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5 Ob 231/09w; OGH; 22. Juni 2010
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in den verbundenen außerstreitigen Wohnrechtssachen I. (5 Msch 13/06i) der Antragsteller 1. Sonja P***** und Ing. Alexander P*****, beide *****, beide vertreten durch Mag. Wolfgang Ruckenbauer, Rechtsanwalt in Wien, II. (5 Msch 14/06m) Dipl.-Ing. Peter M*****, vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, und III. (5 Msch 15/06h) der Antragstellerin H*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Partnerschaft Schuppich, Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, gegen die Antragsgegner 1. Nikolaus B*****, 2. Mag. Andrea B***** G*****, 3. Joanna G*****, 4. Ewald Franz S***** und 5. Wkfm. Sigrun R*****, alle vertreten durch Mag. Guido Zorn, Rechtsanwalt in Wien, und alle übrigen Mit– und Wohnungseigentümer der Liegenschaft ***** (EZ ***** GB *****), wegen §§ 24 Abs 6, 52 Abs 1 Z 4 WEG 2002, über die Revisionsrekurse der Antragsteller der Verfahren zu I. und III. gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 28. Juli 2009, GZ 40 R 72/08x–53, mit dem über Rekurse der Antragsteller der Verfahren zu I. und III. der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 23. Dezember 2007, GZ 5 Msch 13/06i (5 Msch 14/06m, 5 Msch 15/06h)–39, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 22. Februar 2009, GZ 5 Msch 13/06i (5 Msch 14/06m, 5 Msch 15/06h)–51, bestätigt wurde, den
Sachbeschluss
gefasst:
Spruch
Beiden Rekursen wird Folge gegeben.
Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie wie folgt zu lauten haben:
„1. Es wird festgestellt, dass die Beschlüsse der Eigentümergemeinschaft über die Kündigung des Verwaltervertrags mit der Dr. W. ***** GmbH zum 31.12.2007, über die Kündigung der A***** GmbH zum 31.03.2007 und über die Bestellung der Immobilienverwaltung Mag. Alois R***** zur Verwalterin nicht rechtswirksam sind.
2. Die Antragsgegner Nikolaus B*****, Mag. Andrea B***** G*****, Joanna G*****, Ewald Franz S***** und Wkfm. Sigrun R***** sind schuldig, den Antragstellern Sonja P***** und Ing. Alexander P***** an Barauslagen EUR 109,– und der Antragstellerin H*****gesellschaft m.b.H. an Verfahrenskosten EUR 4.209,56 (darin enthalten EUR 687,86 an USt und EUR 82,40 an Barauslagen) jeweils binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die Antragsgegner Nikolaus B*****, Mag. Andrea B***** G*****, Joanna G*****, Ewald Franz S***** und Wkfm. Sigrun R***** sind schuldig, den Antragstellern Sonja P***** und Ing. Alexander P***** und der Antragstellerin H*****gesellschaft m.b.H. an Rekurskosten jeweils EUR 464,40 (darin EUR 77,40 an USt) jeweils binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Antragsgegner Nikolaus B*****, Mag. Andrea B***** G*****, Joanna G*****, Ewald Franz S***** und Wkfm. Sigrun R***** sind schuldig, den Antragstellern Sonja P***** und Ing. Alexander P***** und der Antragstellerin H*****gesellschaft m.b.H. an Revisionsrekurskosten jeweils EUR 557,30 (darin EUR 92,90 an USt) jeweils binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Die Parteien sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft ***** (EZ ***** GB *****). Die Anlage umfasst insgesamt rund 500 Wohnungseigentumsobjekte, darunter auch Garagen mit insgesamt rund 520 Stellplätzen, die im Eigentum der Antragstellerin H*****gesellschaft m.b.H. (fortan nur mehr: H*****) stehen. Mit Ausnahme der Garagen ist jedem Wohnungseigentumsobjekt im Haus ein Postfach zugeordnet.
Die Dr. W. ***** GmbH (fortan: Verwalterin D) hat von Anfang an die Anlage verwaltet. Die A***** GmbH (fortan: A GmbH), ein Facility-Managementunternehmen, sorgte – teilweise durch Subunternehmen – für den Portier– und Conciergedienst, die Hausreinigung und Schneeräumung sowie die Objektbetreuung (technische Überwachung, Kleinwartung, Betreuung der Videoüberwachung, Stellung der Brandschutzbeauftragten).
