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Dokument-ID: 009460

Judikatur | Entscheidung

1 Ob 137/09t; OGH; 13. Oktober 2009

GZ: 1 Ob 137/09t | Gericht: OGH vom 13.10.2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte Univ.–Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N***** AG, *****, vertreten durch Mag. Guido Zorn, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach Haralda C*****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Mag. Peter Michael Wolf, Rechtsanwalt in Mödling, wegen EUR 44.751,74 sA und Räumung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 17. März 2009, GZ 40 R 230/08g–31, mit dem das Teilurteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 29. April 2008, GZ 42 C 590/06m–25, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass das Teilurteil des Erstgerichts, das in seinem klagsstattgebenden Teil als unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist, zur Gänze wiederhergestellt wird.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Entscheidungsgründe

Der Ehemann der vormaligen (während des Verfahrens verstorbenen) Beklagten mietete 1965 das Geschäftslokal top 4, in dem ein Autohaus betrieben wurde. Nach dem Tod des Hauptmieters im Jänner 1996 führte seine Ehefrau das Unternehmen weiter. Im Jahr 1997 teilte sie im Zusammenhang mit der beabsichtigten und später realisierten Anmietung des Geschäftslokals top 3a, das mit dem bereits vermieteten Objekt zusammengelegt werden sollte, dem Leiter der Liegenschaftsabteilung der Klägerin mit, dass ihr Mann verstorben war. Bereits 1996 hatte sie den Außendienstmitarbeiter der Klägerin, der ständig im Autohaus Versicherungsverträge mit Kunden des Mieters abschloss, vom Tod ihres Mannes informiert. Diese Information war nur an die im Versicherungsbereich tätigen Mitarbeiter der Klägerin, nicht aber an die Liegenschaftsabteilung weitergeleitet worden. In dem mit der Ehefrau des verstorbenen Hauptmieters über das an das Autohaus angrenzende Geschäftslokal top 3a geschlossenen Mietvertrag stimmte die Vermieterin der – letztlich nicht realisierten – Zusammenlegung der beiden Geschäftslokale zu. Der Leiter der Liegenschaftsabteilung leitete die ihm zugekommene Information über den Tod des Hauptmieters nicht an jene ImmobilienverwaltungsGmbH (GmbH) weiter, welche die Klägerin nur mit der Vorschreibung der Mietzinse und der Berechnung der Betriebskosten, nicht aber mit der Vornahme sonstiger, der Liegenschaftsabteilung zustehenden Verwaltungsmaßnahmen beauftragt hatte. Der Mietzins für das Autohaus (top 4) wurde weiterhin dem verstorbenen Hauptmieter vorgeschrieben. Der damalige Rechtsvertreter der Beklagten wies die GmbH in seinem Schreiben vom 20.07.2006 darauf hin, dass die Mietrechte nach dem Tod des bisherigen Hauptmieters 1996 auf die Beklagte übergegangen seien. Die GmbH teilte der Beklagten mit Schreiben vom 23.11.2006 mit, dass ab 01.01.2007 der um 11/15tel erhöhte Hauptmietzins („Fünfzehntel–Anhebung“ nach § 46a Abs 2 MRG) vorgeschrieben werde. Noch vor diesem „Anhebungsschreiben“ brachte die Klägerin am 18.09.2006 eine Mietzins– und Räumungsklage für beide Bestandobjekte ein. Dabei ging sie beim Bestandobjekt top 4 unter Berücksichtigung des seit dem Tod des Hauptmieters verstrichenen Zeitraums von einer berechtigten Anhebung auf 11/15tel des angemessenen Hauptmietzinses aus.

Im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof ist primär zu klären, ob die in § 12a Abs 2 Satz 1 MRG geregelte sechsmonatige Präklusivfrist für das Anhebungsrecht des Vermieters bei Unternehmensveräußerung auch für den hier vorliegenden Fall der „Fünfzehntel–Anhebung“ nach § 46a Abs 2 MRG gilt und das Anhebungsrecht der klagenden Vermieterin verfristet ist.

