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Grenzen des Mietzinsminderungsrechtes (negative Folgen nach Vertragsabschluss)
Gastautor Mag. Roman Reßler erläutert anhand aktueller Judikatur, in welchen Fällen kein Anspruch auf Mietzinsminderung seitens des Mieters besteht.
Rechtsgrundlagen:
§ 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB, § 364 Abs 2 ABGB
Sachverhalt:
Ein Vermieter als Eigentümer einer Wohnung in einem Wiener Innenstadthaus schloss mit einem Rechtsanwalt als Mieter einen Mietvertrag über eine Wohnung im 5. Obergeschoss ab. Die Wohnung weist eine Wohnfläche von insgesamt 124,83 m² auf. Mit einer Innenstiege verbunden ist ein nicht winterfester Wintergarten im Ausmaß von 22,87 m² sowie eine Terrasse von 33,17 m². Der Vermieter übernimmt laut Mietvertrag keine Gewähr für einen bestimmten Zustand, eine bestimmte Eignung oder eine besondere Beschaffenheit des Mietgegenstandes. Der Rechtsanwalt war an dem Mietobjekt deshalb interessiert, weil es nur wenige hundert Meter von seiner Rechtsanwaltskanzlei entfernt liegt. Nachdem der Wintergarten im Winter nicht nutzbar ist, vereinbaren die Parteien sogar einen Abzug von der Mietzinshöhe. Über allfällige Umbaumaßnahmen an den angrenzenden Liegenschaften wurde jedenfalls nicht gesprochen. Der Nettohauptmietzins beträgt Euro 1250,–. In den kommenden 2 Jahren führte der beklagte Rechtsanwalt umfangreiche Umbau- und Sanierungsarbeiten in der Wohnung durch.
Im Jahre 2006 begannen an einem angrenzenden Haus baubehördlich genehmigte Ausbauarbeiten. Der Ausbau besteht aus 4 generalsanierten Etagen und Terrassen, die auf einem Zubau errichtet wurden. Der Zubau überragt das Bestandobjekt des Vermieters um ca 6–7 Meter. Aufgrund der Aufstockung wurde sowohl eine Verminderung der Sonneneinstrahlung auf die Terrasse des Rechtsanwaltes als auch eine Beeinträchtigung des Fernblickes zur Wiener Staatsoper bewirkt. Im September 2007 begannen an einem anderen angrenzenden Haus ebenfalls behördlich genehmigte Aufstockungsarbeiten. Bis dahin gab es dort auf der Höhe der Terrasse des Beklagten ebenfalls eine Terrasse, welche nun als Wintergarten verbaut wurde. Das schräg abfallende Dach wurde begradigt und eine neue Terrasse errichtet.
Die Wohnsituation gestaltet sich nun so, dass sich oberhalb des Wintergartens eine 2. Terrasse befindet, welche ca 6 m höher liegt als die Wohnung des Beklagten, von der das Schlafzimmer und die Terrasse des Beklagten einsehbar sind. Etwa gleichzeitig wurden an einem 3. Nachbarhaus baubehördlich bewilligte Bauarbeiten durchgeführt. Durch den neuerrichteten Balkon kann man auf die Fenster eines Ganges in der Wohnung des Beklagten, der zwischen Wohnraum und Schlafzimmer verläuft und als Garderobe dient, sehen. Diese Fenster sind weder mit Vorhängen noch mit Jalousien ausgestattet. Die Sichtbeeinträchtigung geht sogar so weit, dass man von einem Fenster der Wohnung nur mehr auf eine in ca 4–5 m Entfernung neu errichtete Wand sieht.
Aufgrund dieser Situation begehrte der Rechtsanwalt als beklagte Partei eine Mietzinsreduktion im Ausmaß von 26,10 % des Bruttomietzinses und begründete dies mit einer Gebrauchsbeeinträchtigung, welche durch die Umbauten an den 3 Nachbarobjekten verursacht wurde. Durch diese käme es zu einer massiven Beeinträchtigung der Lichtsituation und einer wesentlichen Verschlechterung des Ausblicks aus seiner Wohnung. Bei exklusiven Dachgeschossobjekten hänge – nach Ansicht des Rechtsanwaltes – deren Qualität von so genannten „No go-Kriterien“ ab. Dazu zählen ein entsprechender Ausblick und ein Erholungsfaktor, welcher durch gewisse Uneinsehbarkeit von den Nachbarliegenschaften gekennzeichnet wären.