Einige Wohnungseigentümer waren mit der Verwalterin D unzufrieden und meinten, diese setzte Ansprüche und Interessen der Eigentümer nicht energisch genug durch, veranlasse Reparaturen und Verbesserungen erst verspätet und lagere Tätigkeiten an die A GmbH aus, wodurch erhöhte Kosten entstünden. Schon 2005 bildeten deshalb kritische Hausbewohner eine Arbeitsgruppe, doch scheiterte zunächst ein erster Versuch, einen Verwalterwechsel herbeizuführen.
Im Jahr 2006 entschlossen sich dann Ewald S*****, Vater und Bevollmächtigter des Wohnungseigentümers und Viertantragsgegners Ewald Franz S*****, und die Fünftantragsgegnerin Sigrun R*****, einen neuerlichen Versuch zu starten, um eine Mehrheit für einen Verwalterwechsel zu gewinnen. Unterstützung erhielten sie ua von den Erst- und Zweitantragsgegnern. Ewald S***** war für die Verständigungen im Haus zuständig und die Fünftantragsgegnerin Sigrun R***** sollte sich mit Unterstützung ihres Lebensgefährten um die Verständigung der auswärtigen Wohnungseigentümer kümmern.
Konkret begann Ewald S***** ab Februar 2006, in alle Postkästen Informations- und Propagandamaterial einzulegen. Die Eigentümer wurden über den angestrebten Verwalterwechsel informiert, zugleich wurden ihnen die aus Sicht von Ewald S***** bestehenden „Missstände” vor Augen geführt, worin ein Schwerpunkt der Sendungen lag. Die Eigentümer wurden informiert, dass verschiedene Hausverwaltungen kontaktiert worden waren, und es wurde ihnen ein „Angebotsvergleich” ausgefolgt. Solche Postwurfsendungen erfolgten im Zeitraum Februar bis April 2006 zahlreiche Male, wobei kurz nach der ersten Aussendung wahrscheinlich noch im Februar 2006 auch schon erstmals Abstimmungsformulare in die Postkästen gelegt wurden. In einem weiteren Flugblatt, welches im April 2006 in den Postkästen verteilt wurde, war von einer „Aktion bis 30.04.2006” die Rede und nochmals ein Abstimmungsblatt angefügt. Die Proponenten des Verwalterwechsels beabsichtigten dadurch, jene Eigentümer, die noch nicht abgestimmt hatten, zu einer Stimmabgabe anzuspornen.
Auf den „Schwarzen Brettern“ aller drei Stiegen hatte Ewald S***** auch Aushänge mit Fotos und Informationen über die angeblichen Missstände im Haus, den geplanten Verwalterwechsel und die Abstimmung angebracht. Auch die Abstimmungsblätter wurden ausgehängt. Wie lange die Aushänge jeweils belassen wurden, steht nicht fest. Eine gewisse Zeit lag überdies beim Portier eine Mappe mit Fotos, Informationen und Abstimmungslisten auf; diese Mappe kam jedoch zwei Mal abhanden und wurde dann nicht mehr neu aufgelegt. In den Aushängen wurden die Eigentümer auch darauf hingewiesen, an wen sie sich wegen näherer Auskünfte wenden könnten.
Durch diese Aktionen lag bis etwa Ende April 2006 eine Zustimmung zum Verwalterwechsel von knapp 30 % der Anteile vor. Die Initiatoren des Umlaufverfahrens sahen eine reelle Chance, eine Mehrheit zustande zu bringen und versuchten beginnend ungefähr ab Mai 2006, weitere Bewohner durch persönliches Ansprechen zu überzeugen und zu einer Stimmabgabe zu bewegen. Flugblätter wurden von Ewald S***** nur mehr in geringem Ausmaß und selektiv an Eigentümer verteilt, die bisher noch nicht abgestimmt hatten. Mit Schreiben vom 05.08.2006 wandten sich Erst–, Zweit– und Fünftantragsgegner als „Team Pro M*****” nochmals an alle Eigentümer, um sie von der Sinnhaftigkeit eines Verwalterwechsels zu überzeugen. Sie wiesen darauf hin, dass die Zahl der Unterstützer ständig wachse und informierten sie über die Möglichkeit einer Aussprache über offene Fragen. Im August 2006 waren dann auch zwei Wochen hindurch im Eingangsbereich der Stiege 2 bzw eine Woche lang im Eingangsbereich der Stiegen 1 und 3 zusätzlich Infostände bzw Plakate aufgestellt, bei denen sich zeitweise Proponenten des Verwalterwechsels aufhielten, um Wohnungseigentümern Fragen zu beantworten. Diese Informationsveranstaltungen waren überdies durch Hausanschläge auf den drei Stiegen angekündigt.
