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Dokument-ID: 607685

Judikatur | Entscheidung

7 Ob 77/13v; OGH; 23. Mai 2013

GZ: 7 Ob 77/13v | Gericht: OGH vom 23.05.2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. P***** L*****, 2. Mag. U***** L*****, beide vertreten durch Mag. Susanne Hautzinger-Darginidis, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei I***** S*****, vertreten durch Masser & Partner Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 27. Februar 2013, GZ 39 R 381/12m-48, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Das Erstgericht entschied mit Zwischenurteil nach § 32 Abs 1 MRG (vorbehaltlich der Ersatzbeschaffung), dass der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 9 MRG hinsichtlich der näher bezeichneten Wohnung gegeben sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

Die Zulassungsbeschwerde der außerordentlichen Revision der Beklagten macht als erhebliche Rechtsfragen im Wesentlichen geltend, Eigenbedarf sei nicht gegeben, weil die gekündigte Wohnung zur Pflege der gebrechlichen Mutter erst adaptiert werden müsste, und dass nicht festgestellt worden sei, dass die Kläger die Unterbringung der Mutter in der gekündigten Wohnung beabsichtigten. Die Beklagte vertritt weiterhin den Standpunkt, das Erstgericht habe – nach dem Wortlaut des Urteils („beabsichtigte“) – nur eine in der Vergangenheit bestandene Absicht des Erstklägers festgestellt, seine Mutter in die gekündigte Wohnung aufzunehmen.

Rechtliche Beurteilung

Dem ist zu erwidern:

Nach den im Revisionsverfahren nicht mehr angreifbaren Feststellungen der Tatsacheninstanzen ist davon auszugehen, dass die genannte Absicht des Erstklägers auch noch zum Zeitpunkt der Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz (weiter-)bestand. Außerdem stellt die Auslegung von Urteilsfeststellungen im Einzelfall regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0118891; jüngst: 2 Ob 150/12s).

Im vorliegenden Fall begegnet die Beurteilung des Berufungsgerichts, das Erstgericht habe – entgegen der sprachlichen „Spitzfindigkeit“ der Beklagten – sehr wohl eine diesbezügliche Absicht des Erstklägers festgestellt, keinen Bedenken. Zu Recht wird hier auf die weiteren Feststellungen verwiesen, wo das Erstgericht aufzeigt, aufgrund welcher Maßnahmen die Unterbringung und Pflege der Mutter des Erstklägers in der aufgekündigten Wohnung möglich ist. Davon abgesehen hält das Ersturteil in der rechtlichen Beurteilung ausdrücklich fest, dass nicht nur die objektive Möglichkeit, sondern auch die subjektive Absicht des Erstklägers, die Mutter in der gekündigten Wohnung zu pflegen, gegeben ist.

Der Eigenbedarf nach § 30 Abs 2 Z 9 MRG muss an den aufgekündigten Räumen selbst bestehen und liegt nicht vor, wenn das Gebäude, in dem sich das Mietobjekt befindet, ganz oder teilweise abgetragen werden soll und dadurch der Bestandgegenstand überhaupt vernichtet wird (RIS-Justiz RS0067764). Der Umstand, dass vor der Nutzung des gekündigten Objekts noch ein Aufwand für Adaptierungen erforderlich ist (wie etwa „bauliche Adaptierungen eines aufgekündigten Geschäftslokals für Wohnzwecke der gehbehinderten Klägerin“ laut RIS-Justiz RS0067764 [T1], wo insbesondere der Einbau einer Dusche und die Abdeckung der Schaufenster erfolgte [= 4 Ob 18/12v]), ist jedoch kein Grund, das Vorliegen des Kündigungsgrundes zu verneinen.

Auch im vorliegenden Fall ist offenbar keine „entscheidende (gänzliche) bauliche Umgestaltung“ (vgl dazu 1 Ob 111/01g) erforderlich, sondern ein ähnlich geringer Adaptierungsaufwand wie zu 4 Ob 18/12v, wo der Oberste Gerichtshof die Bejahung des Eigenbedarfs gemäß § 30 Abs 2 Z 9 MRG bereits als „vertretbar“ beurteilte (RIS-Justiz RS0067764 [T1]) und die dagegen erhobene außerordentliche Revision zurückwies. Das Urteil des Berufungsgerichts liegt daher – entgegen der Ansicht der Beklagten – im Rahmen dieser Rechtsprechung.

Die Fragen, ob im Hinblick auf den Inhalt einer Prozessbehauptung eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ob ein bestimmtes Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht und einer Konkretisierung zugänglich ist, sind solche des Einzelfalls, denen regelmäßig keine erhebliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0042828). Die Beurteilung, das bereits in der Aufkündigung erstattete Vorbringen (der Erstkläger benötige das Objekt, um die Pflege seiner Eltern gemeinsam mit einer 24-Stunden Betreuung zu gewährleisten) enthalte auch die Behauptung der Absicht des Erstklägers, seine Mutter in der Wohnung zu pflegen und dafür notwendige Adaptierungen vorzunehmen, ist jedenfalls vertretbar.

Da die außerordentliche Revision keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist sie zurückzuweisen.

Leitsätze