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Iman Torabia | News | 20.08.2013

Rücktrittsrecht bei Veränderung des Mietvertrags?

Im Fall von Vertragsänderungen steht im Hinblick auf das geringere Schutzbedürfnis des Verbrauchers bei einem bestehenden Vertragsverhältnis das Rücktrittsrecht gemäß § 3 Abs 1 KSchG nur in Ausnahmefällen zu.

Geschäftszahl

OGH 27.06.2013, 8 Ob 130/12v

Norm

§ 3 Abs 1 KschG

Leitsatz

Quintessenz:

Im Fall von Vertragsänderungen steht im Hinblick auf das geringere Schutzbedürfnis des Verbrauchers bei einem bestehenden Vertragsverhältnis das Rücktrittsrecht gemäß § 3 Abs 1 KSchG nur in Ausnahmefällen zu.Es muss sich um solche Erklärungen handeln, die für den Verbraucher von vergleichbarer wirtschaftlicher Tragweite sind wie der Vertragsabschluss selbst.

OGH: Grundsätzlich kann ein Verbraucher vom Vertrag zurücktreten, wenn er seine Vertragserklärung weder in den vom Unternehmer für seine geschäftlichen Zwecke dauernd benützten Räumen noch bei einem von diesem dafür auf einer Messe oder einem Markt benützten Stand abgegeben hat. Zu beachten ist, dass der Rücktritt binnen einer Woche ab Zustandekommen des Vertrags erklärt werden muss. Dies ist dann nicht erforderlich, wenn dem Verbraucher anlässlich der Entgegennahme seiner Vertragserklärung keine schriftliche Belehrung über dieses Rücktrittsrecht ausgefolgt worden wäre.

Das Rücktrittsrecht im Sinne des § 3 Abs 1 KSchG bezweckt den Schutz des Verbrauchers vor Überrumpelung beim Vertragsabschluss durch fragwürdig agierende Unternehmer und ihre Vertreter. Der Verbraucher soll vor Rechtsnachteilen bewahrt werden, die ihm durch die Ausnützung seiner typischerweise schwächeren Position drohen.

In casu ist nicht strittig, dass eine Belehrung über das Rücktrittsrecht nicht ausgefolgt worden ist. Eine das Rücktrittsrecht iSd § 3 Abs 3 Z 1 KSchG ausschließende Anbahnung der Geschäftsbeziehungen durch den Erstkläger liegt nicht vor.

Die Tatsache, dass die Geschäftsführer der Nebenintervenientin zweimal (unaufgefordert) in der Wohnung des Erstklägers erschienen ist, schließt das das Rücktrittsrecht gemäß § 3 Abs 1 KSchG nicht aus.

Die mit dem Maklergesetz BGBl 1996/262 eingeführte Regelung des § 30a KSchG gewährt dem Verbraucher im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Bestandrechts ein zusätzliches Rücktrittsrecht, das im Gegensatz zu jenem des § 3 KSchG unabhängig davon besteht, ob der Verbraucher den geschäftlichen Kontakt selbst angebahnt hat oder ob ihm ein Unternehmer oder ein anderer Verbraucher als (potentieller) Vertragspartner gegenübersteht. Die Schaffung dieser Bestimmung kann als Indiz dafür gewertet werden, dass dem Gesetzgeber gerade der Schutz von Wohnungsmietern vor Überrumpelungen ein besonderes Anliegen ist. Daraus kann geschlossen werden, dass auf Dauerschuldverhältnisse nicht nur § 30a KSchG sondern auch § 3 Abs 1 KSchG anwendbar ist.

Das Tatbestandsmerkmal der „Vertragserklärung“ in § 3 Abs 1 KSchG ist unter Bedachtnahme auf den Gesetzeszweck dahin auszulegen ist, dass es nicht nur den Vertragsabschluss, sondern auch Änderungen oder Aufhebung des Vertrags gerichtete Willenserklärungen umfasst. Im Fall von Vertragsänderungen steht jedoch nach Ansicht des 2. Senats im Hinblick auf das geringere Schutzbedürfnis des Verbrauchers bei einem bestehenden Vertragsverhältnis das Rücktrittsrecht gemäß § 3 Abs 1 KSchG nur in Ausnahmefällen zu. Es muss sich um solche Erklärungen handeln, die für den Verbraucher von vergleichbarer wirtschaftlicher Tragweite sind wie der Vertragsabschluss selbst.

Ausgehend von den Wertungen der §§ 3 und 30a KSchG ist es gerechtfertigt, einem Verbraucher den Schutz des § 3 KSchG auch dann zu gewähren, wenn seine „Vertragserklärung“ auf die Auflösung eines Mietvertrags über eine Wohnung gerichtet ist und alle sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen.

Vertragserklärungen, die die Miete einer Wohnung betreffen, sind in der Regel von großer wirtschaftlicher Tragweite für den Verbraucher. In casu zeigt sich dies schon darin, dass die Vertreter der Nebenintervenientin den Erstkläger nicht etwa zu einer bloßen Änderung der Mietzinsvereinbarung veranlasst haben, sondern zur Auflösung seines bisherigen und zum Abschluss eines neuen Mietvertrags. Beide Erklärungen rechtfertigen daher für sich allein genommen in jedem Fall das Rücktrittsrecht gemäß § 3 Abs 1 KSchG.

Das Rücktrittsrecht des Erstklägers ist nicht erloschen. Die Sonderregelung des § 3 Abs 1 letzter Satz KSchG idF des ZivRÄG 2004, BGBl I 2003/91, wonach das Rücktrittsrecht bei Versicherungsverträgen spätestens einen Monat nach Zustandekommen des Vertrags erlischt, ist auf andere Dauerschuldverhältnisse als Versicherungsverträge nicht anzuwenden.

Da dem Erstkläger eine Belehrung über das Rücktrittsrecht von der Nebenintervenientin nicht ausgefolgt wurde, war sein Rücktritt daher unbefristet möglich, sodass die Rücktrittserklärungen des Beklagten gemäß § 3 KSchG wirksam sind.

Für den Fall, dass der Vermieter die Liegenschaft veräußert, bewirkt dies nach § 1120 ABGB iVm § 2 Abs 1 MRG eine gesetzliche Vertragsübernahme auf Vermieterseite. Der Inhalt des Schuldverhältnisses wird dadurch nicht geändert. Der Erwerber einer Liegenschaft hat die gleichen Rechte und Pflichten gegenüber dem Bestandnehmer wie sein Rechtsvorgänger.

Die Tatsache, dass der Beklagte gemäß § 2 Abs 1 MRG nach dem Erwerb des Hauses in die Rechtsposition des Vermieters eingetreten ist, wurde in casu nicht infrage gestellt. Damit hat der Beklagte aber auch die Wirksamkeit der - nicht nur ihm, sondern auch der Nebenintervenientin gegenüber abgegebenen - Rücktrittserklärungen des Erstklägers gemäß § 3 KSchG, die die davon betroffenen Verträge rückwirkend beseitigten, gegen sich gelten zu lassen. Zutreffend haben die Vorinstanzen vor diesem Hintergrund die Passivlegitimation des Beklagten bejaht.

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