Den Wohnungseigentümern war auch nach dem 30.04.2006 erkennbar und bewusst, dass es sich um dieselbe Abstimmung handelte, wie sie zu Jahresbeginn gestartet worden war. Es wurde durchgehend das gleiche Abstimmungsblatt verwendet, alle Formulierungen waren ident, es schien immer Ewald S***** als Ansprechpartner auf.
Jene Wohnungseigentümer, für die im Grundbuch nicht die Liegenschaftsadresse (gemeint: des Wohnungseigentumsobjekts) aufschien, wurden im Mai 2006 postalisch von der Abstimmung verständigt. Die Fünftantragsgegnerin und ihr Lebensgefährte verfassten dazu anhand des Grundbuchs eine Liste und übermittelten den mit hausfremden Adressen aufscheinenden Personen ein Abstimmungsblatt sowie Informationsmaterial an die im Grundbuch ersichtliche Anschrift. Diese Unterlagen gingen auch an die Antragstellerin H*****. Weitere Nachforschungen betreffend die Anschriften der Eigentümer wurden nicht angestellt. Insbesondere erfolgte keine Anfrage bei der Hausverwaltung, bei der die aktuellen Adressen der Wohnungseigentümer auflagen. Es wurde keine Eigentümerversammlung zu den der Abstimmung unterworfenen Fragen einberufen. Es steht nicht fest, ob und gegebenenfalls welche Wohnungseigentümer von der Abstimmung erst im Nachhinein Kenntnis erlangten und daher nicht mitstimmen konnten.
Konkret erhielten die Eigentümer mit auswärtiger Anschrift einen Brief vom 28.05.2006 mit dem Betreff: „Kündigung Hausverwaltung D*****”, in dem sie darüber informiert wurden, dass eine Gruppe von Eigentümern mit der Verwalterin D nicht zufrieden sei und Alternativen suche. Herr S***** habe von 8 vorgeschlagenen Hausverwaltungen die Verwaltung Mag. R***** aufgrund des positiven Eindrucks und der Kostenwürdigkeit ausgesucht. Die Unzufriedenen hätten schon fast 40 % der Stimmen und ersuchten um Unterstützung der gemeinsamen Interessen zum Wechsel der Hausverwaltung. Angeschlossen war dem Brief ein Abstimmungsblatt und begleitendes Material. Dieses bestand einerseits aus Fotos, welche die unbefriedigenden Zustände im Haus etwa bei der Mängelbehebung dokumentieren sollten, aus einer Fragenliste an die Verwalterin D, weiters aus dem „Angebotsvergleich der HV–Verwaltungspreise” und aus einer Aufstellung über die interne Struktur und die Mitarbeiter der Hausverwaltung Mag. R*****. Die Wohnungseigentümer ersahen aus den Unterlagen das Hausverwalterhonorar, nicht aber, welche Leistungen konkret davon umfasst sein würden.
Weder jene Eigentümer, die über ihr Postfach im Haus verständigt wurden, noch die auswärts angeschriebenen Eigentümer wurden darüber informiert, welche Unternehmen ganz oder teilweise die Agenden der A GmbH übernehmen sollten und welche Kosten damit verbunden sein würden. Diese Frage konnte zum damaligen Zeitpunkt von den Befürwortern eines Verwalterwechsels auch nicht beantwortet werden. Einerseits waren sie ohnedies der Meinung, dass die A GmbH Aufgaben übernommen hatte, die eigentlich von der Hausverwaltung erledigt werden müssten und die durch das Verwalterhonorar abgedeckt seien. Hinsichtlich anderer Aufgaben war ihnen bewusst, dass diese an andere Unternehmen vergeben werden müssten. Sie gingen allerdings davon aus, dass erst die bestellte Verwaltung Angebote einholen und das geeignetste und günstigste Unternehmen beauftragen würde, sodass zum Zeitpunkt der Abstimmung hierüber noch keine Informationen vorhanden waren.
