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Dokument-ID: 009477

Judikatur | Entscheidung

9 Ob 23/09m; OGH; 3. März 2010

GZ: 9 Ob 23/09m | Gericht: OGH vom 03.03.2010

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil, Dr. Hopf, Hon.–Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. K***** D*****, Angestellte, *****, vertreten durch Mag. Petra Diwok, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei U***** K*****, Angestellte, *****, vertreten durch die Heller & Gahler Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wegen Wiederherstellung (Streitwert EUR 10.000,–) und EUR 22,89 sA (Gesamtstreitwert EUR 10.022,89), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 13. Jänner 2009, GZ 41 R 264/08i-16, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Josefstadt vom 15. Oktober 2008, GZ 3 C 176/08z–11, aufgehoben und die Klage teilweise zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird, soweit er sich gegen den Punkt II. des Beschlusses des Berufungsgerichts richtet, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird dem Rekurs, soweit er sich gegen den Punkt I. des Beschlusses des Berufungsgerichts richtet, nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 620,98 (darin enthalten EUR 103,50 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Beklagte ist Mieterin einer der Klägerin gehörigen Wohnung. Der zugrundeliegende Mietvertrag wurde von den jeweiligen Rechtsvorgängern der Parteien am 26.01.1954 errichtet.

Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage die Wiederherstellung einer in der an die Beklagte vermieteten Wohnung früher im Bereich des Badezimmers vorhandenen Scheidewand sowie die Entfernung einer stattdessen errichteten Scheidewand und einer abgehängten Gipsdecke und die Zahlung von EUR 22,89 sA. Die Beklagte habe rechtswidrig und schuldhaft Änderungen in der Wohnung ohne Genehmigung der Hausinhabung und ohne baurechtlichen Konsens vorgenommen. Der Magistrat der Stadt Wien habe der Klägerin mit Bescheid vom 06.05.2008 die Wiederherstellung des früheren Zustands binnen 3 Monaten aufgetragen und für den Fall der Nichterfüllung eine Geld– bzw Ersatzfreiheitsstrafe angedroht. Weiters habe die Klägerin in diesem Zusammenhang Kommissionsgebühren von EUR 22,89 entrichten müssen. Die Beklagte sei weder bereit, den vorherigen Zustand wiederherzustellen, noch der Klägerin die aufgelaufenen Kommissionsgebühren zu erstatten. Da die Klägerin aufgrund des rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens der Beklagten mit Strafen bedroht sei, habe sie ein erhebliches Interesse daran, dass die Beklagte die Arbeiten in Angriff nehme. Die Beklagte habe dadurch, dass sie eigenmächtig Umbauarbeiten vorgenommen habe, auch den Mietvertrag schuldhaft verletzt. Dessen Punkt 7. laute nämlich dahin, dass Änderungen innerhalb des Mietgegenstands oder an der Außenseite – ebenso auch Änderungen des Verwendungszwecks – der ausdrücklichen schriftlichen Zustimmung des Vermieters bedürfen. Eine solche Zustimmung habe die Beklagte nicht erhalten. Weder die Klägerin noch der Voreigentümer haben gewusst, dass die Beklagte bauordnungswidrig Umbauarbeiten vorgenommen habe.

Die Beklagte bestreitet das Klagevorbringen, beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und wendet ein, dass der vormalige Liegenschaftseigentümer und Vermieter der gegenständlichen Bauführung zugestimmt habe. Die Klage sei von der Klägerin verfrüht eingebracht worden, weil die Leistungsfrist des Bauauftrags noch gar nicht abgelaufen sei. Selbst die Klägerin gehe davon aus, dass keine Dringlichkeit bestehe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren unter Zugrundelegung der Feststellung, dass die gegenständlichen baulichen Maßnahmen ohne baubehördliche Bewilligung durchgeführt worden seien, statt. Ob der Rechtsvorgänger der Klägerin den Umbauarbeiten zugestimmt habe, könne dahingestellt bleiben, weil die Beklagte gar nicht behauptet habe, dass ihr gestattet worden sei, entsprechende Maßnahmen ohne baubehördliche Bewilligung durchzuführen.

Das Berufungsgericht hob infolge Berufung der Beklagten das Ersturteil hinsichtlich des Wiederherstellungs- und Entfernungsbegehrens sowie das vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage in diesem Umfang zurück (Punkt I.). Hinsichtlich des Zahlungsbegehrens und der Kostenentscheidung hob das Berufungsgericht das verbliebene Ersturteil auf und trug dem Erstgericht insoweit eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf (Punkt II.). Stütze der Vermieter sein Begehren auf Wiederherstellung baulicher Veränderungen auf das Gesetz oder auf eine bloß die Gesetzeslage wiedergebende Vertragsbestimmung, dann sei über dieses Begehren im Außerstreitverfahren zu entscheiden. Der streitige Rechtsweg sei insoweit unzulässig. Gemäß § 39 Abs 1 MRG sei hinsichtlich des betroffenen Verfahrensteils die Nichtigkeit auszusprechen und die Klage insoweit zurückzuweisen. Hinsichtlich des Zahlungsbegehrens der Klägerin mangle es an den erforderlichen Feststellungen über die Zustimmung des Vermieters. Das Ersturteil leide daher an einem rechtlichen Feststellungsmangel, der insoweit eine Aufhebung und Zurückverweisung unumgänglich mache.

Gegen die Punkte I. und II. der Berufungsentscheidung richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, den Rekurs der Klägerin zurück– bzw abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich der Rekurs der Klägerin gegen die teilweise Aufhebung des Ersturteils hinsichtlich des Zahlungsbegehrens der Klägerin über EUR 22,89 sA und den Auftrag des Berufungsgerichts an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung richtet (Punkt II. der Berufungsentscheidung), ist er zurückzuweisen. Diesfalls wäre ein Rekurs an den Obersten Gerichtshof nämlich nur dann zulässig, wenn das Berufungsgericht ausgesprochen hätte, dass der Rekurs zulässig sei (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO). Ein derartiger Ausspruch liegt jedoch hier nicht vor. Ein Rechtsmittel gegen den Punkt II. der Berufungsentscheidung – auch ein außerordentlicher Rekurs – ist daher jedenfalls unzulässig (Kodek in Rechberger, ZPO³ § 519 Rz 18 mwN; RIS–Justiz RS 0043898 ua).

Soweit sich der Rekurs der Klägerin gegen die teilweise Klagezurückweisung und Nichtigerklärung durch das Berufungsgericht richtet (Punkt I. der Berufungsentscheidung), ist der Rekurs gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig (Kodek in Rechberger, ZPO³ § 519 Rz 8; RIS–Justiz RS 0043882 ua); er ist jedoch nicht berechtigt.

Die Rekurswerberin rügt zunächst als Nichtigkeit iSd § 477 Abs 1 Z 4 ZPO, dass vom Berufungsgericht keine mündliche Berufungsverhandlung – obwohl beantragt – durchgeführt worden sei. Die Klägerin hätte diesfalls Gelegenheit gehabt, in Bezug auf die vom Berufungsgericht angenommene Unzulässigkeit des Rechtswegs darzulegen, dass sich die vorliegende Klage auf Schadenersatz stütze, weil die Klägerin dem Vollzug des rechtswirksamen Baubescheides ausgesetzt sei.

Dem ist zu erwidern, dass nur die Beklagte zunächst in ihrer Berufung die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragte. Sie hat diesen Antrag allerdings in der Folge wieder zurückgezogen (ON 15). Die Klägerin hat ihrerseits nie die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt. Ob man nun annehmen konnte, dass beide Parteien auf die Durchführung einer Berufungsverhandlung verzichten (§ 492 Abs 1 ZPO in der vor seiner Aufhebung durch das Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl I 2009/52, geltenden Fassung, die anzuwenden ist, wenn das Datum der Entscheidung erster Instanz wie im vorliegenden Fall vor dem 01.07.2009 liegt), muss hier nicht weiter erörtert werden. Das Berufungsgericht nahm nämlich eine in der Berufung nicht geltend gemachte Nichtigkeit an (§ 471 Z 7 ZPO) und konnte daher jedenfalls in nichtöffentlicher Sitzung und ohne vorhergehende mündliche Verhandlung entscheiden (§ 473 Abs 1 ZPO). Erstmalige Erhebungsergebnisse, zu denen den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben gewesen wäre, gab es dabei nicht. Auf die schadenersatzrechtlichen Überlegungen der Klägerin wird in der Folge noch näher eingegangen werden. Die von der Rekurswerberin gerügte Nichtigkeit durch angebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Das Berufungsverfahren leidet auch nicht „zumindest“ an einer wesentlichen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

In rechtlicher Hinsicht ist vorauszuschicken, dass die Rekurswerberin die grundsätzliche Anwendbarkeit des MRG auf das gegenständliche Mietverhältnis nicht infrage stellt (vgl RIS–Justiz RS 0069235 ua). Nach § 37 Abs 1 Z 6 und Abs 3 MRG gelten für das Verfahren in Angelegenheiten der Veränderung (Verbesserung) des Mietgegenstands (§ 9 MRG) die allgemeinen Bestimmungen über das gerichtliche Verfahren in Angelegenheiten außer Streitsachen. Nach der Rechtsprechung gilt die für die Veränderung (Verbesserung) des Mietgegenstands normierte Verweisung in das außerstreitige Verfahren nach § 37 Abs 1 Z 6 MRG auch für Ansprüche des Vermieters auf Unterlassung oder Wiederherstellung des bisherigen Zustands (Beseitigung; Entfernung), wenn der Mieter Veränderungen (Verbesserungen), die nach § 9 MRG der Zustimmung des Vermieters bedürfen, ohne dessen Zustimmung in Angriff nimmt, durchführt oder bereits vorgenommen hat (RIS–Justiz RS 0069603 ua). Maßgeblich ist dabei stets der Wortlaut des Entscheidungsbegehrens des Klägers und die zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhaltsbehauptungen (RIS–Justiz RS 0005896, RS 0102190 ua).

