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Judikatur | Entscheidung

3 Ob 138/22y; OGH; 29. September 2022

GZ: 3 Ob 138/22y | Gericht: OGH vom 29.09.2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*, vertreten durch Mag. Roland Reisch, Rechtsanwalt in Kitzbühel, gegen die beklagte Partei T*, vertreten durch Dr. Anke Reisch, Rechtsanwältin in Baden, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 9. Juni 2022, GZ 2 R 4/22k-34, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gem § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

[1] Die Vorinstanzen gaben dem Räumungsbegehren der Klägerin gegen die Beklagte wegen titelloser Benützung nach Ablauf der befristeten Mietverträge über eine Wohnung im ersten Stock und ein Geschäftslokal im Erdgeschoß, jeweils im Gebäude der Klägerin, statt.

Mit ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf:

Rechtliche Beurteilung

[2] 1. Eine – lediglich als solche bezeichnete – Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens macht die Beklagte inhaltlich nicht geltend, wenn sie meint, es fehle „an Verfahrensergebnissen und Feststellungen“ zu der von ihr – erstmals in der außerordentlichen Revision – behaupteten schlüssigen Vereinbarung eines Mietverhältnisses (auch) zu Wohnzwecken für das von ihr angemietete Geschäftslokal. Vorbringen zu einer stillschweigenden Änderung des Vertragszwecks für das Objekt im Erdgeschoß erstattete sie zuvor nicht, sondern sie ging von einer – nicht nachgewiesenen – ursprünglich vereinbarten gemischten Nutzung zu Wohn- und Geschäftszwecken aus.

[3] 2.1 Eine Befristung bei Wohnungsmietverhältnissen ist durchsetzbar, wenn der Vertrag schriftlich errichtet wurde und wenn von vornherein durch Datum oder Fristablauf ein Endtermin bestimmt ist (RS0090569). Gem § 29 Abs 1 Z 3 lit a und b MRG muss schriftlich vereinbart sein, dass der Vertrag durch den Ablauf der bedungenen Zeit erlischt, und die Dauer muss mindestens drei Jahre betragen. Dass diese Voraussetzungen für das Mietverhältnis über die Wohnung im ersten Stock erfüllt sind, zieht auch die Revisionswerberin nicht in Zweifel.

[4] 2.2 Die Beurteilung des Berufungsgerichts, nach der aufgrund der festgestellten wechselseitigen Erklärungen der Parteien von einem bloßen Räumungsaufschub für einen Zeitraum von drei Monaten nach dem Ablauf des Mietvertrags auszugehen sei, und nicht – wie die Beklagte meint – von einer Verlängerung des Mietverhältnisses, ist nicht korrekturbedürftig. Der im Rechtsmittel genannten Entscheidung 1 Ob 508/95 lag ein Fall zugrunde, in dem ein von den Parteien vereinbarter „Räumungsaufschub“ von insgesamt zwei Jahren als unzulässige Umgehung der gesetzlich normierten Befristungsregelungen und daher als unwirksam qualifiziert wurde. Daraus lässt sich für den hier zu beurteilenden, bloßen Aufschub der – vor dem Ablauf der befristeten Mietverhältnisse ausdrücklich geforderten – Räumung jedoch kein Argument gewinnen. Wenn die Beklagte meint, die Klägerin habe ihrerseits diese „Verlängerung“ schriftlich angeboten, so übergeht sie die Feststellungen dazu, dass die Klägerin ihr vor Ablauf der Befristungen erklärte, dass eine Verlängerung der Mietverträge nicht möglich sei, weil das Gebäude abgerissen und die Liegenschaft anderweitig verwendet werde. Die Beklagte selbst teilte der Klägerin mehrmals mit, dass für sie ein leistbarer Ersatz schwierig zu finden sei, und erklärte, sie sei auf der Suche und könne nur deswegen nicht räumen, weil sie noch kein Ersatzobjekt gefunden habe. Eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO wird in diesem Zusammenhang nicht aufgezeigt.

[5] 3.1 Auch die Beurteilung des – rund eineinviertel Jahre nach dem Wohnungsmietvertrag geschlossenen – Mietvertrags über das Objekt im Erdgeschoß desselben Gebäudes als Geschäftsraummiete ist nicht zu beanstanden: Die Beklagte mietete dieses Objekt – im Einvernehmen mit der Klägerin – als „Praxisräume“ zur Ausübung ihres Berufs als Heilmasseurin an, um ihren Weg zum Arbeitsplatz zu verkürzen. Dieser Mietvertrag wurde mit demselben Endtermin begrenzt wie der Wohnungsmietvertrag; damit ergibt sich für dieses Objekt eine Dauer von einem Jahr und sieben Monaten. Eine solche Befristung ist zulässig und wirksam.

[6] 3.2 Der Begriff der Geschäftsräumlichkeit iSd § 1 Abs 1 MRG wird durch den Vertragszweck bestimmt (RS0044863 [T2]; RS0110398 [T8]; RS0066884); daher ist nicht entscheidend, in welcher Art ein Raum nach dem Abschluss des Mietvertrags tatsächlich verwendet wird, sondern maßgeblich ist, zu welchem Zweck er nach der Parteienabsicht bei Vertragsabschluss in Bestand gegeben bzw genommen wurde (vgl RS0066884), oder welcher Zweck von den Parteien später einvernehmlich – allenfalls auch schlüssig – zum Vertragszweck gemacht worden ist (RS0070039; RS0069605). Aus dem Umstand, dass die Beklagte einen der Räume des Geschäftslokals im Erdgeschoß als zusätzlichen Wohnraum verwendete, lässt sich daher keine Änderung des Vertragszwecks ableiten. Eine einvernehmliche Änderung behauptete die Beklagte – wie erwähnt – erstmals in ihrer außerordentlichen Revision; dies ist als unzulässige Neuerung nach § 504 Abs 2 ZPO unbeachtlich (dazu RS0042025 ua).

[7] 4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Leitsätze

  • Befristung: Nachträgliche Anmietung eines Geschäftsraums

    Wird nachträglich zur Wohnung ein weiteres Objekt als „Praxisräume“ zur Ausübung des Berufs angemietet, um den Weg zum Arbeitsplatz zu verkürzen und dieser Mietvertrag mit demselben Endtermin wie bei der Wohnung begrenzt, so ist die daraus erfließende Befristung zulässig und wirksam.
    Albert Scherzer | Judikatur | Leitsatz | 3 Ob 138/22y | OGH vom 29.09.2022 | Dokument-ID: 1128405