Folgende drei Punkte waren nun den Wohnungseigentümern zur Beschlussfassung vorgelegt worden:
1. Kündigung der Verwalterin D;
2. Kündigung des Gebäudemanagementvertrages mit der A GmbH;
3. Bestellung einer neuen Immobilienverwaltung ab 01.01.2007 (nämlich von Mag. Alois R*****).
Alle ursprünglich in Betracht gezogenen Hausverwaltungen waren im Jahr 2005 von Hausbewohnern vorgeschlagen worden. Die Hausverwaltung Mag. Alois R***** hatte der Lebensgefährte der Fünftantragsgegnerin vorgeschlagen, dessen Neffe die Hausverwaltung führt und dessen Sohn dort mitarbeitet. Über diese Nahebeziehung wurden die Wohnungseigentümer nicht aufgeklärt. Die Auswahl der für eine Neubestellung vorgeschlagenen Hausverwaltung nahm Ewald S***** vor, dem die Kanzlei Mag. R***** bestgeeignet schien. Die einzelnen Hausverwaltungen hatten Angebote erstellt, welche vorerst beim Portier aufgelegt wurden. In der Folge wurden die Eigentümer durch Aushänge im Haus auf die Möglichkeit hingewiesen, bei Ewald S***** Einsicht zu nehmen oder sonst nähere Informationen zu erhalten. Die Verwaltung Mag. R***** hatte überdies angeboten, dass interessierte Wohnungseigentümer in die Kanzlei kommen und sich dort gezielt informieren könnten. Diese Möglichkeit und der Termin der Kanzleibesichtigung wurden ebenfalls auf den Schwarzen Brettern der drei Stiegen sowie in den Aufzügen affichiert, außerdem den Wohnungseigentümern über Einwurf in die Postkästen bekanntgegeben. Das Angebot wurde allerdings nur sehr spärlich in Anspruch genommen.
Ende August 2006 zeigte sich, dass die drei der Abstimmung unterworfenen Punkte eine Mehrheit gefunden hatten. Die Abstimmungslisten und das Ergebnis wurden am 31.08.2006 auf den Schwarzen Brettern der drei Stiegen angeschlagen. Den Eigentümern wurde mitgeteilt, dass eine Mehrheit von 54,303 % der Anteile für die Kündigung der Verwalterin D gestimmt hätten, 52,786 % der Anteile für die Kündigung der A GmbH und 50,62 % für die Beauftragung der Verwaltung Mag. R*****. Das Abstimmungsergebnis wurde im September 2006 den Wohnungseigentümern auch schriftlich mitgeteilt, und zwar einerseits durch Einwurf der Mitteilung des Ergebnisses der Beschlussfassung in alle Postfächer im Haus und andererseits postalisch an die laut Grundbuch auswärtigen Wohnungseigentümer. Es stellte sich nachträglich heraus, dass es bei der Auszählung zu geringfügigen Fehlern gekommen war, doch änderte dies nach nochmaliger Zählung und Korrektur nichts am Abstimmungsergebnis. Für die Auflösung des Vertrags mit der Verwalterin D lag eine Mehrheit von 54,466 % der Anteile vor, für die Bestellung der Hausverwaltung Mag. R***** 50,535 %, für die Auflösung des Vertrags mit der A GmbH 52,781 %. Mit Schreiben vom 31.08.2006 wurde die Verwalterin D vom Abstimmungsergebnis informiert bzw die Kündigung ausgesprochen. Betreffend die Umbestellung des Facility-Management-Unternehmens hatte es schon während der Verwaltung D Überlegungen für eine allfällige Neuausschreibung gegeben. Die Verwaltung kündigte den Vertrag mit der A GmbH unter Einhaltung der sechsmonatigen Kündigungsfrist zum 31.03.2007 auf. Wegen des laufenden Verfahrens und der ungewissen Situation wurde die A GmbH mit der Weiterführung der Arbeiten betraut, allerdings eine monatliche Kündigungsmöglichkeit vereinbart.
Die Antragsteller (der verbundenen Verfahren) begehrten die Feststellung, dass die Beschlüsse der Wohnungseigentümer (Eigentümergemeinschaft) über die Kündigung des Verwaltungsvertrags mit der Verwalterin D zum 31.12.2006, über die Kündigung der A GmbH zum 31.03.2007 und über die Beauftragung der Immobilienverwaltung Mag. Alois R***** mit der Hausverwaltung nicht rechtswirksam seien.
