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Eva-Maria Hintringer | News | 12.09.2019

Zur Zulässigkeit der Nutzung einer Wohnung als Tierarztpraxis

Ob eine (eigenmächtige) Widmungsänderung (hier: Nutzung der Wohnung als Tierarztpraxis) vorliegt, ist anhand einer Gegenüberstellung der gültigen Widmung des betreffenden Objekts mit der beabsichtigten Verwendung zu beurteilen.

Geschäftszahl

OGH 13.06.2019, 5 Ob 72/19b

Norm

§ 16 WEG 2002

Leitsatz

Quintessenz:

Ob eine (eigenmächtige) Widmungsänderung (hier: Nutzung der Wohnung als Tierarztpraxis) vorliegt, ist anhand einer Gegenüberstellung der gültigen Widmung des betreffenden Objekts mit der beabsichtigten Verwendung zu beurteilen. Der Inhalt der Widmung ergibt sich aus der Auslegung der privatrechtlichen Einigung der Wohnungseigentümer. Auf den Inhalt des Nutzwertgutachtens ist für die Auslegung der Widmungserklärung nur unter bestimmten Voraussetzungen Bedacht zu nehmen.

OGH: Der Begriff der „Änderungen“ iSd § 16 Abs 2 WEG 2002 ist weit auszulegen und umfasst insbesondere auch die im Gesetz ausdrücklich genannten Widmungsänderungen. Eine Änderung, die eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Wohnungseigentümer mit sich bringen könnte, bedarf der Zustimmung aller Wohnungseigentümer oder einer gerichtlichen Genehmigung. Ob eine (eigenmächtige) Widmungsänderung vorliegt, ergibt sich nach der stRsp aus einem Vergleich der gültigen Widmung des betreffenden Objekts mit der beabsichtigten (tatsächlichen) Verwendung.

Für die Beurteilung der Widmung ist nach stRsp auf die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer und damit in der Regel auf den Wohnungseigentumsvertrag abzustellen. Soweit ein gesetzliches Schriftformgebot besteht, ist eine ergänzende Auslegung von Urkunden nach der Rechtsprechung durch den Formzweck beschränkt. Der Inhalt der privatrechtlichen Einigung über die Widmung eines bestimmten Objekts ist anhand des objektiven Erklärungswerts der Willensäußerung zu ermitteln.

Grundsätzlich kann nach hM bei der Auslegung die Beschreibung des Wohnungseigentumsobjekts oder die Bezeichnung der betreffenden Räume und der daraus resultierende Verwendungszweck in einem Nutzwertgutachten zu berücksichtigen sein, wenn ein Konnex auf die Einbeziehung dieser Umstände in die Widmungsvereinbarung der Mit- und Wohnungseigentümer indiziert ist. Zu berücksichtigen ist der Inhalt des Nutzwertgutachtens etwa dann, wenn es Teil des Wohnungseigentumsvertrags ist und die dortige Widmung die Nutzwertfestsetzung und damit auch die Beitragspflichten der einzelnen Wohnungseigentümer nachhaltig beeinflusst.

Im Anlassfall wurden im Netzwertgutachten zwar Begriffe wie „Wohnung“, „Wohneinheit“ oder „Wohnobjekt“ verwendet, dieses wurde allerdings nicht Bestandteil des Wohnungseigentumsvertrags. In diesem wurde der Begriff „Wohnung“ allerdings vermieden. Vielmehr ist dort von Wohnungseigentumsobjekten, Räumlichkeiten oder Einheiten die Rede. Im Hinblick darauf, dass den Mit- und Wohnungseigentümern auch das Anbringen von Hinweistafeln und Ankündigungseinrichtungen gestattet wurde, wofür bei einer reinen Wohnraumnutzung kaum Bedarf zu erkennen ist, ist es vertretbar, den Vertrag dahingehend auszulegen, dass er eine sehr weite und sämtlichen Wohnungseigentümern gleichermaßen eingeräumte gemischte Nutzung der Objekte sowohl zu Wohn- als auch Geschäftszwecken vorsieht.

Somit liegt in der Bejahung (des Erstgerichts), dass die Nutzung einer im Nutzwertgutachten als Wohnung ausgewiesenen Einheit als Tierarztpraxis zulässig ist, kein grobe Fehlbeurteilung vor, auch dann nicht, wenn es sich um einen Wohnpark handelt. Beim Betrieb der Tierarztpraxis handelt es sich daher um keine eigenmächtige Widmungsänderung.

Darüber hinaus steht es auch im Einklang mit der stRsp, dass die Nutzwertfestsetzung keinen eigenen Rechtsgrund für die Nutzung schafft, sondern die Widmung nur nachzuvollziehen hat. Eine Nutzwertfestsetzung, die von der im Wohnungseigentumsvertrag vereinbarten Nutzung so sehr abweicht, dass sie einen Verzicht der Wohnungseigentümer auf ursprünglich eingeräumte Nutzungsbefugnisse bedeuten würde, wäre bei Auslegung der Widmungserklärung nur dann beachtlich, wenn es noch weitere Anhaltspunkte dafür gäbe, dass eine derartige Beschränkung ernstlich gewollt war.