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Dokument-ID: 009517

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 120/09x; OGH; 1. September 2009

GZ: 5 Ob 120/09x | Gericht: OGH vom 01.09.2009

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Roch und Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Emmerich M*****, vertreten durch Dr. Gerhard Steiner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M***** M*****, vertreten durch Dr. Wenzel Drögsler, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 12.099,29 sA (Revisionsstreitwert: EUR 5.052,22), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 7. Oktober 2008, GZ 40 R 18/08f–101, womit infolge Berufung der klagenden und beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 17. August 2007, GZ 17 C 967/95p–90, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der klagenden Partei wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden teilweise dahin abgeändert, dass sie in Punkt 1 zu lauten haben:

„Die Klagsforderung besteht mit EUR 3.967,67 zu Recht.“

Im Übrigen werden die Urteile der Vorinstanzen und die entsprechenden Kostenentscheidungen bestätigt.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 250,77 bestimmten anteiligen Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 41,79 USt) abzüglich anteiliger Pauschalgebühr von EUR 106,–, somit insgesamt EUR 61,18 zu ersetzen.

Entscheidungsgründe

Der Beklagte war in der Zeit vom 29.07.1990 bis 31.03.2005 Mieter einer Wohnung im Haus ***** in *****, das zunächst im Alleineigentum des Klägers stand; ab 1994 bestand an der gemieteten Wohnung Wohnungseigentum des Klägers.

Zuletzt begehrte der Kläger vom Beklagten den Betrag von EUR 18.094,29 für rückständige Mietzinse im Zeitraum 02.09.1992 bis 02.04.1998 mit der Behauptung, der Beklagte habe durch Minderzahlungen die bestehenden Mietzinsverbindlichkeiten nicht erfüllt. Darüber hinaus hätte er in der Zeit von 01.01.1994 bis 31.12.1996 aufgrund einer rechtskräftigen Schlichtungsstellenentscheidung einen erhöhten Hauptmietzins zu zahlen gehabt. Dieser Verpflichtung sei der Beklagte nicht nachgekommen.

Der Beklagte wendete insgesamt einen Betrag von EUR 6.843,14 als Gegenforderung ein, welcher Betrag sich ausschließlich aus titulierten Rückforderungsansprüchen des Beklagten gegen den Kläger zusammensetzt.

Überdies wendete der Beklagte ein, es bestehe kein Zinsrückstand, im Zeitraum 01.01.1994 bis 31.10.1996 sei er nicht zur Zahlung von nach § 18a MRG festgesetzten vorläufigen Mietzinserhöhungen verpflichtet gewesen, weil ihm diese Entscheidung niemals zugestellt worden sei.

Weiters wendete der Beklagte die Verjährung von Mietzinsforderungen für September 1992 sowie für Juli 1997 bis April 1998 von jeweils EUR 109,01 ein.

Weitere Einwendungen des Beklagten sind nicht mehr verfahrensgegenständlich.

Das Erstgericht stellte den Bestand der Klagsforderung mit EUR 2.768,67 fest, die Aufrechenbarkeit mit Gegenforderungen über insgesamt EUR 6.843,14 und wies das gesamte Klagebegehren ab.

Während die Entscheidung über die endgültige Erhöhung der Hauptmietzinse vom 11.09.1996, Schli 1/95/768, in Rechtskraft erwachsen sei, womit der vom Beklagten zu entrichtende Hauptmietzins für den Zeitraum 01.11.1996 bis April 1998 mit ATS 2.419,56 feststünde, sei der Einwand des Beklagten, die Entscheidung nach § 18a Abs 1 MRG vom 27.10.1993 zu Schli 1/92 sei ihm niemals zugekommen, weshalb er zur Zahlung des vorläufig erhöhten Hauptmietzinses nicht verpflichtet sei, zutreffend. Die Entscheidung sei ausschließlich dem (von ihm nicht bevollmächtigten) Vertreter der Mietervereinigung zugegangen und weder im Haus angeschlagen noch an einen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten zugestellt worden. Der Beklagte schulde daher den mit dieser Entscheidung erhöhten Hauptmietzins nicht.

Das Erstgericht vertrat die Ansicht, dass die Mietzinsforderungen des Klägers für September 1992 sowie für Juli 1997 bis April 1998 verjährt seien. Diese seien erstmals im Verfahren am 12.02.2001 geltend gemacht worden, somit nach Verstreichen der dreijährigen Verjährungsfrist.