Die Antragsteller Sonja und Ing. Alexander P***** brachten – zusammengefasst – vor, die gegen die Verwalterin D erhobenen Vorwürfe seien immer wieder entkräftet worden. Sie hätten keinen Zusammenhang zwischen der bis Ende April 2006 befristeten und der dann insbesondere im August 2006 betriebenen Abstimmung erkannt. Die auswärtigen Wohnungseigentümer seien nicht gesondert informiert und bei den Hausversammlungen sei ein Verwalterwechsel nicht thematisiert worden. Stichprobenartige Überprüfungen legten den Verdacht nahe, dass das Abstimmungsergebnis zu Gunsten eines Verwalterwechsels unrichtig ermittelt worden sei. Die Eignung des in Aussicht genommenen neuen Verwalters zur Betreuung einer derart großen Anlage sei zu bezweifeln.
Die Antragstellerin H***** brachte – zusammengefasst – vor, sie sei – wie auch die übrigen auswärtigen Wohnungseigentümer – von der initiierten Abstimmung nicht, jedenfalls nicht ausreichend informiert worden. Es seien insbesondere die wesentlichen Vertragsbedingungen nicht bekannt gewesen, die mit dem neuen Verwalter beabsichtigt gewesen seien. Auch zu dessen sachlicher Kompetenz hätten Informationen gefehlt. Die qualifizierte Tätigkeit der A GmbH sei insbesondere für den Garagenbetrieb wichtig und kostensparend gewesen. Die Stimmen jener Wohnungseigentümer, die bis 30.04.2006 für den Verwalterwechsel abgegeben worden seien, seien deshalb nicht gültig, weil diese Wohnungseigentümer nicht über die Möglichkeit einer späteren Änderung ihres Stimmverhaltens informiert worden seien.
Die (sich beteiligenden) Antragsgegner wandten – zusammengefasst – ein, die drei gefassten Beschlüsse seien ordnungsgemäß zustandegekommen. Es seien auch die auswärtigen Wohnungseigentümer informiert gewesen. Der neue Hausverwalter sei für diese Aufgabe bestens geeignet. Es sei allen Wohnungseigentümern klar gewesen, dass auch nach dem 30.04.2006 die ursprüngliche Abstimmungsaktion weitergeführt worden sei, seien doch immer die gleichen Abstimmungsbögen verwendet worden. Die A GmbH sei im Sinn des gefassten Beschlusses zum 31.03.2007 gekündigt worden und habe die Kündigung akzeptiert, weshalb insoweit kein Interesse mehr an einer Beschlussanfechtung bestehe.
Der Antragsteller zu II. hat seinen Antrag bereits im Mai 2007 zurückgezogen.
Das Erstgericht wies den Sachantrag – auf der Grundlage der eingangs zusammengefassten Feststellungen – ab. Es war rechtlich der Ansicht, dass jene Angelegenheiten, die Gegenstand der angefochtenen Beschlussfassungen gewesen seien, zur ordentlichen Verwaltung gehörten. Es sei eine formell ordnungsgemäße Beschlussfassung in Form eines Umlaufbeschlusses zustandegekommen. Die Wohnungseigentümer seien von der Abstimmung rechtzeitig und ordnungsgemäß und zwar an den Adressen ihrer Wohnungseigentumsobjekte und die auswärtigen Wohnungseigentümer mit gesondertem Brief verständigt worden. Die Informationsbereitstellung sei unter Berücksichtigung der Vielzahl der Wohnungseigentümer und des Umstands, dass die Infrastruktur der aktuellen Hausverwalterin nicht habe in Anspruch genommen werden können, ausreichend gewesen. Für alle der Beschlussfassung unterzogenen Punkte sei eine Mehrheit von über 50 % der Anteile vorgelegen. Der auf Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Beschlussfassung gerichtete Sachantrag sei daher abzuweisen gewesen.