Das Erstgericht nahm eine Präklusion an. Es verpflichtete in seinem Teilurteil die Beklagte zur Zahlung eines Mietzinsrückstands von EUR 1.272,39 sA (top 3a) und EUR 51,44 sA (top 4), wies das Mehrbegehren von EUR 43.427,91 sowie ein Zinsenmehrbegehren ab und behielt sich die Entscheidung über das Räumungsbegehren und die Kosten vor.

Das von der Klägerin angerufene Berufungsgericht hob das Teilurteil in seinem abweisenden Teil auf, trug dem Erstgericht in diesem Umfang die Fällung einer neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung (Feststellung des strittigen, angemessenen Hauptmietzinses) auf und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu. Es verneinte eine analoge Anwendung der Präklusivfrist. Die im November 2006 begehrte Mietzinsanhebung sei im Sinn des § 46b MRG ab dem Beginn des nächsten Jahres, also ab Jänner 2007 berechtigt. Mangels Präklusion und aufgrund der gesetzlich vorgesehenen Anhebung in 1/15tel–Schritten seien auch bei späterer Geltendmachung die bereits verstrichenen Jahre bei der „Fünfzehntel–Anhebung“ zu berücksichtigen. Die Anhebung auf 11/15tel ab 2007 sei damit wirksam.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Beklagten ist zulässig und berechtigt.

§ 12a Abs 1 Satz 2 MRG sieht im Fall der Veräußerung eines im Mietgegenstand betriebenen Unternehmens die Verpflichtung vor, diese Veräußerung dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen. § 12a Abs 2 MRG berechtigt den Vermieter, innerhalb einer Präklusivfrist von sechs Monaten nach Anzeige der Unternehmensveräußerung den Hauptmietzins bis zu dem nach § 16 Abs 1 zulässigen Betrag anzuheben.

Der – hier relevante – § 46a Abs 2 MRG regelt die „Fünfzehntel–Anhebung“ bei Tod des Geschäftsraummieters und Fortführung des Unternehmens durch dessen Rechtsnachfolger im Fall eines am 01.03.1994 bestehenden Hauptmietvertrags. Der Vermieter ist ab dem auf den Todesfall folgenden 01.01. zur schrittweisen Anhebung des bisherigen Hauptmietzinses bis zu dem nach § 16 Abs 1 MRG zulässigen Betrag innerhalb von 15 Jahren in der Weise berechtigt, dass der Hauptmietzins für jedes Kalenderjahr nach dem Todestag um jeweils 1/15tel des bis zum angemessenen Hauptmietzins nach § 16 Abs 1 MRG fehlenden Betrags angehoben wird. Diese Form der Anhebung schreibt § 12a Abs 4 MRG auch im Fall der Unternehmensveräußerung an einen (zum Zeitpunkt des Eintritts) fiktiven gesetzlichen Erben vor. Weitere in § 46a MRG geregelte Fälle der „Fünfzehntel–Anhebung“ sind die Verpachtung des in den Geschäftsräumlichkeiten betriebenen Unternehmens vor dem 01.03.1994 (Abs 3), ein „Machtwechsel“ im Sinn des § 12a Abs 3 MRG bei vor dem 01.01.1968 durch unter anderem juristische Personen als Hauptmieter gemieteten Geschäftsräumlichkeiten (Abs 4), und die Sanierung „gespaltener Schuldverhältnisse“ bei Unternehmensveräußerungen vor dem 01.01.1982 durch Anerkennung des Erwerbers des Unternehmens als neuen Hauptmieter (Abs 5).

§ 46a MRG enthält – anders als § 12a Abs 2 MRG – keine ausdrückliche Anordnung, dass dieses Anhebungsrecht des Vermieters bei sonstigem Rechtsverlust innerhalb einer bestimmten Frist geltend zu machen ist. Ebensowenig ist eine Verpflichtung des neuen Hauptmieters vorgesehen, dem Vermieter die für den Eintritt in das Mietverhältnis und das Anhebungsrecht relevanten Umstände (hier: Tod des bisherigen Hauptmieters) anzuzeigen.