Das Erstgericht ermittelte daher für den Zeitraum Oktober 1992 bis Juni 1997 eine Gesamtforderung des Klägers in Höhe von EUR 10.704,49 sA, wovon Zahlungen des Beklagten von September 1992 bis April 1998 von EUR 7.412,62 abzuziehen seien, weiters ein Betrag von EUR 523,20 aus dem Titel Mietzinsminderung für 30 Monate wegen Unbrauchbarkeit der mitvermieteten Einrichtungsgegenstände, woraus sich insgesamt ein Betrag von EUR 2.768,67 ergab. Die eingewendeten Gegenforderungen stünden aufgrund der rechtskräftigen Zahlungstitel fest.

Der Kläger hatte eine Verzinsung des ausstehenden Klagsbetrags von insgesamt 8,26 % pA begehrt und behauptet, selbst Verbindlichkeiten zu diesem Zinssatz aufgenommen zu haben.

Das Erstgericht traf dazu eine Negativfeststellung des Inhalts, dass der begehrte Zinssatz der Höhe nach nicht festgestellt habe werde können.

Einer gegen dieses Urteil erhobenen Berufung gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Es teilte zunächst die Ansicht des Erstgerichts hinsichtlich der Verjährung der Mietzinsforderungen der dargestellten Monate. Entgegen der Behauptung des Klägers habe das Erstgericht konkrete Zahlungswidmungen für die fraglichen Monate festgestellt. Das Zahlungsbegehren für die betreffenden Monate sei daher verjährt.

Wenn auch ein Mietzinserhöhungsverfahren nach § 18 MRG einschließlich einer Grundsatzentscheidung und einer vorläufigen Erhöhung nach der Rechtsprechung einheitlich sei, sei doch die Frage der Zulässigkeit jeweils getätigter Mietzinsvorschreibungen getrennt zu prüfen. Das Berufungsgericht teilte die Ansicht des Erstgerichts, dass für Erhöhungszeiträume, hinsichtlich derer einem Mieter keine Zustellung zuzurechnen sei, das Verlangen nach erhöhten Mietzinsen nicht gerechtfertigt sei.

Mit einer Beweisrüge hinsichtlich der vom Kläger verlangten Verzugszinsen setzte sich das Berufungsgericht mit dem Argument nicht auseinander, es komme ohnedies nicht zu einem Zuspruch von Zinsen an den Kläger, weil durch Gegenforderungen die Klagsforderung vernichtet werde. Die bekämpfte Entscheidung über die Nichtfeststellbarkeit der Zinsenhöhe sei daher nicht entscheidungserheblich.

Das Berufungsgericht erklärte über nachträglichen Zulassungsantrag die ordentliche Revision für zulässig, weil zur Frage der Nichtüberprüfbarkeit von Zwischenentscheidungen bei Vorliegen einer rechtskräftigen Endentscheidung nach § 18 MRG keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege, die die Frage der jeweiligen Mietzinsbildung kläre.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinn eines weiteren Zuspruchs von EUR 3.853,22 und EUR 1.119,– zuzüglich jeweils 7,49 % Zinsen pA. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag an das Berufungsgericht, in eventu das Erstgericht gestellt.

Der Beklagte beantragte, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht bezeichneten Grund sowie wegen einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung in der Verjährungsfrage teilweise berechtigt.

Nicht berechtigt sind die Ausführungen der Revision allerdings insoweit, als aus der Entscheidung 5 Ob 119/02i des erkennenden Senats die Aussage entnommen wird, die Rechtskraft einer Endentscheidung im Verfahren nach §§ 18 ff MRG führe zu einer Heilung von Zustellungsmängeln in vorangegangenen Zwischenentscheidungen nach § 18a MRG.

Solche Zwischenentscheidungen über die vorläufige Erhöhung sind nur provisorisch und bilden keine bindende Vorgabe für die Endentscheidung (vgl RIS–Justiz RS 0070476; RS 0114681 [5 Ob 12/01b]; RS 0070004 [T4]; 5 Ob 144/94; RS 0070025; 5 Ob 13/04d; 5 Ob 12/01b; RS 0117153; RS 0117154). Aus der von der Revision zitierten Entscheidung 5 Ob 119/02i ergibt sich gerade, dass nach Rechtskraft einer Endentscheidung im Verfahren nach §§ 18 ff MRG das einheitliche Verfahren über die Zulässigkeit der Anhebung des Hauptmietzinses beendet und es nicht mehr möglich ist, die Richtigkeit von Zwischenentscheidungen zu überprüfen. Eine Zwischenentscheidung ist aber grundsätzlich selbstständig anfechtbar, solange die Entscheidung nach § 18 MRG über die Zulässigkeit der Erhöhung des Hauptmietzinses nicht in Rechtskraft erwachsen ist. Danach können keine Einwände mehr gegen die Erhöhung, auch nicht gegen die vorläufige Erhöhung erhoben werden.