Das Rekursgericht gab den Rekursen der Antragsteller der Verfahren zu I. und III. nicht Folge. Ob jene Wohnungseigentümer, die bis zum Ende der ursprünglich angekündigten Abstimmungsfrist bis 30.04.2006 abgestimmt hätten, von der Verlängerung des Abstimmungszeitraums zum Zweck einer allfälligen Änderung ihres Stimmverhaltens informiert worden seien, sei für die Rechtswirksamkeit des Umlaufbeschlusses – entgegen der Ansicht der Antragsstellerin H***** – rechtlich irrelevant. Für die Bindung an die Stimmabgabe sei nämlich die Verständigung des letzten Wohnungseigentümers maßgeblich und dieser Zeitpunkt sei im Vorhinein kaum exakt einschätzbar. Dass die Proponenten der Abstimmung der bisherigen Verwalterin „Machtmissbrauch” vorgeworfen hätten, vermöge die Rechtswirksamkeit der Abstimmung ebenfalls nicht zu beeinträchtigen. Gleiches gelte für die von der Antragsgegnerin H***** urgierte detaillierte Gegenüberstellung der Leistungen der alten und neuen Verwaltung, würden sich doch deren Pflichten ohnehin aus dem Gesetz bzw der Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen ergeben. Die Negativfeststellung des Erstgerichts zur Kenntnis aller auswärtigen Wohnungseigentümer von der Abstimmung sei deshalb für die Wirksamkeit der Abstimmung ohne Belang, weil es lediglich auf die erfolgte Verständigung ankomme, welche das Erstgericht positiv festgestellt habe. Die Länge der Abstimmungs–(nach–)frist sei angesichts der Größe der Anlage und der Vielzahl der Wohnungseigentümer nicht zu beanstanden und es habe den Wohnungseigentümern damit ausreichend Zeit zur Informationsaufnahme zur Verfügung gestanden.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 10.000,– übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil lediglich die Umstände des Einzelfalls für die Entscheidung maßgeblich gewesen seien.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richten sich die außerordentlichen Revisionsrekurse der Antragsteller der Verfahren zu I. und III. wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen auf Abänderung im Sinn der Stattgebung des Sachantrags. Hilfsweise stellen die Antragsteller auch Aufhebungsanträge.
Die Antragsgegner machten von der ihnen eingeräumten Möglichkeit, eine Revisionsrekursbeantwortung zu erstatten, Gebrauch, und beantragten in dieser, die Revisionsrekurse der Antragsteller der Verfahren zu I. und III. zurückzuweisen, in eventu diesen nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsrekurse der Antragsteller der Verfahren zu I. und III. sind zulässig und berechtigt, weil die Vorinstanzen die Rechtwirksamkeit der Beschlussfassung rechtsirrig bejahten.
1.1. Unbestritten ist zunächst, dass es sich bei den der Beschlussfassung unterzogenen Punkten um solche der ordentlichen Verwaltung handelte.
1.2. Nach § 24 WEG 2002 können, ebenso wie dies nach § 13b WEG 1975 der Fall war, Beschlüsse in der Eigentümerversammlung oder auf andere Weise, etwa durch Umlaufbeschluss zustandekommen. Der erkennende Senat erachtet solche Beschlüsse, etwa in Form einer Unterschriftenliste, grundsätzlich für zulässig (vgl 5 Ob 18/07v; 5 Ob 146/01h = ecolex 2002/67, 127 = immolex 2002/58, 113 = MietSlg 53/26), und zwar auch ohne dass zuvor eine gesonderte Beschlussfassung oder Verständigung über diese Vorgangsweise erfolgen müsste (vgl auch 5 Ob 2382/96x = immolex 1998/49, 84 = MietSlg 49/43; 5 Ob 315/03i = wobl 2003/188, 355 = immolex 2004, 45 = MietSlg 55.238); dies gilt auch für den Fall einer Beschlussfassung über die Auflösung des Verwaltungsvertrags (5 Ob 18/07v; 5 Ob 116/06d = immolex 2007/25, 54 = ecolex 2007/47, 105 [Friedl]; 5 Ob 93/08z mzN = JBl 2009, 323 = immolex 2009/46, 118 [Maier-Hülle] = wobl 2009/67,194).
1.3. Bei einem schriftlichen Umlaufbeschluss kommt die Entscheidung (erst) dann zustande, wenn auch dem letzten Miteigentümer die Gelegenheit zur Äußerung geboten wurde (RIS–Justiz RS 0108769; 5 Ob 18/07v; 5 Ob 164/07i = wobl 2008/72, 223; 5 Ob 93/08z mzN = JBl 2009, 323 = immolex 2009/46, 118 [Maier–Hülle] = wobl 2009/67, 194). Dazu kommt, dass nach herrschender Ansicht bei einem Umlaufbeschluss die Bindung der Teilnehmer an ihre Abstimmungserklärung erst dann eintritt, wenn sie allen anderen am Willensbildungsprozess Beteiligten zugegangen ist (5 Ob 64/00y = wobl 2001/10, 16 [Call] = MietSlg 52/26; vgl RIS–Justiz RS 0106052). Bis zu diesem Zeitpunkt kann jeder Mit– und Wohnungseigentümer seine Entscheidung widerrufen. Zum Eintritt der Bindungswirkung ist demnach bei Umlaufbeschlüssen – falls nicht ausnahmsweise auf andere Weise der allseitige Zugang der Abstimmungserklärungen dokumentiert ist – die Bekanntgabe des Ergebnisses erforderlich, um die Entscheidung rechtswirksam werden zu lassen (5 Ob 116/06d = immolex 2007/25, 54 = ecolex 2007/47, 105 [Friedl]; 5 Ob 118/02t = immolex 2003/44, 78 = wobl 2004/39, 150 [Vonkilch] = MietSlg 54.462; 5 Ob 18/07v = immolex 2008/5, 17 = MietSlg 59/16).