Das Erstgericht gab dem Klagsbegehren des Eigentümers statt und verwies darauf, dass die vom Anwalt geltend gemachten Beeinträchtigungen keine Abweichungen vom bedungenen Gebrauch betreffen. Eine bestimmte Beschaffenheit bzw Einsehbarkeit oder Aussicht sei nicht vereinbart worden, sodass der bedungene Gebrauch auch nicht objektiv gestört wäre. Überdies wären Aufstockungen im städtischen Gebiet ortsüblich, sodass keine Einwirkung nach § 364 Abs 2 ABGB vorliege.
Die 2. Instanz gab der Berufung des beklagten Anwaltes nicht Folge und argumentierte ausdrücklich, dass der Vermieter dem Mieter nur jenen Gebrauch, der ausdrücklich oder nach dem Zweck des Vertrages oder der Verkehrssitte als bedungen anzusehen sei, schulde. Dachgeschossausbauten sowie Wintergärten wären im Stadtzentrum durchaus ortsüblich und eine offenkundige Tatsache, sodass grundsätzlich mit Beeinträchtigungen in Bezug auf Aussicht, Einsicht oder Lichteinfall zu rechnen sei. Der im Mietvertrag bedungene Gebrauch wäre daher nach Ansicht des Berufungsgerichts als gegeben anzusehen und dem Beklagten daher kein Mietzinsminderungsanspruch zuzusprechen.
Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig, da eine oberstgerichtliche Entscheidung zur Frage fehle, ob ein Mieter in Zentrumslage im großstädtischen Bereich aufgrund bestehender Verkehrssitte eine derartige Beeinträchtigung ohne Mietzinsminderungsanspruch hinnehmen müsse.
Rechtliche Beurteilung:
Die Mietzinsminderung nach § 1096 Abs 1 Satz 2 ABGB ist als wichtigster Gewährleistungsbehelf des Bestandsrechtes anzusehen. Bei nicht ordnungsgemäßer Erfüllung des Mietvertrages durch den Vermieter kann der Mieter ohne Rücksicht auf Verschulden des Vermieters entweder die Zuhaltung des Vertrages begehren, zurücktreten oder aufgrund des § 1096 Abs 1 ABGB seinen Anspruch auf Mietzinsminderung geltend machen. Für das Ausmaß der Zinsbefreiung ist der Grad der Unbrauchbarkeit entscheidend, wobei Parteiwille, Verkehrssitte und Dauer der Unbrauchbarkeit zu berücksichtigen sind (Mietslg. 45 101, Mietslg. 42 097).
Aufgrund der allgemeinen Gefahrtragungsregel des § 1096 ABGB trifft den Bestandgeber das Risiko, für alle auf Zufälle beruhenden Umstände, welche den Ausfall oder eine wesentliche Einschränkung des Gebrauchsnutzens der Bestandsache zur Folge haben. Dies kann bis zum Verlust des ganzen Mietzinsanspruchs des Vermieters gehen.
Beeinträchtigungen, wie etwa durch Lärm, Schattenwurf, Entziehung von Licht durch Bauwerke auf einem Nachbargrundstück sowie der Entzug der Aussicht, sind nach der Regelung des § 364 Abs 2 ABGB zu beurteilen. Nach Ansicht des OGH sind Einwirkungen, die sich als Änderungen gegenüber dem tatsächlichen Zustand zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages darstellen, vom Mieter zu dulden, wenn sie das ortsübliche Maß nicht überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Mietobjektes nicht wesentlich beeinträchtigen. Demnach seien negative Einwirkungen – wie Schattenwurf, Entziehung von Licht oder der Entzug der Aussicht – keine Immission (1 Ob 2170/96s).
