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Zu mitvermieteten Balkonen bei einer als behindertengerecht vermieteten Wohnung
Im Falle, dass ein Mietgegenstand ausdrücklich als „behindertengerechte Wohnung“ bezeichnet wird, müssen schon nach allgemeiner Verkehrssitte alle zur Wohnung gehörigen Teile für die körperbehinderte Person frei zugänglich sein.
Geschäftszahl
OGH 14. Oktober 2015, 3 Ob 185/15z
Norm
§1096 ABGB
Leitsatz
Quintessenz:
Im Falle, dass ein Mietgegenstand ausdrücklich als „behindertengerechte Wohnung“ bezeichnet wird, müssen schon nach allgemeiner Verkehrssitte alle zur Wohnung gehörigen Teile für die körperbehinderte Person frei zugänglich sein. Dies gilt nicht, wenn der Mieter in Kenntnis des bestehenden Mangels den Mietvertrag vorbehaltslos geschlossen hat.
OGH: Der Bestandnehmer kann beim Vorliegen nicht gehöriger Vertragserfüllung – hier in Bezug auf die Verschaffung und Erhaltung des bedungenen oder den Umständen nach üblichen Gebrauchs – wahlweise entweder auf der Einhaltung des Vertrages bestehen oder von diesem zurücktreten (§ 1117 ABGB) oder sich (vorläufig) mit einer von Gesetzes wegen eintretenden Zinsminderung bzw -befreiung zufrieden geben.
Um die Frage nach der Mangelhaftigkeit des Mietgegenstandes im Zeitpunkt der Übergabe beantworten zu können, muss die jeweilige Parteienvereinbarung einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Grundsätzlich gilt, dass der Bestandgeber dem Bestandnehmer die ausdrücklich nach dem Vertragszweck oder der Verkehrssitte bedungenen Gebrauch bzw Nutzung ermöglichen muss – im Zweifel wird mittlere Brauchbarkeit geschuldet.
Bei einem ausdrücklich als „behindertengerechte Wohnung“ (was sich im vorliegenden Fall aus der entsprechenden Bezeichnung sowie der darauf gegründeten Statuierung des Ausschlusses des Eintritts- und Fortsetzungsrechts naher Angehöriger im Beiblatt zum Mietvertrag ergeben hat) bezeichneten Mietgegenstand müssen schon nach allgemeiner Verkehrssitte alle zur Wohnung gehörigen Teile für die körperbehinderte Person frei zugänglich sein.
Eine Zinsminderung bzw -befreiung kann nach der Rsp des OGH im Falle, dass der Mieter in Kenntnis des bestehenden Mangels den Mietvertrag vorbehaltslos geschlossen hat, nicht begehrt werden. Es handelt sich hierbei um keinen Gewährleistungsverzicht, vielmehr wird die (teilweise) Unbrauchbarkeit Vertragsinhalt, wenn den Parteien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bewusst war bzw wenn sie akzeptiert haben, dass das Mietobjekt ganz oder teilweise unbrauchbar ist. In der konkreten Konstellation kommt es also darauf an, ob der Mieter trotz der Tatsache, dass die Wohnung als „behindertengerecht“ vermietet wurde, damit einverstanden gewesen ist, dass er bestimmte Teile der Wohnung – zB einen Balkon – nicht selbstständig ohne Hilfe (wegen einer Türschwelle) oder gar nicht (weil die Balkontüren zu schmal sind) benützen kann. Steht fest, dass der Mieter solche Mängel nicht billigend in Kauf nahm (was grundsätzlich anhand jener Gespräche, die dem Vertragsabschluss vorausgegangen sind, ermittelt werden muss), ist der Vermieter – unabhängig davon, ob er die Mängelbehebung vor oder nach dem Vertragsabschluss ausdrücklich zugesichert hat – zur Herstellung eines barrierefreien Zugangs – ua zu den mitvermieteten Balkonen – verpflichtet.
Weitere Leitsätze sowie OGH-Entscheidungen im Volltext finden Sie am Portal unter https://www.weka.at/wohnrecht/Judikatur.