1.4. Aus dem vom Erstgericht zugrunde gelegten Sachverhalt könnte abzuleiten sein, dass bereits im Rahmen der ersten Kampagne für den Verwalterwechsel, die (zunächst) bis 30.04.2006 befristet war, allen Wohnungseigentümern Gelegenheit zur Äußerung geboten worden war. Das Erstgericht stellte nämlich fest (S 13 in ON 39), dass sich die Proponenten des Umlaufbeschlusses mit Schreiben vom 05.08.2006 „nochmals an alle Eigentümer” wandten, was zwanglos dahin verstanden werden kann, dass dies auch schon bis 30.04.2006 der Fall gewesen sei. Geht man weiters – wie offenbar die Vorinstanzen – davon aus, dass auch die Übermittlung der Stimmzettel (insbesondere an die auswärtigen Wohnungseigentümer) an eine dafür infrage kommende Anschrift (Wohnungseigentumsobjekt bzw bekannt gegebene inländische Zustellanschrift; vgl dazu insb 5 Ob 57/09g = immolex 2010/16, 51 [Cerha]) erfolgte, dann war das Abstimmungsverfahren bis (spätestens) 30.04.2006 bereits abgeschlossen. Nun ist zwar den Mit– und Wohnungseigentümern eine angemessene Frist zur Äußerung einzuräumen, weshalb auch mit der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses eine gewisse Zeit zuzuwarten ist. Der erkennende Senat hat aber bereits entschieden, dass die Festlegung des Zeitpunkts der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses nicht dem Gutdünken der Initiatoren eines Umlaufbeschlusses etwa in der Weise überlassen ist, dass diese den Abstimmungsvorgang willkürlich für beendet und das Ergebnis für verbindlich erklären könnten. Den Proponenten eines Umlaufbeschlusses soll nämlich gerade nicht die Möglichkeit eröffnet werden, durch die Wahl des Zeitpunkts der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses damit – wie hier – so lange zuzuwarten, bis einzelne Mit- und Wohnungseigentümer zur Änderung des Abstimmungsverhaltens bereit sind oder bis es etwa gar zur Änderung der Zusammensetzung der Miteigentümergemeinschaft kommt (5 Ob 164/07i = immolex 2008/81, 186 = wobl 2008/72, 223 [Call] = MietSlg 59/24). Wird daher das Ergebnis der Stimmabgabe ohne sachlich gerechtfertigten Grund oder – wie hier – gerade zum Zweck, einzelne Mit- und Wohnungseigentümer zur Änderung des Abstimmungsverhaltens zu beeinflussen und damit das Ergebnis eines abgeschlossenen Abstimmungsverfahrens nachträglich zu ändern, unnötig hinausgezögert, ist der Umlaufbeschluss nicht wirksam zustandegekommen.
2. Wollte man das Vorgehen der Betreiber des Verwalterwechsels als „additiven” Umlaufbeschluss qualifizieren, so kann hier die Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit eines solchen Vorgehens bei Umlaufbeschlüssen (wie schon zu 5 Ob 185/04y = wobl 2005/60 [Call]) dahingestellt bleiben (abl Mair, Beschlussfassung im Wohnungseigentum, 77; abl Kletecka, Die Beschlussfassung nach dem WEG 2002, wobl 2002, 143; vgl auch Löcker in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, § 25 WEG 2002, Rz 26, 26a), weil jedenfalls nicht entsprechend § 25 Abs 3 Satz 2 WEG 2002 mit einer Fristsetzung für die (nachträgliche) Äußerung vorgegangen wurde.
