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Vollwärmeschutz der Fassade: Ist der Vermieter dazu verpflichtet?
Aktuelle OGH-Entscheidung: Führt jeglicher Reparaturbedarf an der Fassade zu einer Verpflichtung des Vermieters zur Anbringung eines Vollwärmeschutzes?
Geschäftszahl
OGH 02.11.2022, 5 Ob 145/22t
Norm
Leitsatz
Quintessenz:
Dient die Anbringung eines Vollwärmeschutzes der Anpassung an die Entwicklung der Bautechnik und ist die entsprechende Neuherstellung der Fassade nach dem aktuellen technischen Standard im Vergleich zu den Kosten der bloßen Reparatur als wirtschaftlich vertretbar anzusehen, ist von einer Erhaltungsarbeit iSd § 3 Abs 2 Z 1 MRG auszugehen. Demnach führt nicht schon jeglicher Reparaturbedarf an der Fassade zu einer Verpflichtung des Vermieters zur Anbringung eines Vollwärmeschutzes.
OGH: Die Bestimmung des § 14a Abs 1 WGG idF vor BGBl 157/2015 zu den Erhaltungspflichten der Bauvereinigung ist nahezu wortgleich zu § 3 Abs 2 Z 1 und Z 5 MRG, sodass die hiezu ergangene Rechtsprechung sinngemäß heranzuziehen ist. Die Erhaltung umfasst gemäß § 14a Abs 2 Z 1 WGG die Arbeiten, die zur Erhaltung der allgemeinen Teile der Baulichkeit erforderlich sind, sowie gemäß § 14a Abs 2 Z 5 WGG idF vor BGBl 157/2015 die der Senkung des Energieverbrauchs sonst dienenden Ausgestaltungen der Baulichkeit, wenn und insoweit die hiefür erforderlichen Kosten in einem wirtschaftlich vernünftigen Verhältnis zum allgemeinen Erhaltungszustand und den zu erwartenden Einsparungen stehen.
§ 3 Abs 1 MRG enthält nach stRsp den „dynamischen Erhaltungsbegriff“, weshalb auch eine Erneuerung (Verbesserung) schadhaft gewordener Teile des Hauses Erhaltungsarbeit iSd § 3 Abs 2 Z 1 MRG ist. Voraussetzung für die Qualifikation als Erhaltungsarbeit ist ein Mangel im Sinn einer Reparaturbedürftigkeit. Dies gilt allerdings nicht für die so genannten „fiktiven“ Erhaltungsarbeiten nach § 3 Abs 2 Z 4–6 MRG.
Für die Abgrenzung der Erhaltung von der Verbesserung ist die Erhaltung „im jeweils ortsüblichen Standard“ von Bedeutung, sodass zweckmäßige und wirtschaftlich gebotene Erneuerungsarbeiten zur Erhaltung bestehender Anlagen jedenfalls noch zur Erhaltung gehören.
Zur Senkung des Energieverbrauchs führende Maßnahmen wie die Aufbringung eines äußeren Fassadenvollwärmeschutzes sind kraft Gesetzes (§ 3 Abs 2 Z 5 MRG) das gesamte Haus betreffende Erhaltungsarbeiten. Auf eine Reparaturbedürftigkeit kommt es insoweit nicht an.
Dienen wärmedämmende Maßnahmen wie die Anbringung eines Vollwärmeschutzes der Anpassung an die Entwicklung der Bautechnik und einer zeitgemäßen Wohnkultur und ist eine derartige Neuherstellung der Fassade nach dem aktuellen technischen Standard im Vergleich zu den Kosten der bloßen Reparatur als wirtschaftlich vertretbar anzusehen, wäre – im Rahmen des dynamischen Erhaltungsbegriffs – von einer Erhaltungsarbeit iSd § 3 Abs 2 Z 1 MRG bzw § 14a Abs 2 Z 1 WGG auszugehen. Bei einem solchen Verständnis des dynamischen Erhaltungsbegriffs führt nicht schon jeglicher Reparaturbedarf an der Fassade zu einer – von den Mietern durchsetzbaren – Verpflichtung zur Anbringung eines Vollwärmeschutzes und auch die Anwendung von § 3 Abs 2 Z 5 MRG bzw § 14a Abs 2 Z 5 WGG ist nicht auf Fälle beschränkt, wo gar kein Reparaturbedarf an der Fassade besteht.
Für eine abschließende Beurteilung reichen die Feststellungen im Anlassfall nicht aus. Im fortgesetzten Verfahren wird vielmehr festzustellen sein, in welchem Umfang eine Reparaturbedürftigkeit der Fassade tatsächlich bestand und ob die Erneuerung durch Anbringung einer Vollwärmeschutzfassade als wirtschaftlich vertretbar anzusehen ist. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die Erneuerung der vorhandenen Wärmeschutzfassade an einer Hauswand jedenfalls Erhaltungsarbeit iSd § 3 Abs 2 Z 1 MRG bzw § 14a Abs 2 Z 1 WGG darstellt.