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Neue Regelungen in Bezug auf die Barrierefreiheit
Gastautor Mag. Reßler berichtet über die seit 1.1.2016 geltenden Neuerungen des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes. Dieses Gesetz kann im Einzelfall zusätzliche Verpflichtungen für Unternehmer bzw. Eigentümer mit sich bringen.
Das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG, BGBl I Nr 82/2005 mit Novellen) trat mit 1. Jänner 2016 nach einer 10-jährigen Übergangsfrist in vollem Umfang in Kraft.
Es besteht die Verpflichtung, in Bauten, die vor dem 1.1.2006 errichtet worden sind, bauliche Barrieren zu beseitigen, sofern die dafür nötigen Aufwendungen weniger als 5.000 EUR betragen und dies zumutbar ist. In Gebäuden, die nach dem 1.1.2006 baubewilligt wurden, gilt die betragsmäßige Aufwandsgrenze von 5.000 EUR nicht mehr, jedoch weiter die Zumutbarkeitsprüfung. Unter Bauten sind Neu-, Zu- und Umbauten zu verstehen.
Was bedeutet Barrierefreiheit?
Barrierefreiheit ist dann gegeben, wenn bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung sowie andere gestaltete Lebensbereiche für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.
Beispiele für Verstöße gegen die Barrierefreiheit:
Ein Rollstuhlfahrer kann in einem Geschäft nicht einkaufen, weil zum Eingang Stufen führen.
Alle Unternehmen, die öffentlich Waren, Dienstleistungen und Informationen anbieten, haben dies barrierefrei, dh ohne Diskriminierung von Behinderten, zu machen.
Das Gesetz gilt nur für Behinderte, deren Behinderung länger als 6 Monate dauert, so zB nicht für Menschen mit einer kurzfristigen Bewegungseinschränkung nach einem Beinbruch (§ 3 BGStG).
Was versteht der Gesetzgeber unter Diskriminierung?
Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung. Eine unmittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person aufgrund einer Behinderung in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde (§ 5 Abs 1 BGStG).
Was ist dem Unternehmer hinsichtlich Schaffung von Barrierefreiheit zumutbar?
Ob und wieweit es dem Unternehmer - insbesondere technisch und finanziell - zumutbar ist. Maßnahmen zur Barrierefreiheit durchzuführen, wird im Rahmen einer Zumutbarkeitsprüfung zu beurteilen sein (§ 6 Abs 2 BGStG). Dabei sind folgende Kriterien zugrunde zu legen:
- der mit der Beseitigung eines Hindernisses verbundene Aufwand,
- die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens,
- Förderungen dafür aus öffentlichen Mitteln,
- die Zeit, die zwischen dem Inkrafttreten des Gesetzes und der behaupteten Diskriminierung verstrichen ist,
- die Auswirkung der Benachteiligung auf die allgemeinen Interessen von behinderten Personen.
Im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung ist auch zu beachten, ob zumindest der Versuch unternommen wurde, die Bedürfnisse behinderter Personen zu berücksichtigen. Auch wenn eine vollständige Barrierefreiheit wegen allfälliger Unzumutbarkeit nicht erreicht werden kann, dienen alle zumutbaren Maßnahmen der Verbesserung. Ob die Maßnahmen zumutbar und wieweit sie ausreichend sind, ist im Einzelfall zu beurteilen.
Wie ist bei Diskriminierung durch einen Verstoß gegen die Barrierefreiheit vorzugehen?
Zunächst ist festzustellen, ob ein Verstoß gegen die Barrierefreiheit zu einem Schadenersatzanspruch führt, den der Behinderte gerichtlich geltend machen kann. Davor hat aber der diskriminierte Behinderte zwingend beim Sozialministerium-Service ein kostenloses Schlichtungsverfahren zwecks Erreichung einer außergerichtlichen Einigung zu beantragen (§ 14 Abs 2 BGStG). Die Kosten für die Mediation, Dolmetscher sowie sonstigen Fachleuten trägt der Bund nach entsprechenden vom Bundesministerium erlassenen Richtlinien.
(Näheres dazu auf www.sozialministeriumservice.at).
Kommt es zu keiner Einigung, wird dies von der Schlichtungsstelle bescheinigt. Die betroffene Person kann nun bei Gericht eine Klage auf Schadenersatz einbringen, und zwar auf Ersatz des materiellen Schadens (d.h. des Schadens, der durch die Diskriminierung tatsächlich in Geld entstanden ist) und des immateriellen Schadens (d.h. des persönlichen Schadens, der bei der Diskriminierung durch Kränkung oder Beleidigung entstanden ist). Das Gericht hat dabei insbesondere vom Ergebnis der Zumutbarkeitsprüfung auszugehen.
