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Anna Sophie Dalinger | News | 13.07.2020
Begründet die Errichtung eines Balkons für eine Gründerzeitwohnung ein wichtiges Interesse?
Bloße Zweckmäßigkeitserwägungen und eine Steigerung des Wohnwerts einer Wohnung reichen für die Annahme eines wichtigen Interesses iSd § 16 Abs 2 WEG 2002 in der Regel nicht aus.
Geschäftszahl
OGH 08.04.2020, 5 Ob 44/20m
Norm
§ 16 WEG 2002
Leitsatz
Quintessenz:
Bloße Zweckmäßigkeitserwägungen und eine Steigerung des Wohnwerts einer Wohnung reichen für die Annahme eines wichtigen Interesses iSd § 16 Abs 2 WEG 2002 in der Regel nicht aus.
OGH: § 16 Abs 2 WEG 2002 regelt die Einschränkungen, die hinsichtlich des Änderungsrechts des Wohnungseigentümers an seinem Wohnungseigentumsobjekt gelten. Wenn für eine solche Änderung auch allgemeine Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen werden, muss die Änderung nach § 16 Abs 2 Z 2 WEG 2002 entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen.
Im gegenständlichen Fall hatten die Antragsteller beantragt, die Zustimmung der Antragsgegnerin zur Errichtung von jeweils drei Balkonen zu ersetzen und sie zur Duldung zu verhalten. Sie brachten vor, dass der Balkonbau wichtigen Interessen der Miteigentümer dienen würde, weil erst die Balkone in Anbetracht der Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt eine dem heutigen Standard entsprechende Nutzung der Objekte ermöglichen würde. Außerdem wäre die Errichtung der Balkone jedenfalls verkehrsüblich. Wie bereits zuvor das Erstgericht verneinte auch der OGH das Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs 2 WEG 2002.
Nach der Judikatur des OGH kommt es bei der Beurteilung der Verkehrsüblichkeit einer Änderung nicht auf eine allgemeine, generalisierende Betrachtung einer vom Standort abstrahierten Baupraxis an, sondern darauf, ob die konkret beabsichtigte Änderung in ihrer geplanten Ausgestaltung unter Berücksichtigung der Beschaffenheit des Hauses, des Umfelds, des Ausmaßes des Eingriffs in die Bausubstanz sowie des Ausmaßes der Inanspruchnahme oder Umgestaltung allgemeiner Teile verkehrsüblich ist (RIS-Justiz RS01266244). Für das Vorliegen eines wichtigen Interesses kommt es besonders darauf an, ob die beabsichtigte Änderung dazu dient, dem Wohnungseigentümer eine dem heute üblichen Standard entsprechende Nutzung seines Objekts zu ermöglichen (RS0083341 [T18]; RS0083345 [T16]). Zweckmäßigkeitserwägungen oder eine Steigerung des Verkehrswerts des Objekts genügen hingegen für die Annahme eines wichtigen Interesses in der Regel nicht (RS0083341 [T2; T4]; RS0083345 [T1]; RS0110977).
In diesem Fall hat der OGH ausgesprochen, dass bloße Zweckmäßigkeitserwägungen und eine Steigerung des Wohnwerts einer Wohnung für die Annahme eines wichtigen Interesses in der Regel nicht ausreichen. Entscheidend sei vielmehr, ob ein Wohnungseigentümer ohne Änderung sein Objekt nicht mehr dem heute üblichen Stand entsprechend nutzen kann. Wieso eine Gründerzeitwohnung ohne Balkon „á la longue kaum mehr nutzbar wäre“, wie die Revisionswerber argumentiert hatten, sei demgegenüber nicht nachvollziehbar.