Im gegenständlichen Fall wurde im Mietvertrag keine ausdrückliche Vereinbarung über den Erhalt der beschränkten Einsehbarkeit von Terrasse oder Wohnung, einer bestimmten Aussicht oder eines bestimmten Sonneneinfallswinkels getroffen. Der Vermieter schulde daher – nach Ansicht des Höchstgerichtes – nur die durchschnittliche Brauchbarkeit des Bestandgegenstandes. Dies sei auch durch die Vereinbarung im Mietvertrag manifestiert, wonach der Vermieter keine Gewähr für eine bestimmte Eigenschaft des Objektes leiste. So gesehen schulde der Vermieter dem Mieter nur die durchschnittliche Brauchbarkeit des Bestandsgegenstandes.
Des Weiteren habe man mit baulichen Veränderungen an Nachbarhäusern vor allem im innerstädtischen Gebiet, mit Veränderungen in Bezug auf Aussicht und Einsehbarkeit bzw auf geänderte Lichtverhältnisse, zu rechnen. Diese Änderungen könnten sich für eine Wohnung positiv, aber auch negativ, auswirken. Der subjektive Anspruch eines Mieters darauf, dass sich die Umgebung nicht mehr ändern wird, sei jedenfalls zu verneinen.
Gerade zum Zeitpunkt des Abschlusses des gegenständlichen Mietvertrages im Jahre 2003 waren Dachbodenausbauten und die Errichtung von Dachterrassen insbesondere im Zentrumsbereich von Wien keine Seltenheit. Der Mieter musste jedenfalls damit rechnen.
Obwohl es im Einzelfall subjektiv bedauerlich ist, habe er diese Änderungen jedoch hinzunehmen.
Fazit:
Der Argumentation des OGH ist vorbehaltlos zuzustimmen.
Es macht einen Unterschied, ob durch bestimmte Umstände, die auf Zufällen beruhen, eine Einschränkung des Gebrauchsrechtes des Mieters verursacht wird, oder ob eine Änderung der Nutzbarkeit vorhersehbar ist und diese zum allgemeinen Lebensrisiko des Mieters zugeschrieben werden muss.
Im gegenständlichen Fall musste der Mieter von Anfang an damit rechnen, dass sich die Umgebung ändert.
Der Unterschied zu anderen Fällen liegt darin, dass es im gegenständlichen Fall nicht zu einer Beeinträchtigung der Nutzungsrechte des Mieters gekommen ist, da sich nur die Umgebung der Wohnung des beklagten Anwalts geändert hat. Die Änderung einer Wohnumgebung ist jedoch nicht als Immission im Sinne des § 364 Abs 2 od. Abs 3 ABGB zu qualifizieren, da der Mieter typischerweise im innerstädtischen Bereich mit Aufstockungen und Änderungen von Gebäudestrukturen zu rechnen habe.
Anders würde der Fall jedenfalls dann liegen, wenn Umstände aufträten, welche außerhalb jeglicher Erwartungen bzw „Erlebniserfahrung“ lägen. Erst dann wäre die Grenze zum Mietzinsminderungsanspruch des Mieters überschritten.
7 Ob 253/09w vom 03.03.2010
Autor:
Mag. Roman Reßler ist Rechtsberater im Zentralverband der Hausbesitzer von Wien. Schon während seines Studiums war er als Eigentümer von Liegenschaften mit Fragen des Miet- und Wohnrechts beschäftigt. Nach Absolvierung des rechtswissenschaftlichen Studiums und des Gerichtsjahres mit dem Schwerpunkt „Wohnrecht“ sammelte er weitere praktische Erfahrungen in einer Hausverwaltung. Im Jahre 2001 begann er seine Tätigkeit als Rechtsberater im Zentralverband der Hausbesitzer von Wien, wo er für die persönliche Mitgliederberatung verantwortlich ist.
Neben seiner Tätigkeit als Rechtsberater verfasst er auch juristische Fachartikel in der monatlich erscheinenden Mitgliederzeitung „Haus & Eigentum“.