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5 Ob 128/12b; OGH; 26. Juli 2012
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. N***** L*****, vertreten durch Dr. Thomas Krankl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei F***** S*****, vertreten durch Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtsachen Wien als Berufungsgericht vom 15. Februar 2012, GZ 38 R 241/11i-57, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1. Die behauptete Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, weil die Beischaffung eines Aktes über ein weiteres zwischen den Streitteilen anhängiges Verfahrens unterblieb, hat bereits das Berufungsgericht verneint, sodass sie auch nicht mehr erfolgreich an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann (RIS-Justiz RS0042963). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang das Fehlen von Feststellungen rügt, macht er keinen Revisonsgrund nach § 503 Z 2 ZPO geltend.
2. Ein erheblich nachteiliger Gebrauch des Mietgegenstands iSd § 30 Abs 2 Z 3 1. Fall MRG liegt vor, wenn durch eine wiederholte, längerwährende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgte oder auch nur droht (RIS-Justiz RS0067832; RS0068076; RS0067939; 5 Ob 142/11k). Ob dieser Kündigungsgrund verwirklicht ist, hängt typisch von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0113693; RS0021018) und begründet damit regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RIS-Justiz RS0113693; RS0021095). Eine im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts liegt nicht vor.
3. Verweigert der Mieter dem Vermieter den Zugang zum Bestandobjekt, dann verwirklicht ein solches Verhalten nur ausnahmsweise, etwa im Fall einer akuten Gefahrensituation, einen Kündigungsgrund (RIS-Justiz RS0068424 [T1]). Im vorliegenden Fall stand die notwendige Sanierung der Elektroinstallationen an, die den Zugang zum Mietobjekt erforderlich machte. Die Mitwirkungsverweigerung des Beklagten resultierte aber nicht zuletzt aus der Forderung des vom Kläger beauftragten Professionisten, die Wohnung leerzuräumen und auszuziehen, wozu der Beklagte aber nach der vom Kläger erwirkten Entscheidung der Schlichtungsstelle nicht verpflichtet war. Ein völliges Leerräumen der Wohnung war zur Durchführung der Arbeiten auch nicht erforderlich.
Selbst eine Verbesserung gegen den Willen des Vermieters bedeutet nicht in jedem Fall die Verwirklichung des Kündigungstatbestands nach § 30 Abs 2 Z 3 1. Fall MRG (vgl Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht²² § 30 Rz 17 mwN). Dass die Vorinstanzen in der Beauftragung der Erhaltungsarbeiten durch den Beklagten einen nachteiligen Gebrauch und damit diesen Kündigungstatbestand nicht verwirklicht sahen, stellt in Anbetracht der ordnungsgemäßen Ausführung dieser Arbeiten keine Fehlbeurteilung dar. Ob bzw in welcher Höhe der Beklagte berechtigt ist, vom Kläger Ersatz für die von ihm in diesem Zusammenhang aufgewendeten Kosten zu begehren, ist nicht im Kündigungsprozess zu klären. Zur Beurteilung des geltend gemachten Kündigungsgrundes bedurfte es daher auch keiner weitergehenden Feststellungen durch die Tatsacheninstanzen.
4. Auch die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten des Mieters oder seiner Mitbewohner den Kündigungsgrund des unleidlichen Verhaltens nach § 30 Abs 2 Z 3 2. Fall MRG verwirklicht hat, ist immer einzelfallbezogen, weswegen ihr keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt (RIS-Justiz RS0042984), sofern nicht eine im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts vorliegt (RIS-Justiz RS0042984 [T6, T8]). Das ist nicht der Fall.
5. Vom Schutzzweck dieses Kündigungstatbestands ist grundsätzlich auch der nicht im Haus lebende Vermieter erfasst (Würth/Zingher/Kovanyi aaO,Rz 21). Gegen diesen richten sich nach den Feststellungen die dem Beklagten als unleidliches Verhalten vorgeworfenen Ausfälle in englischer Sprache, die von den Vorinstanzen als „irrational und skurril“ bezeichnet werden. Zwar kann das hohe Alter des Beklagten allein keinen Freibrief für ein unleidliches Verhalten begründen (RIS-Justiz RS0067759). Angriffe gegen die Ehre, insbesondere durch Beschimpfungen, müssen aber schwerwiegend sein, um den Kündigungsgrund zu verwirklichen (Würth/Zingher/Kovanyi aaO,Rz 18 mwN; 7 Ob 250/98k = MietSlg 51.388). Nach den Vorinstanzen sind mit den Ausfällen des Beklagten keine Kraftausdrücke verbunden. Es begründet daher auch keine krasse Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts, wenn dieses in Anbetracht des fortgeschrittenen Alters des Beklagten und dessen Gebrechlichkeit von nicht ernst gemeinten Unmutsäußerungen ausging und den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 3 2. Fall MRG gerade noch nicht als verwirklicht ansah. Weitergehender Feststellungen durch die Tatsacheninstanzen bedurfte es hier schon deshalb nicht, weil die Beschimpfungen des Beklagten unstrittig (§ 267 Abs 1 ZPO) und dem Wortlaut nach zum Teil durch Urkunden belegt waren.
Leitsätze
-
Verbesserung gegen den Willen des Vermieters als Kündigungsgrund iSd § 30 Abs 2 Z 3 1. Fall MRG?
Die Verbesserung gegen den Willen des Vermieters bedeutet nicht in jedem Fall die Verwirklichung des Kündigungstatbestands nach § 30 Abs 2 Z 3 1. Fall MRG.Iman Torabia | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 128/12b | OGH vom 26.07.2012 | Dokument-ID: 488150