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Zur Anfechtung wegen formeller Mängel gemäß § 24 Abs 6 WEG 2002: Verspätet geltend gemachte Anfechtungsgründe
Für die Anfechtung wegen formeller Mängel gilt, dass der Antragsteller den bestimmten Rechtsgrund, auf den er die Anfechtung stützt, anzuführen und das Gericht nicht von sich aus auch völlig andere Tatbestandsvoraussetzungen zu prüfen hat.
Geschäftszahl
OGH 14.06.2016, 5 Ob 20/16a
Norm
§§ 23 letzter Satz, 24 Abs 6 WEG 2002
Leitsatz
Quintessenz:
Im Verfahren nach § 24 Abs 6 WEG 2002 hat sich der Prüfumfang des Gerichts lediglich auf den geltend gemachten Beschlussanfechtungsgrund zu beschränken. Auch für die Anfechtung wegen formeller Mängel gilt, dass der Antragsteller den bestimmten Rechtsgrund, auf den er die Anfechtung stützt, anzuführen und das Gericht nicht von sich aus auch völlig andere Tatbestandsvoraussetzungen zu prüfen hat. Verspätet geltend gemachte Anfechtungsgründe sind verfristet und unbeachtlich.
OGH: Im vorliegenden Fall begehrten die Antragsteller mit ihrem Antrag vom 22.12.2011 die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses der Eigentümergemeinschaft wegen formeller Mängelund Gesetzeswidrigkeit. Begründet wurde dies im Grunde damit, dass der Aushang des Mehrheitsbeschlusses am 22.11.2011 erfolgt sei und dabei die unrichtige Rechtsbelehrung enthalten habe, dass der Einspruch binnen Monatsfrist bis längstens 22.12.2012 erfolgen müsse. Der gegenständliche Umlaufbeschluss sei außerdem initiiert worden, als vor dem Erstgericht bereits ein Verfahren zur Bestellung eines einstweiligen Verwalters anhängig gewesen sei.
Im Rahmen der Verhandlung vom 04.11.2014 brachten die Antragsteller zusätzlich vor, dass zwischen jener Hausverwaltung, die nach dem angefochtenen Beschluss mit der Verwaltung betraut werden sollte, und der Zweitantragsgegnerin (bisherige Verwalterin) ein wirtschaftliches Naheverhältnis bestehe. Der Ansicht der Antragsteller zufolge sei dieses Vorbringen, da sie ihre Anfechtung sowohl auf eine formelle als auch auf eine materielle Mangelhaftigkeit gestützt hätten, nicht verspätet, sondern als Präzisierung der Mangelhaftigkeit in der Willensbildung anzusehen ist.
Gemäß § 24 Abs 6 WEG 2002 kann jeder Wohnungseigentümer innerhalb eines Monats ab Anschlag eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft mit einem gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richtenden Antrag verlangen, dass die Rechtsunwirksamkeit des Beschlusses wegen formeller Mängel, Gesetzwidrigkeit oder Fehlens der erforderlichen Mehrheit gerichtlich festgestellt wird. Die hierbei normierte Anfechtungsfrist stellt eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist dar.
Für den Beginn des Fristenlaufs ist grundsätzlich der Tag des Hausanschlags entscheidend. § 24 Abs 5 WEG 2002 sieht eine individuelle Verständigung des Wohnungseigentümers durch Übersendung des Beschlusses – dem neben einem Hinweis auf die Maßgeblichkeit des Anschlags für die Anfechtung auch dessen Tag und das sich daraus ergebende Ende der Anfechtungsfrist beizufügen ist – zwar vor, die Rechtswirksamkeit des Beschlusses bleibt davon aber unberührt.
Nach § 23 letzter Satz WEG 2002 endet die Vertretungsbefugnis des einstweiligen Verwalters mit der Bestellung eines Verwalters durch die Gemeinschaft. Dies gehört zu den Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung und erfolgt mit einfachem Mehrheitsbeschluss. Die Tatsache, dass die gegenständliche Beschlussfassung initiiert wurde, obwohl beim Erstgericht über Verlangen der Antragsteller ein Verfahren zur Bestellung eines einstweiligen Sachwalters anhängig war, begründet keinen Anfechtungsgrund nach § 24 Abs 6 WEG 2002.