Der Oberste Gerichtshof hat in 5 Ob 148/99x (RIS–Justiz RS 0112443) eine analoge Anwendung der Präklusionsregelung des § 12a Abs 2 MRG auf die „Fünfzehntel–Anhebung“ nach § 46a Abs 5 MRG verneint. Ziel dieser Bestimmung sei die Beseitigung der aus der Zeit vor dem MRG zustandegekommenen gespaltenen Mietverhältnisse gewesen. Den Vermietern sollte „als Prämie“ für die Anerkennung des Betreibers des im Mietobjekt situierten Unternehmens als Hauptmieter die Möglichkeit einer stufenweisen Anhebung des Mietzinses gewährt werden. Mit diesen Besonderheiten der Mietzinsanhebung nach § 46a Abs 5 MRG lasse sich eine – noch dazu relativ kurze – Befristung des Mietzinsanhebungsrechts nur schlecht vereinbaren. Die analoge Anwendung der genannten Präklusionsregelung auf den Anhebungstatbestand des § 46 Abs 2 MRG (Eintritt „nicht privilegierter“ Eintrittsberechtigter in einen am 01.03.1994 bestehenden Hauptmietvertrag über eine Wohnung) hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 176/06b mangels Vergleichbarkeit der in Betracht kommenden Regelungen abgelehnt.

Ein anderes Ergebnis erzielte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 5 Ob 234/04d, bezogen auf den Anhebungstatbestand nach § 46a Abs 4 MRG. Zwar ordne § 46a MRG im Gegensatz zu § 12a MRG keine ausdrückliche Anzeigepflicht des Mieters an, die vollkommen vergleichbare Interessenlage spreche aber für die analoge Anwendung der Anzeigepflicht und der Präklusivfrist des § 12a MRG.

T. Hausmann (in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 46a MRG Rz 7a) und Würth (in Rummel³ § 46a MRG Rz 4) treten für eine analoge Anwendung der Präklusionsregelung des § 12a Abs 2 MRG auf die Anhebungstatbestände des § 46a Abs 2 bis 4 MRG ein.

Der erkennende Senat teilt für den hier zu beurteilenden Anhebungstatbestand des § 46a Abs 2 MRG diese Auffassung:

Die – auf alle Fälle des § 46a MRG bezogene – fehlende Anordnung einer Anzeigepflicht spricht nicht gegen dieses Ergebnis: Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 2 Ob 360/97y (= wobl 2000/86 [zust Werkusch]) eine aus dem Bestandvertrag abgeleitete Verpflichtung des Erben angenommen, den Vermieter über den Tod des bisherigen Hauptmieters einer Wohnung zu informieren. Diese Anzeigepflicht hat genauso für die in § 46a Abs 2 MRG geregelte Rechtsnachfolge bei Tod eines Geschäftsraummieters zu gelten (T. Hausmann aaO,Rz 7).