Das bedeutet aber nicht, dass eine einem Mieter gegenüber bewirkte Unwirksamkeit einer Vorentscheidung über eine vorläufige Erhöhung saniert wäre. Die Erhöhung der Hauptmietzinse nach den §§ 18 f MRG besteht in einem auf den im Spruch enthaltenen Verteilungszeitraum befristeten rechtsgestaltenden Eingriff des Außerstreitrichters bzw der Schlichtungsstelle in den Mietvertrag (5 Ob 85/85 = MietSlg 37.355) zum Zweck der Finanzierung sonst nicht gedeckter Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten. Ein solcher rechtsgestaltender Eingriff in die vertragliche Regelung des Hauptmietzinses setzt aber ein Wirksamwerden gegenüber dem betreffenden Mieter voraus. Ist daher erwiesen, dass einem Mieter die Entscheidung über eine vorläufige Erhöhung nicht wirksam zugestellt wurde, kann eine solche Vertragsänderung nicht Platz greifen.

Die Doppelfunktion der Erhöhungsentscheidung, die einerseits in einer prozessualen Sachentscheidung besteht und andererseits in einer Vertragsänderung, gebietet es, die prozessuale Rechtsfolge der Heilung einer Nichtigkeit von der Wirksamkeit des Privatrechtseingriffs zu unterscheiden. Selbst wenn also diese Entscheidung prozessual infolge Beendigung des Gesamterhöhungsverfahrens nicht mehr anfechtbar ist (vgl 5 Ob 119/02i), wurde in den Mietvertrag des Beklagten dadurch doch nicht wirksam eingegriffen.

Von der Endentscheidung nach § 18 MRG sind andere Zeiträume umfasst. Diese ist dem Mieter zugestellt worden und in Rechtskraft erwachsen. Deshalb besteht eine Verbindlichkeit des Mieters zur erhöhten Zinszahlung nur in diesem Umfang. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Inhalt einer Entscheidung nach § 18a Abs 1 und 2 MRG in die Endentscheidung materiellrechtlich insofern einfließt, als bei Errechnung des Fehlbetrags von einem Eingang der vorläufigen Mietzinse, auch des Beklagten, ausgegangen wird. Die dadurch bewirkte inhaltliche Unrichtigkeit der Endentscheidung ist aber durch deren Rechtskraft jedenfalls geheilt.

Auf den gegenständlichen Fall angewendet bedeutet das, dass der Beklagte im Zeitraum 01.01.1994 bis 31.10.1996 zur Zahlung des vorläufig erhöhten Hauptmietzinses nicht verpflichtet war.

Berechtigt sind allerdings die Ausführungen der Revision insoweit, als sie sich gegen die Verjährung der oben dargestellten Mietzinsschuldigkeiten richtet.

Der Beklagte hat vorgebracht, für bestimmte Monate bestimmte Zahlungen geleistet zu haben, welchem Vorbringen der Kläger nicht widersprochen hat. Der Beklagte hat monatlich auf das ihm vom Kläger bekanntgegebene Konto einen Betrag von ATS 1.500,– in gleichbleibender Höhe zur Einzahlung gebracht. Der Revision ist insofern Recht zu geben, als nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Beklagten diese laufenden monatlichen Zahlungen als monatliche Mietzinszahlungen verstanden werden sollten. Eine solche (schlüssige) Widmung ist daher als unstrittig zugrundezulegen (vgl RIS–Justiz RS 0040083; RS 0040112 [T1; T2]; RS 0040098 ua). Mangels Widerspruchs des Klägers sind daher die vom Beklagten in den fraglichen Monaten geleisteten Zahlungen als teilweise Tilgung der betreffenden (nur im jeweiligen Restbetrag mittlerweile verjährten) monatlichen Mietzinsschuldigkeiten zu qualifizieren (vgl RIS–Justiz RS 0033251; RS 0033296; RS 0034703; RS 0033472), was die Annahme der Verjährung ausschließt.

Der von den Vorinstanzen vorgenommene Abzug von insgesamt EUR 1.199,– (entspricht 11 mal ATS 1.500,–) erfolgte daher nicht zu Recht. In diesem Sinn war eine Abänderung des Spruchpunktes 1 vorzunehmen.

Die übrigen Entscheidungsteile können hingegen unverändert bestehen bleiben, weil durch die Abänderung nur klargestellt ist, dass die eingewendete Gegenforderung in einem höheren Betrag durch Aufrechnung verbraucht wird. Das Ergebnis Klagsabweisung bleibt gleich, weshalb es nicht zu einer Änderung der Kostenaussprüche kommt.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 43 Abs 1, 50 ZPO.

Leitsätze