Über 300 Mustervorlagen, Fachinformation, aktuelle Judikatur
» Mehr Infos zum Portal Wohnrecht
Ihre Suche nach gerichtlicher lieferte 101 Ergebnisse.
Inanspruchnahme von Nachbargrundstücken im Rahmen von Baumaßnahmen
Experte RA Mag. Frank geht in seinem Beitrag anhand richtungsweisender Judikatur auf die Thematik ein und gibt Tipps, was Bauherren bereits im Vorfeld beachten sollten, um einen Eingriff in Besitz- und Eigentumsrechte möglichst zu verhindern.
Problemstellung
Aufgrund immer dichter werdender Besiedlung wird das Ausführen eines Bauvorhabens zunehmend schwieriger. Insbesondere herrscht ein Interessenskonflikt zwischen dem Bauherrn, der ein Projekt umsetzen möchte, und den Nachbarn, die in der Nutzung ihrer eigenen Grundstücke nicht gestört werden wollen.
Turmdrehkranerkenntnis
Ein Eingriff in Besitz- und Eigentumsrechte ist jedoch rasch geschehen. So hatte der Oberste Gerichtshof bereits im bekannten Turmdrehkranerkenntnis (OGH vom 27.08.1969, 5 Ob 193/69, Sz 42/116) folgenden Sachverhalt zu beurteilen:
Der Kläger war grundbücherlicher Eigentümer einer Liegenschaft mit einem darauf befindlichen Wohnhaus und einer Garage. Auf der angrenzenden Grundparzelle wurde im Abstand von ca 4 m zur gemeinsamen Grundgrenze die Errichtung eines Wohnhauses genehmigt. Zur Durchführung des Baues stellte die bauausführende Firma einen Turmdrehkran auf, der mit seinem Horizontalausleger und dem Gegengewicht fallweise in den Luftraum der angrenzenden Liegenschaft des Klägers hineinragte. Es war bei den gegebenen Verhältnissen nicht möglich, den Kran so aufzustellen, dass dabei nicht der Grund des Klägers überragt wurde.
Der Kläger begehrte daraufhin das gerichtliche Urteil, wonach die Verwendung des Turmdrehkrans zu unterlassen ist. Hierzu führte der Oberste Gerichtshof aus, dass der Luftraum über einem Grundstück der Herrschaft des Eigentümers untersteht, und hierzu auch die Luftsäule über dem Grundstück zählt, sofern die Möglichkeit einer Einwirkung besteht. Ein Turmdrehkran verletzt den Luftraum des Eigentümers in einer Höhe, in der die Möglichkeit einer Einwirkung anzunehmen sei, zumal mit der Gefährdung des darunterliegenden Grundstückes und seiner Bewohner gerechnet werden kann. Der Oberste Gerichtshof bestätigte daher das gefällte Unterlassungsurteil.
Hinweis:
Es ist also zu beachten, dass die Benutzungen fremden Grundes, ja sogar der Eingriff in den Luftraum über einem fremden Grundstück, ohne Zustimmung des Eigentümers bzw der Nutzungsberechtigten unzulässig ist.
Bauvorschriften in den Bundesländern
In den Bauvorschriften der neun Bundesländer wurde diesem Umstand Rechnung getragen. Alle Bundesländer haben in ihren Bauvorschriften nämlich vorgesehen, dass die jeweilige Baubehörde mittels Beschluss die Zulässigkeit der Inanspruchnahme angrenzender Grundstücke verfügen kann.
Voraussetzung für eine solche Inanspruchnahme gegen den Willen benachbarter Grundstückseigentümer ist, dass sich die Bauführung (allenfalls auch die Errichtung von Plänen oder technische Vorarbeiten) nicht oder nur unter unverhältnismäßig hohen Kosten bewerkstelligen lässt.
Verpflichtete solcher Bescheide sind jedenfalls die Grundeigentümer. Allerdings ist in manchen Bauvorschriften auch vorgesehen, dass sonstige Nutzungsberechtigte (beispielsweise Mieter) ebenso zur Duldung verpflichtet werden können (so in den Ländern Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg).
Einige Bundesländer haben eine Informationsfrist vorgeschrieben, sodass Eigentümer oder Nutzungsberechtigte der in Anspruch genommenen Grundstücke zwei bzw vier Wochen vor dem Eingriff zu verständigen sind.
Die meisten Bauvorschriften sehen eine Verpflichtung des Bauherrn vor, den ursprünglichen Zustand am benachbarten Baugrundstück oder seiner baulichen Anlagen wiederherzustellen.
Sollte dennoch ein Schaden oder Nachteil verbleiben, so ist Schadenersatz zu leisten. Über diesen Schadensersatzanspruch hat – je nach Bundesland – entweder die Baubehörde, eine andere Behörde, oder ein Gericht zu entscheiden.
Gemeinsam ist all diesen Vorschriften der Gedanke, einen sachlichen Ausgleich zwischen dem Interesse des Bauherren auf die Ermöglichung seines Bauvorhabens und den Interessen der Grundstücksnachbarn auf die Unversehrtheit ihres Eigentums oder Besitzes zu finden.
Tipp für Bauherren
Für Bauherren erweist es sich als sinnvoll, sich schon in der Planungsphase mit allfälligen Erfordernissen der Inanspruchnahme nachbarlicher Grundstücke auseinanderzusetzen, um allenfalls bereits im Baubewilligungsverfahren sich ein Recht auf eine solche Inanspruchnahme einräumen zu lassen. Andernfalls könnte das Bauvorhaben erheblich verzögert werden.
Tipp für Grundstücksnachbarn
Grundstücksnachbarn wiederum brauchen sich – ohne entsprechende behördliche Bescheide – einen Eingriff in ihren Besitz oder ihr Eigentum grundsätzlich nicht gefallen zu lassen.
Die unterschiedlichen Detailregelungen machen es im Regelfall jedoch erforderlich, sich rechtlichen Rat bei der Behörde oder einem Rechtsanwalt zu holen.
Autor
Der Autor ist selbstständiger Rechtsanwalt in Graz und schwerpunktmäßig mit baubewilligungs- und bauvertragsrechtlichen Problemstellungen befasst.
Mag. Rainer Frank,
Joanneumring 6, 8010 Graz
Tel. 0316/840 660
E-Mail frank@folkfrank.at