Ein für die analoge Anwendung der Präklusivfrist sprechender Punkt ist die Regelung des § 12a Abs 4 MRG über die „Fünfzehntel-Anhebung“ bei Veräußerung an den fiktiven gesetzlichen Erben. Dieses Erbenprivileg wurde unter anderem geschaffen, um eine Wertungsharmonie mit § 46a Abs 2 MRG zu erzielen und aufgrund des häufig berechtigten Interesses nach antizipierter Erbfolge im Wege von Unternehmensübertragung unter Lebenden ebenfalls nur eine „Fünfzehntel-Anhebung“ zuzulassen (A. Vonkilch in Hausmann/Vonkilch aaO,§ 12a MRG Rz 83). Für den Fall der Unternehmensveräußerung (und dazu gehört eben auch die Veräußerung eines Unternehmens an einen präsumptiven gesetzlichen Erben) sehen § 12a Abs 1 und Abs 2 MRG ausdrücklich eine Anzeigepflicht und eine sechsmonatige Präklusivfrist für das Anhebungsbegehren vor. Das in Lehre und Judikatur (T. Hausmann aaO,Rz 7a; 5 Ob 234/04d) herangezogene Argument der vergleichbaren Interessenlage zieht genauso im Verhältnis zwischen der antizipierten Rechtsnachfolge (§ 12a Abs 4 MRG) und der Rechtsnachfolge nach Tod des Geschäftsraummieters ab dem 01.03.1994 (§ 46a Abs 2 MRG). In beiden Fällen dienen sowohl die Anzeige als auch die innerhalb einer sechsmonatigen Frist vorzunehmende Reaktion des Vermieters dazu, klare Verhältnisse zu schaffen. Der Vermieter wird darüber informiert, wer das Unternehmen fortführt und damit sein Vertragspartner als Hauptmieter ist. Dem Unternehmer und Rechtsnachfolger seinerseits stehen relativ kurzfristig Informationen zur Verfügung, welchen (zukünftigen) Hauptmietzins er seiner wirtschaftlichen Kalkulation zugrundezulegen hat, wenn der Vermieter von seinem Anhebungsrecht Gebrauch macht.

§ 46b Satz 1 MRG spricht ebenfalls nicht gegen eine analoge Anwendung der Präklusivfrist des § 12a Abs 2 MRG. § 46b MRG regelt grundsätzlich die formellen Voraussetzungen, welche bei einer Anhebung des Mietzinses nach den §§ 46, 46a MRG einzuhalten sind (T. Hausmann aaO,§ 46b MRG Rz 1). Der Vermieter muss nach Satz 1 dem Hauptmieter spätestens einen Monat vor dem Zinstermin, zu dem er die Entrichtung des angehobenen Mietzinses fordert, sein Anhebungsbegehren schriftlich bekannt geben; im Fall einer schrittweisen Anhebung nach unter anderem § 46a Abs 2 MRG bewirkt ein verspätetes Anhebungsbegehren aber nicht den Verlust des Anhebungsrechts für das gesamte Kalenderjahr. Das bedeutet, dass bei der jährlichen Anhebung um 1/15tel das Schreiben dem Mieter spätestens am 30.11. zugehen muss, um für den nachfolgenden Jahresersten wirksam zu sein (T. Hausmann aaO,Rz 4). Diese Norm regelt die Fälligkeit des angehobenen Mietzinses für das jeweilige Kalenderjahr (vgl Böhm/Schuster in Schwimannn ABGB² IV § 46b MRG Rz 6). Die Regelung über den nicht eintretenden Verlust des Anhebungsrechts für das jeweilige Kalenderjahr sagt aber nichts darüber aus, dass die erstmalige Anhebung nicht innerhalb einer sechsmonatigen Frist ab der Anzeige vom Tod des bisherigen Hauptmieters einer Geschäftsräumlichkeit zu erfolgen hätte.

Im konkreten Fall begann die analog anzuwendende sechsmonatige Präklusivfrist mit der 1997 erfolgten Mitteilung an den Leiter der Liegenschaftsabteilung der Klägerin zu laufen. Dass diese formfreie (Auer/Böhm in Schwimann aaO,§ 12a MRG Rz 50) Anzeige vom Tod des bisherigen Hauptmieters durch die Mitteilung an den Leiter der Liegenschaftsabteilung der Vermieterin zugegangen ist, bezweifelt die Klägerin selbst nicht mehr.

Die erst im Jahr 2006 geltend gemachte „Fünfzehntel–Anhebung“ ist somit aufgrund der analog anzuwendenden Präklusivfrist des § 12a Abs 2 MRG verfristet. Die Frage, ob die Klägerin berechtigt wäre, den Hauptmietzins unter Berücksichtigung des bereits verstrichenen Zeitraums sofort erstmalig auf 11/15tel anzuheben, ist bei diesem Ergebnis nicht zu beantworten. Die Höhe des Mietzinsrückstands ist in dritter Instanz nicht mehr strittig, weshalb das Teilurteil des Erstgerichts wiederherzustellen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Leitsätze