Die Beschlussanfechtung wird grundsätzlich von der Dispositionsmaxime getragen, was bedeutet, dass dem Gericht hierbei keine Regelungsfunktion zukommt. Es ist an den Sachantrag der anfechtenden Miteigentümer insoweit gebunden, als es ihm stattgeben oder ihn abweisen kann, ohne eine allenfalls billige Lösung für alle Beteiligten zu finden. Im Verfahren nach § 24 Abs 6 WEG 2002 hat sich der Prüfumfang des Gerichts nur auf den geltend gemachten Beschlussanfechtungsgrund zu beschränken. Somit bedarf es eines konkreten Vorbringens, aus welchen Gründen die Beschlussfassung formell mangelhaft sein soll.
Das Rekursgericht stützte seine Ansicht auf die Entscheidung 5 Ob 197/97z, in welcher der OGH zur Rechtslage vor dem WEG 2002 ausgesprochen hat, dass bei einem lediglich im Hinblick auf die materiell-rechtliche Überprüfung des angefochtenen Beschlusses der Mehrheit der Miteigentümer (§ 14 Abs 3 WEG 1975) fristgerecht eingebrachten Antrag, ein außerhalb der Fristen des § 14 Abs 3 WEG 1975 erstattetes Vorbringen, dass der Mehrheitsbeschluss ebenfalls aus formellen Gründen mangelhaft und daher unwirksam sei, verfristet ist. Nach Ansicht des OGH lässt sich hieraus nicht ableiten, dass – im Falle, dass die Anfechtung nicht bloß aus materiellen (sondern auch oder nur aus formellen) Gründen erfolgt – im Verlauf des Verfahrens noch weiteres und auch neues Vorbringen bezüglich formeller Anfechtungsgründe erstattet werden könnte. Für die Anfechtung wegen formeller Mängel gemäß § 24 Abs 6 WEG 2002 gilt ebenso entsprechend der Dispositionsmaxime, dass der Antragsteller den bestimmten Rechtsgrund, auf den er die Anfechtung stützt, anzuführen und das Gericht nicht von sich aus auch völlig andere Tatbestandsvoraussetzungen zu prüfen hat. Ein verspätet, außerhalb der Anfechtungsfrist des § 24 Abs 6 WEG 2002 geltend gemachter formeller Anfechtungsgrund, gilt als verfristet und unbeachtlich.
Das in § 24 Abs 6 WEG 2002 normierte Anfechtungsrecht der Minderheit gegen Beschlüsse der Mehrheit wegen Gesetzwidrigkeit bedeutet nicht, dass eine umfängliche Inhaltskontrolle der Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung nach Prinzipien der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit stattzufinden hätte. Der überstimmten Minderheit soll mithilfe dieser Bestimmung die Einhaltung zwingender Bestimmungen des WEG (maximal um „krasse“ Verstöße gegen die für die Verwaltung stets geforderten Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit erweitert) garantiert werden. Dass hier ein solch krasser Verstoß vorliegen würde, weil das Anbot der in Aussicht genommenen Verwalterin in einer solch auffallenden Weise vom Üblichen abweichen würde, konnte dem Vorbringen der Antragsteller nicht entnommen werden.
Ein Umlauf ist nach der Rsp mit der Bekanntgabe des Ergebnisses rechtswirksam. Aus diesem Grund war der Umstand, dass die im Beschluss genannte Verwalterin ihr Anbot nach dem Aushang des Ergebnisses der Beschlussfassung gegenüber dem Geschäftsführer der Zweitantragsgegnerin zurückzog, für die hier zur Beurteilung stehende Beschlusswirkung unbeachtlich, der Beschluss wurde nicht (nachträglich) rechtsunwirksam.
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