Das Gesetz sieht jedoch bei Verstößen gegen die Barrierefreiheit keine gerichtlichen Strafen oder Verwaltungsstrafen vor.
Auswirkungen der Barrierefreiheit auf die Brauchbarkeit eines Bestandobjektes
Für Verträge vor dem 1.1.2006 (Inkrafttreten des BGStG) hat dieses keine Auswirkungen. Für Verträge nach dem 1.1.2006 kommt es darauf an, ob fehlende Barrierefreiheit bei Vertragsabschluss ersichtlich war. Wenn dies der Fall gewesen ist, kann sich der Bestandnehmer nicht darauf berufen. War jedoch Barrierefreiheit ausdrücklicher Vertragsbestandteil sind Mietzinsminderungsansprüche der Mieter jedenfalls gegeben. Bei bestimmten unternehmerischen Geschäftszwecken wie im Gesundheitsbereich, welche etwa der Förderung oder Wiederherstellung der Bewegungsfähigkeit dienen, kann sich die Notwendigkeit der Barrierefreiheit aus der Verkehrsauffassung ergeben. In anderen Bereichen ist dies jedoch nicht anzunehmen.
Barrierefreiheit nach MRG
Aus den Bestimmungen über die Erhaltung des Hauses, der Mietgegenstände in Bezug auf ernste Schäden und zur Vermeidung von erheblichen Gesundheitsgefährdungen ist keine Verpflichtung zur Erhaltung durch den Vermieter abzuleiten (§ 3 Abs 2 MRG). Auch aus dem „dynamischen Erhaltungsbegriff“ kann nach der Judikatur allerdings auch keine Verpflichtung des Vermieters zur permanenten Modernisierung abgeleitet werden (RIS – Justiz RS0116713). In den Bestimmungen über die nützlichen Verbesserungen durch bautechnische Maßnahmen hat der Vermieter auf Antrag auch nur eines Mieters einen dem Stand der Technik entsprechenden Behindertenaufzug zu errichten, wenn dies dem Vermieter nach Interessensabwägung zumutbar ist, und auch der Mieter die Kosten trägt (§ 4 Abs 5 MRG). Somit fallen Maßnahmen zur Schaffung von Barrierefreiheit weder unter die Erhaltungs- noch Verbesserungsarbeiten nach §§ 3 und 4 MRG (immolex 2015, 333). Nach § 9 MRG ist der Mieter zu gewissen Veränderungen unter bestimmten Voraussetzungen an seinem Mietobjekt berechtigt. Darunter fallen auch Maßnahmen der Barrierefreiheit, soferne die Veränderung dem Stand der Technik und damit der BauO entspricht, der Übung des Verkehrs und einem wichtigen Interesse des Mieters dient (§ 9 Abs 1 Z1 und 2 MRG). Dabei muss die einwandfreie Ausführung gewährleistet sein und der Mieter die Kosten tragen (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4 MRG).
Nachdem behindertengerechte Maßnahmen auch von den Gebietskörperschaften gefördert werden, stellen diese privilegierte Veränderungen dar, sodass der Vermieter bei Beendigung des Mietverhältnisses keine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes verlangen kann (§ 9 Abs 3 MRG, Immolex 2015, 336).
Fazit
Auch wenn die Maßnahmen für die Barrierefreiheit im MRG sehr eingeschränkt sind, ist festzuhalten, dass bei Sanierung, Umbauarbeiten oder Standardanhebung unbedingt Maßnahmen in Bezug auf die Barrierefreiheit berücksichtigt werden sollten, wenn dies zumutbar ist.
Autor
Mag. Roman Reßler ist Rechtsberater im Zentralverband Haus und Eigentum. Schon während seines Studiums war er als Eigentümer von Liegenschaften mit Fragen des Miet- und Wohnrechts beschäftigt. Nach Absolvierung des rechtswissenschaftlichen Studiums und des Gerichtsjahres mit dem Schwerpunkt „Wohnrecht“ sammelte er weitere praktische Erfahrungen in einer Hausverwaltung. Im Jahre 2001 begann er seine Tätigkeit als Rechtsberater im Zentralverband Haus und Eigentum, wo er für die persönliche Mitgliederberatung verantwortlich ist.
Neben seiner Tätigkeit als Rechtsberater verfasst er auch juristische Fachartikel in der monatlich erscheinenden Mitgliederzeitung „Haus & Eigentum“.