3.1. Auf der Grundlage der erstgerichtlichen Feststellungen kann allerdings auch nicht ausgeschlossen werden, dass eine ordnungsgemäße Verständigung der auswärtigen Wohnungseigentümer von der Abstimmung unterblieb. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung (zum WEG 2002) ist die Verständigung eines Wohnungseigentümers zur Stimmabgabe bei einem Umlaufbeschluss an die Anschrift des Wohnungseigentumsobjekts vorzunehmen, sofern der Wohnungseigentümer nicht eine andere inländische Anschrift bekannt gegeben hat (RIS-Justiz RS 0108768; 5 Ob 93/08z = immolex 2009/46, 118 [Maier–Hülle]; 5 Ob 164/07i = immolex 2008/81, 186 = wobl 2008/72, 223 [Call]; 5 Ob 57/09g = immolex 2010/16, 51 [Cerha]).
3.2. Das Erstgericht ist in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass die Verständigung der auswärtigen Wohnungseigentümer durch Zustellung an jene Anschrift erfolgte, die aus dem Grundbuch ersichtlich war. Weitere Nachforschungen betreffend die Anschriften der Eigentümer wurden nicht angestellt. Insbesondere erfolgte auch keine Anfrage bei der Hausverwaltung, bei der die aktuellen Adressen der Wohnungseigentümer auflagen. Es bleibt daher offen, ob die Verständigung der auswärtigen Wohnungseigentümer tatsächlich an die von diesen der Verwalterin gegebenenfalls bekanntgegebenen Zustellanschriften erfolgte. Dass hier eine Situation vorgelegen hätte, in der eine in diesem Sinn gesetzmäßige Verständigung der auswärtigen Wohnungseigentümer deshalb nicht möglich gewesen wäre, weil die Verwalterin die Bekanntgabe dieser Anschriften verweigert habe (zur Bekanntgabeverpflichtung s 5 Ob 196/05t = MietSlg 58.431), steht nicht fest und wurde von den Antragsgegnern auch nicht behauptet. Es trifft zwar zu, dass für eine ausreichende Verständigung von einer Beschlussfassung nicht unbedingt deren (effektiver) Zugang beim Wohnungseigentümer erforderlich ist (5 Ob 249/03h; 5 Ob 249/03h = MietSlg 55.524 = immolex 2005/7, 24; 5 Ob 164/07i = immolex 2008/81, 186 = wobl 2008/72, 223 [Call]; 5 Ob 93/08z = immolex 2009/46, 118 [Maier–Hülle]); dies setzt allerdings die Übersendung der Verständigung an die gesetzlich vorgesehene Anschrift voraus (5 Ob 249/03h; 5 Ob 249/03h = MietSlg 55.524 = immolex 2005/7, 24). In dem nach dem festgestellten Sachverhalt also ebenfalls nicht ausschließbaren Fall vorgelegener Zustellmängel, müsste dann die Negativfeststellung des Erstgerichts zur Kenntnis aller auswärtigen Wohnungseigentümer von der Abstimmung – entgegen der Ansicht des Rekursgerichts – zur Unwirksamkeit der Beschlussfassung führen.
4. Im Ergebnis folgt daher die Unwirksamkeit der angefochtenen Beschlussfassung entweder – im Fall wirksamer Verständigung aller Wohnungseigentümer – wegen unzulässiger Verzögerung der Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses zum Zweck dessen nachträglicher Abänderung oder wegen nicht ordnungsgemäßer Verständigung auswärtiger Wohnungseigentümer unter der von ihnen bekannt gegebenen Zustellanschrift.
Der Standpunkt der Antragsgegner, es bestehe wegen der bereits endgültig erfolgten Vertragsauflösung mit der A GmbH kein Interesse mehr an einer Beschlussanfechtung, findet schon in tatsächlicher Hinsicht keine Grundlage im festgestellten Sachverhalt.
In Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen war daher dem Sachantrag der Antragsteller stattzugeben.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG (iVm § 52 Abs 2 WEG 2002). Die Kostenbemessungsgrundlage beträgt durchgehend EUR 4.000,– und der Streitgenossenzuschlag (für die Antragsgegnerin H***** ab Verfahrensverbindung) 25 %.
Leitsätze
-
Verzögerung des Beschlussendes bei Umlaufbeschlüssen
Beim schriftlichen Umlaufbeschluss kommt die Entscheidung erst dann zustande, wenn auch dem letzten Miteigentümer die Gelegenheit zur Äußerung geboten wurde.Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 231/09w | OGH vom 22.06.2010 | Dokument-ID: 257675