Ihre Suche nach gerichtlicher lieferte 930 Ergebnisse.

Dokument-ID: 1098488

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 181/20h; OGH; 20. April 2021

GZ: 5 Ob 181/20h | Gericht: OGH vom 20.04.2021

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers Mag. C***** G*****, vertreten durch die Scheer Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Dr. N***** G*****, 2. R***** K*****, 3. D***** R*****, 4. W***** GmbH, *****, 5. A***** N*****, 6. S***** W*****, die Zweit-, Dritt- und Viertantragsgegner vertreten durch Dr. Manfred C. Müllauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 52 Abs 1 Z 4 und 5 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. April 2020, GZ 39 R 67/20x-18, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

[1] Die Parteien sind die Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft.

[2] Mit den Anteilen des Antragstellers ist Wohnungseigentum an einer Wohnung und an zwei Kfz-Abstellplätzen verbunden. Er hat diese Wohnungseigentumsobjekte direkt von der Bauträgerin erworben. Er führt ein Verfahren gegen die Bauträgerin, in dem er wegen behaupteter Mängel an seinen Wohnungseigentumsobjekten und an allgemeinen Teilen des Hauses primär die Rückabwicklung seines Kaufvertrags (Wandlung), in eventu Preisminderung, in eventu das Deckungskapital für die beabsichtigte Mängelbehebung begehrt.

[3] Gegenstand des Verfahrens ist die Anfechtung eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft, wonach bestimmte Sanierungsmaßnahmen, die der in dem Prozess zwischen dem Antragsteller und der Bauträgerin bestellte Sachverständige empfohlen hat, auf Kosten der Bauträgerin durchgeführt werden.

[4] Das Erstgericht wies den Antrag, diesen Beschluss der Eigentümergemeinschaft für rechtsunwirksam zu erklären, ab.

[5] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf; dieser ist daher unzulässig und zurückzuweisen.

[7] 1.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind einzelne Wohnungseigentümer legitimiert, jene Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche, die aus ihren Verträgen mit dem Bauträger herrühren, auch dann selbst geltend zu machen, wenn die behaupteten Mängel (auch) allgemeine Teile des Hauses betreffen. Der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer bedarf es grundsätzlich nicht. Wenn und soweit das Vorgehen des einzelnen Eigentümers Gemeinschaftsinteressen beeinträchtigen könnte, ist allerdings ein Beschluss der Mehrheit der Gemeinschaftsmitglieder oder eine diesen Mehrheitsbeschluss substituierende Entscheidung des Außerstreitrichters erforderlich (5 Ob 40/19x mwN).

[8] 1.2. Wenn der für die Sachlegitimation des einzelnen Wohnungseigentümers erforderliche Mehrheitsbeschluss nicht zustande kommt, bejaht die Rechtsprechung in zumindest analoger Anwendung des § 30 Abs 1 Z 1 WEG die Möglichkeit, einen diesen substituierenden Beschluss des Außerstreitgerichts zu erwirken. Damit steht es dem einzelnen Wohnungseigentümer offen, in einem Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 3 WEG sein Vorgehen zur Durchsetzung von Individualrechten im Sinn der dargestellten Rechtsprechung genehmigen (und die geforderte Abstimmung mit den damit allenfalls kollidierenden Gemeinschaftsinteressen ersetzen) zu lassen (5 Ob 40/18w).

[9] 1.3. Einen solchen Antrag auf eine substituierende Entscheidung des Außerstreitrichters hat der Antragsteller im Hinblick auf die von ihm gegenüber der Bauträgerin geltend gemachten Mängel an den allgemeinen Teilen der Liegenschaft gestellt. Dieses Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 3 WEG ist Gegenstand der Entscheidung zu 5 Ob 243/20a (vgl zum ersten Rechtsgang 5 Ob 40/18w).

[10] 2.1. Gegenstand dieses Verfahrens ist der – in Bezug auf die Einleitung des genannten Verfahrens nach § 52 Abs 1 Z 3 WEG nachträglich gefasste – Beschluss der Eigentümergemeinschaft, einzelne der vom Antragsteller in dem Prozess gegen die Bauträgerin geltend gemachten Mängel an allgemeinen Teilen sanieren zu lassen; dies auf Kosten der Bauträgerin.

[11] 2.2. Die in den Beschluss aufgenommene, unstrittig auf der entsprechenden Zusage der Bauträgerin beruhende Kostentragungsregel ändert nichts daran, dass Gegenstand der Beschlussfassung der Eigentümergemeinschaft grundsätzlich eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG ist. Auch die erstmalige Herstellung eines mangelfreien Zustands zählt zur Erhaltung (5 Ob 23/15s mwN).

[12] 2.3. Nach dem – dafür allein maßgeblichen (RIS-Justiz RS0130029) – Wortlaut des Beschlusses und dem aus diesem ersichtlichen Zweck der Beschlussfassung dient dieser primär nicht der Abstimmung der gerichtlichen Durchsetzung vertraglicher Ansprüche der einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer gegenüber der Bauträgerin. Die vom Antragsteller in seinem Revisionsrekurs, insbesondere zur Begründung seiner Zulässigkeit aufgeworfene Frage der Auswirkungen des bereits anhängigen Außerstreitverfahrens zur Erlangung einer substituierenden Entscheidung des Außerstreitgerichts gemäß § 30 Abs 1 Z 1 WEG auf die diesbezügliche Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft stellt sich somit nicht. Die Beantwortung abstrakter Rechtsfragen ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs (RS0111271).

[13] 3.1. Die Eigentümergemeinschaft ist, solange keine Bindung an anderslautende gerichtliche Entscheidungen besteht, jederzeit befugt, in solchen Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung wie eben der Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft tätig zu werden (§ 18 Abs 1 WEG). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass solche Maßnahmen der Eigentümergemeinschaft sich materiell-rechtlich auf die Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer aus ihren Verträgen mit dem Bauträger auswirken können. Diese Reflexwirkung ist vielmehr Folge der mit der Begründung von Wohnungseigentum verbundenen Aufgabe der alleinigen Verfügungsmacht über die allgemeinen Teile der Liegenschaft.

[14] 3.2. Auch die Frage, ob die von der Eigentümergemeinschaft beschlossene Sanierung im Hinblick auf deren faktische Auswirkung auf die gerichtliche Geltendmachung der vertraglichen Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche der einzelnen Wohnungseigentümer ausnahmsweise nicht als ordentliche, sondern als außerordentliche Verwaltungsangelegenheit anzusehen ist (vgl RS0118794), bedarf keiner Klärung. Der Unterschied wäre im hier gegebenen Zusammenhang nur darin gelegen, dass eine außerordentliche Verwaltungsmaßnahme nach § 29 WEG auch inhaltlich anfechtbar und zu prüfen wäre. Der Antragsteller ist auf sein Vorbringen zu dem möglichen inhaltlichen Anfechtungsgrund der übermäßigen Beeinträchtigung schon in seinem Rekurs nicht mehr zurückgekommen (RS0043480, RS0043573).

[15] 4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Leitsätze

  • Baumängel: Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche einzelner Wohnungseigentümer

    Einzelne Wohnungseigentümer sind legitimiert, jene Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche, die aus ihren Verträgen mit dem Bauträger herrühren, auch dann selbst geltend zu machen, wenn die behaupteten Mängel (auch) allgemeine Teile des Hauses betreffen. Der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer bedarf es grundsätzlich nicht.
    Stanislava Doganova | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 181/20h | OGH vom 20.04.2021 | Dokument-ID: 1098395