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Martin Brunnhauser | News | 05.07.2023

Aktuelle Rechtsprechung zu Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen

Gastautor Mag. Martin Brunnhauser von der MVÖ arbeitet anhand aktueller Judikatur aus, auf welche Bestimmungen bei der Prüfung von Wertsicherungsklauseln zu achten ist.

Gerade in der von hoher Inflation geprägten Zeit hat der Oberste Gerichtshof mit der Entscheidung 2 Ob 36/23t für Aufsehen gesorgt. Politisch ist es der Vermieterseite bislang gelungen eine Mietpreisbremse durch den Gesetzgeber zu verhindern. Doch nun scheint es, als würde sich etwas Ähnliches durch die Gerichtsbarkeit entwickeln.

Die Arbeiterkammer hat sich in diesem Verfahren gegen mehrere Klauseln gewandt, die ein Vermieter in seinen Vertragsformblättern verwendet. Die bekämpfte Wertsicherungsklausel ist geradezu typisch und auch in vielen anderen Vertragsformblättern anderer Vermieter:innen zu finden.

Gesetzliche Grundlagen

Geltungskontrolle § 864a ABGB

Bestimmungen ungewöhnlichen Inhalts, werden nicht Vertragsbestandteil, wenn sie für die andere Vertragspartei nachteilig sind und die Partei vor allem nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde nicht damit zu rechnen brauchte. Nur bei besonderem Hinweis auf die Klausel, kann sie doch Vertragsinhalt werden.

Im Zusammenhang mit Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen kann diese Bestimmung etwa bei der Heranziehung des untypischen Baukostenindex anstelle des verbreiteten Verbraucherpreisindex eine Rolle spielen. Aus Sicht des Mieterschützers erscheint eine Wertsicherung nach dem Baukostenindex nicht sachlich gerechtfertigt. Die Baukosten für das Gebäude sind ohnehin schon im Mietzins eingepreist. Diese Baukosten erhöhen sich im Nachhinein naturgemäß nicht. Die Vermieterseite argumentiert an dieser Stelle mit den steigenden Instandhaltungskosten, die sie als Vermieter:innen treffen würden. Dem ist entgegenzuhalten, dass Vermieter:innen in den seltensten Fällen vergessen die Erhaltungspflicht gem § 1096 ABGB abzubedingen. Zudem sind in den ersten 20 Jahren nach Errichtung in der Regel keine größeren Erhaltungsarbeiten durchzuführen. Der vereinbarte Hauptmietzins fließt daher bei weitem nicht in die Finanzierung von Erhaltungs- oder Verbesserungsmaßnahmen, sodass eine Wertsicherung des gesamten Hauptmietzinses nach dem Baukostenindex abwegig erscheint. Zu dieser Rechtsfrage ist derzeit ein Verfahren beim Obersten Gerichtshof anhängig.

Weitere Anwendungsfälle des § 864a ABGB im Zusammenhang mit Wertsicherungsvereinbarungen, können jene Klauseln sein, in welchen eine weit vor Anmietung zurückliegende Ausgangsbasis für die Wertsicherung vereinbart wurde, sodass es bereits kurz nach Vertragsbeginn zu starken Preissteigerungen kommt. Auch diese Klauseln könnten ungewöhnlich iSd § 864a ABGB sein.

Inhaltskontrolle § 879 Abs 3 ABGB

Bei § 879 Abs 3 ABGB handelt es sich um eine Konkretisierung der allgemeinen Sittenwidrigkeitskontrolle des § 879 Abs 1 ABGB. Gröblich benachteiligende Nebenbestimmungen in AGB oder Vertragsformblättern sind nichtig. Die Nichtigkeit erfasst nur die ungerechte Klausel. Bei AGB handelt es sich um Vertragsbestimmungen, die von einer Vertragspartei für verschiedenste Fälle vorformuliert und nicht im Einzelnen ausgehandelt werden. Mietverträge, die unter Verwendung von Textbausteinen, die heutzutage üblicherweise von Hausverwaltungen und professionellen Vermieter:innen verwendet und individuell adaptiert werden, sind Vertragsformblättern gleichzustellen.

Diese Bestimmung hat große Bedeutung für Fälle, in denen das KSchG mangels Unternehmereigenschaft auf Vermieterseite nicht zur Anwendung gelangt.