Die Klägerin macht nun mit der vorliegenden Klage – neben einem Zahlungsbegehren über EUR 22,89 sA, hinsichtlich dessen der streitige Rechtsweg nicht weiter strittig ist – ein Wiederherstellungsbegehren im vorstehenden Sinn geltend. Dass sie sich dabei nicht ausdrücklich auf § 9 MRG gestützt hat und in der Klage ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der Beklagten behauptet, vermag an der grundsätzlichen Verweisung des Wiederherstellungsbegehrens in das außerstreitige Verfahren nichts zu ändern. Ansprüche aus der Veränderung des Mietgegenstands sind nur dann (ausnahmsweise) nicht im außerstreitigen, sondern im streitigen Rechtsweg durchzusetzen, wenn sie sich nicht unmittelbar auf das Gesetz, sondern auf eine konkrete Vereinbarung im Mietvertrag stützen (RIS–Justiz RS 0069665 ua). Wird aber das Klagebegehren auf eine Mietvertragsbestimmung gestützt, so ist damit noch nicht zwangsläufig die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs gegeben. Wird nämlich im Vertrag nur das Gleiche verankert, was sich ohnehin bereits aus § 9 MRG ergibt, so reicht die vertragliche Bestimmung für die Annahme des streitigen Rechtswegs nicht aus. Nur konkrete bindende Absprachen über die in den §§ 8 und 9 MRG angeführten Rechte und Pflichten können die Zulässigkeit des Rechtswegs auslösen, nicht aber die im Gesetz vorgesehenen genormten Inhalte eines jeden Mietvertrags (6 Ob 206/00p; 5 Ob 170/01p; 6 Ob 55/07t; 5 Ob 32/08d; RIS–Justiz RS 0114143 ua). Auf solche konkreten bindenden Absprachen über die in den §§ 8 und 9 MRG angeführten Rechte und Pflichten, beispielsweise im Zusammenhang mit der Errichtung oder dem Umbau eines Bades in der Wohnung, hat sich die Klägerin allerdings nie berufen. Sie erwähnte daher den Mietvertrag bzw die darin enthaltene Bestimmung in erster Instanz auch nur eher nebenbei, was aber durchaus konsequent war, weil sich eben aus der erwähnten Mietvertragsklausel gegenüber dem Gesetz nichts Besonderes ergab (vgl 6 Ob 206/00p; 5 Ob 170/01p; 6 Ob 55/07t ua).

Gilt nun aber nach der Rechtsprechung die für eine Veränderung (Verbesserung) des Mietgegenstands (§ 9 MRG) normierte Verweisung in das außerstreitige Verfahren (§ 37 Abs 1 Z 6 MRG) auch für Ansprüche des Vermieters auf Wiederherstellung des vorherigen Zustands (Beseitigung; Entfernung), dann kann es nicht darauf ankommen, ob die Klägerin den schon aus dem Gesetz ableitbaren Anspruch auf Wiederherstellung als Schadenersatzanspruch qualifiziert. Die Wiederherstellung des vorherigen Zustands im Mietobjekt muss nicht notwendigerweise einen „Schaden“ ausgleichen, ähnelt aber zweifellos in ihren Auswirkungen der „Naturalrestitution“ des Schadenersatzrechts (§ 1323 ABGB). Dies ändert aber nichts am außerstreitigen Rechtsweg. Folgte man der Auslegung der Klägerin, bliebe für die Verweisung der Wiederherstellung in das Außerstreitverfahren kein Anwendungsbereich. Dies wird offensichtlich auch im Rekurs erkannt, weshalb der Schadenersatzaspekt vor allem im Zusammenhang mit dem Baubescheid betont wird. Dazu ist die Rekurswerberin allerdings darauf zu verweisen, dass – bis auf die Kommissionsgebühr, hinsichtlich der der streitige Rechtsweg nicht infrage steht – allfällige Schäden aus dem Vollzug des Baubescheids (zB Kosten einer Ersatzvornahme; Geldstrafe etc) nicht Gegenstand der Klage sind. Dass die Baubehörde von der Klägerin Wiederherstellung verlangt, hat auf die grundsätzliche Verweisung des Wiederherstellungsanspruchs des Vermieters gegen den Mieter in das außerstreitige Verfahren (§ 37 Abs 1 Z 6 und Abs 3 MRG) keinen Einfluss.

Zusammenfassend muss daher dem Rekurs der Klägerin gegen die teilweise Klagezurückweisung ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Leitsätze

  • Verfahren bei Ansprüchen aus Veränderung des Mietgegenstandes, die sich auf den Vertrag stützen

    Nimmt der Mieter im Vollanwendungsbereich des MRG unzulässigerweise Änderungen vor, ist für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands ausschließlich das außerstreitige Verfahren vorgesehen. Eine vertragliche Vereinbarung kann den streitigen Rechtsweg nur dann rechtfertigen, wenn darin eine vom Gesetz abweichende Regelung festgelegt wurde.
    Judikatur | Leitsatz | 9 Ob 23/09m | OGH vom 03.03.2010 | Dokument-ID: 255857