 1997/8).
Gerade für den Zeitraum ab Mahnung bis zum Verstreichen der Nachfrist steht somit nicht einmal fest, dass die Nichtzahlung in diesem Zeitraum durch wirtschaftliche Schwierigkeiten des Beklagten verursacht wurde. Vielmehr hat der Beklagte auch zu einem Zeitpunkt, zu welchem nach seinem eigenen erstinstanzlichen Vorbringen wirtschaftliche Schwierigkeiten nicht mehr bestehen konnten, die bereits längst fälligen Mietzinsrückstände nicht umgehend bezahlt. Bei dieser Sachlage muss der Klägerin darin beigepflichtet werden, dass dem Beklagten – insbesondere unter Berücksichtigung der häufigen und langandauernden Rückstände – der Nachweis seines mangelnden groben Verschuldens nicht gelungen ist. Auf die in der Berufung der Klägerin behaupteten Feststellungsmängel, auf die das Berufungsgericht – ausgehend von seiner Rechtsansicht – nicht einging, kommt es daher nicht an, weil bereits auf der Grundlage des festgestellten, in der Berufungsbeantwortung nicht bestrittenen Sachverhaltes das grobe Verschulden des Beklagten zu bejahen ist. Der Revision war daher Folge zu geben.
Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Berufungsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 43 Abs 1 und 50 ZPO:
Für den Schriftsatz vom 13.03.2002 gebühren der Klägerin lediglich 30 % der verzeichneten Kosten. Sie nahm trotz Zahlung sämtlicher Rückstände am 04.09.2001 die Einschränkung um das Zahlungsbegehren erst am 09.04.2002 vor.
Leitsätze
-
Wirksame Mahnung und Aufschlüsselung; grobes Verschulden am Mietzinsrückstand und Einsatz eines Erfüllungsgehilfen
Ist dem Mieter der in einer Mahnung ausgewiesene Rückstand auch sonst – hier vier gleich hohe, offene Mieten – nachvollziehbar, so ist für die Wirksamkeit dieser Mahnung ein Auswerfen der einzelnen Bestandzinsperioden nicht zwingend.Judikatur | Leitsatz | 8 Ob 47/03z | OGH vom 12.06.2003 | Dokument-ID: 377815