Unzulässige Vertragsbestandteile § 6 KSchG

Ziel des KSchG ist, den Konsument:innen gegenüber den Unternehmer:innen einen besonderen Schutz zu gewähren. Vorab zu prüfen ist daher, ob Vermieter:innen, die derartige Klauseln in ihren Mietverträgen verwenden, Unternehmer:innen im verbraucherrechtlichen Sinn sind. Eine Abgrenzung ist bei Vermieter:innen weniger Wohnungen mitunter schwierig. Bei Immobiliengesellschaften ist die Anwendbarkeit des KSchG jedoch klar.

Änderung des Entgelts § 6 Abs 1 Z 5 KSchG

Vereinbarungen, wonach Unternehmer:innen ein höheres als bei Vertragsabschluss bestimmtes Entgelt begehren können sind nur dann wirksam, wenn die für die Erhöhung maßgebenden Umstände im Vertrag umschrieben und sachlich gerechtfertigt sind. Ihr Eintritt muss zudem nicht vom Willen der Unternehmer:innen abhängen und der Vertrag unter den für die Entgeltänderung vereinbarten Voraussetzungen auch eine Verpflichtung zur Entgeltsenkung vorsehen.

Kurzfristige Entgelterhöhungen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG

Vereinbarungen, die zu Entgelterhöhungen innerhalb von zwei Monaten ab Vertragsabschluss führen, sind unwirksam, wenn die Klausel nicht ausgehandelt worden ist. Selbst wenn sie eigens ausgehandelt wurde ist eine solche Vereinbarung nur im Rahmen des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG zulässig.

§ 6 Abs 3 KSchG Transparenzgebot

Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung ist unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist.

Dabei ist auf typische Durchschnittskunden:innen abzustellen. Wenn diese Inhalt und Tragweite der Klausel nicht durchschauen können ist sie unklar und unverständlich iSd § 6 Abs 3 KSchG.

Zur Entscheidung

Anlass für diesen Beitrag war die aktuelle Entscheidung 2 Ob 36/23t, die bekämpfte Wertsicherungsklausel stellte einen Verstoß gegen § 6 Abs 3 KSchG, § 6 Abs 1 Z 5 KSchG sowie § 6 Abs 2 Z 4 KSchG dar.

Die Klausel lautet:

„Der Netto Mietzins von EUR ... wird auf den vom österreichischen Statistischen Zentralamt verlautbarten Index der Verbraucherpreise 1976 wertbezogen. Sollte dieser Index nicht verlautbart werden, gilt jener als Grundlage für die Wertsicherung, der diesem Index am meisten entspricht.

Da vollkommen unklar bleibt, welcher Wertmesser bei Wegfall des VPI 1976 maßgeblich sein soll und wer in diesem Fall die Entscheidung trifft, ist diese Regelung iSd § 6 Abs 3 KSchG intransparent.

Auch lässt in der kundenfeindlichsten Auslegung die Bestimmung zu, dass der Vermieter einseitig festlegt, welchen von mehreren allenfalls in Betracht kommenden Indizes er heranzieht. Das stellt einen Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG dar. Der Gestaltungsspielraum ist durch die gewählte Formulierung nicht klar umschrieben, was wiederum einen Verstoß gegen § 6 Abs 3 KSchG darstellt.

Der OGH erkennt nebenbei auch folgendes: „Im Übrigen verstößt die Klausel gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG, weil bei kundenfeindlichster Auslegung schon in den ersten beiden Monaten nach Vertragsabschluss eine Entgeltsänderung eintreten könnte.“

Resümee

Gerade der erkannte Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z4 KSchG verleiht dieser Entscheidung eine besondere Brisanz. Da diese Klauseln gleichlautend in den gängigen Vertragsmustern enthalten sind, ist eine große Anzahl an Mietverträgen betroffen. Vorgenommene Wertsicherungen wären damit unwirksam. Der zulässige künftige Mietzins wäre damit jener, der im Mietvertrag ursprünglich vereinbart wurde. Die zu viel bezahlten Mietzinse könnten die Mieter:innen im Rahmen der Verjährung von den Vermieter:innen wiederum zurückfordern. Diese Fragen sind jedoch im jeweiligen Einzelfall zu klären.

Autor

Mag. Martin Brunnhauser ist Jurist der Mietervereinigung Österreichs mit langjähriger Beratungserfahrung in sämtlichen Bereichen des österreichischen Wohnrechts und Vertretungstätigkeit in allen Angelegenheiten des wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens.