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Judikatur | Entscheidung

5 Ob 77/15g; OGH; 19. Juni 2015

GZ: 5 Ob 77/15g | Gericht: OGH vom 19.06.2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.Hradil als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer sowie Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Wiedner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei E***** M*****, vertreten durch Mag. Barbara Bauer, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 11. Februar 2015, GZ 39 R 377/14a-20, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 3. Oktober 2014, GZ 49 C 75/14i-16, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Die am 11.08.1934 geborene Beklagte ist Hauptmieterin einer 146,60 m2 großen Wohnung in Wien. Sie ist zur Hälfte Eigentümerin einer Liegenschaft in M*****. Dort bewohnt sie eine 38 m2 große Wohnung. Eine andere Wohnung mit einer Nutzfläche von etwa 90 m2 ist vermietet. Eine 32 m2 große Wohnung dient als Gästeappartement. Eine weitere Wohnung wird von der Schwester der Beklagten und deren Familie bewohnt.

Bis zum Tod ihres Mannes im Jahr 1990 hielt sich die Beklagte regelmäßig in der Wiener Wohnung auf. Nach dem Tod ihres Mannes gab sie ihrem Schwager einen Wohnungsschlüssel. Dieser kümmerte sich um die Angelegenheiten der Wohnung, wenn sich die Beklagte nicht in Wien aufhielt. Bis 1994 heizte die Beklagte die Wohnung in Wien mit Kohle und Kachelöfen. Dafür lagerte sie ca 400 kg Heizmaterial pro Jahr in einer Kiste, die sich im Gang in einer Fensternische befand. Im Zuge der Umstellung auf Fernwärmeenergie wurde diese Kohlenkiste entfernt, um den nötigen Platz für die erforderlichen Anschlüsse zu schaffen. Die Beklagte wollte weiterhin mit Kohle heizen und forderte deshalb die Hausverwaltung auf, ihr wieder eine Kohlenkiste zur Verfügung zu stellen. Da dies nicht umgehend geschah, benützte sie während der kalten Jahreszeit ihre Wohnung in M*****.

Der Hausverwalter, dessen Büro sich seit 2001 auf Stiege 2 und seit 2010 auf derselben Stiege wie das aufgekündigte Bestandobjekt befindet, sah die Beklagte das letzte Mal im Jahr 1999. Er nahm weder Besuche noch Pflegepersonal der Mieterin wahr. Er sah es nicht als seine Aufgabe, der klagenden Eigentümerin darüber zu berichten, wen er wie oft im Haus sah.

Bis zum Sommer 2006 benützte die Beklagte die Wiener Wohnung noch sporadisch, ab dem Winter dieses Jahres hielt sie sich, abgesehen von gelegentlichen Besuchen, in Wien hauptsächlich in M***** auf.

Im Zuge der Umstellung auf Fernwärme wurde zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt beim Stiegenhausfenster vor der aufgekündigten Wohnung ein Blechkasten zur Lagerung von Kohle eingebaut. Seit 11.12.2011 besteht in der Wohnung kein Gasanschluss mehr.

Im Oktober 2013 fand eine Wohnungsbegehung in der aufgekündigten Wohnung statt, von der die Hausverwaltung den Schwager der Beklagten informiert hatte. Dieser ließ den Wirtschaftsdirektor der klagenden Partei und ein Mitglied der Hausverwaltung in die Wohnung. Auf die beiden machte die Wohnung einen unbewohnten Eindruck. Zuvor hatte der Wirtschaftsdirektor keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Wohnung nicht mehr bewohnte.

Die Klägerin brachte am 02.04.2014 die gerichtliche Aufkündigung ein. Soweit noch relevant, berief sie sich auf den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 6 MRG. Die Beklagte habe ihren ständigen Wohnsitz in M*****. Die aufgekündigte Wohnung stehe seit geraumer Zeit leer. Nur der zum Objekt gehörende Hausbriefkasten werde systematisch entleert.

Die Beklagte wendete ein, sie verwende das Objekt nach wie vor regelmäßig zu Wohnzwecken. Die aufgekündigte Wohnung stelle ihren Lebensmittelpunkt dar. Ihr gesamtes Mobiliar sowie Wertgegenstände und Unterlagen befänden sich dort. Die Wohnung verfüge über keine Zentralheizung und sei bis 1994 mit Kohle beheizt worden. Die klagende Partei habe die für die Lagerung der Kohle nötige Kohlenkiste aus dem Stiegenhaus entfernt und trotz Urgenzen der Beklagten und Zusage der Hausverwaltung nicht zurückgestellt. Aufgrund der fehlenden Heizmöglichkeit habe die Beklagte die Wohnung in M***** seit der letzten 15 Jahre nur während der kalten Jahreszeit benützt, sei aber im Frühling wieder nach Wien zurückgekehrt. Dies habe die klagende Partei gewusst. Die Wiener Wohnung verfüge im Gegensatz zu M***** über die notwendigen Einrichtungen wie Elektroherd, elektrische Warmwasseraufbereitung, Waschmaschine, Lift und über ausreichend Licht. Bank und Ärzte der Beklagten befänden sich in Wien. Aufgrund ihres Alters und ihres Allgemeinzustands sei es der Beklagten zunehmend unmöglich, in die engen, beschwerlichen Räumlichkeiten der M***** Wohnung auszuweichen. Die Fahrt nach Wien zu Ärzten und Seelsorgern sei zunehmend schwieriger, weshalb das Wohnbedürfnis in der aufgekündigten Wohnung in absehbarer Zeit verstärkt gegeben sein werde. Die Beklagte sei auch seit einiger Zeit bestrebt, die Heizmöglichkeit in der aufgekündigten Wohnung zu verbessern. Die ihr übertragene Überwachung und Organisation der Erhaltungsarbeiten am Haus in M***** seien voraussichtlich dieses Jahr (2014) abgeschlossen.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und verpflichtete die Beklagte zur Räumung. Rechtlich folgerte es, dass die Wohnung nicht regelmäßig verwendet werde und kein dringendes Wohnbedürfnis vorliege. Die Vermieterin, die keine Nachforschungspflicht treffe, habe nicht konkludent auf den Kündigungsgrund verzichtet. Die Hausverwaltung und die Vermieterin hätten erst mit den der Begehung folgenden Nachforschungen von der Nichtbenützung der Wohnung erfahren.

Das Berufungsgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. In seiner rechtlichen Beurteilung teilte es die Auffassung der Beklagten zur Verschweigung des Kündigungsgrundes. Der Hausverwalter, dessen Büro sich ebenfalls im gegenständlichen Haus und seit 2010 sogar auf derselben Stiege befinde, habe die Beklagte das letzte Mal im Jahr 1999 gesehen sowie weder Besuche noch Pflegepersonal wahrgenommen. Er sei auch darüber informiert worden, dass er sich in Angelegenheiten der Wohnung an den im selben Haus wohnenden Schwager der Beklagten wenden solle, was er auch getan habe. Sein Wissen sei der Hauseigentümerin zuzurechnen. Wenn die Eigentümerin den Zustand 15 Jahre hindurch nicht beanstande, so bliebe der Beklagten iSd § 863 ABGB kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln, dass die Vermieterin mit der nicht regelmäßigen Benützung der Wohnung einverstanden gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die – beantwortete – außerordentliche Revision der klagenden Partei ist zulässig, weil die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts zum stillschweigenden Kündigungsverzicht vom Obersten Gerichtshof zu korrigieren ist. Sie ist im Sinn einer Aufhebung berechtigt.

1. § 30 Abs 2 Z 6 MRG gewährt einen Kündigungsgrund, wenn die vermietete Wohnung nicht zur Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder der eintrittsberechtigten Personen regelmäßig verwendet wird, es sei denn, dass der Mieter zu Kur- oder Unterrichtszwecken oder aus beruflichen Gründen abwesend ist.

1.1 Eine regelmäßige Verwendung, deren Fehlen der Vermieter behaupten und beweisen muss (RIS-Justiz RS0079253), setzt nach der ständigen Rechtsprechung voraus, dass die gekündigte Wohnung wenigstens während eines beträchtlichen Zeitraums im Jahr (bzw einige Tage in der Woche) als Mittelpunkt der Lebensführung benützt wird (RIS-Justiz RS0079241).

1.2 Bei der Beurteilung der Intensität einer Nutzung differenziert der Oberste Gerichtshof nach Familienstand oder Vertragszweck. So wird bei Junggesellen im Vergleich zu Familien an die Anforderungen eines Lebensschwerpunkts kein allzu strenger Maßstab angelegt (RIS-Justiz RS0079241 [T7]; RS0103931 [T4]; RS0068874 [T9, T11]). Bei Vermietung eines Objekts als Zweitwohnung nimmt der Oberste Gerichtshof erst dann eine nicht regelmäßige Verwendung der Wohnung an, wenn sie nicht einmal in diesem eingeschränkten Umfang der vereinbarten Nutzung verwendet wird (RIS-Justiz RS0109872; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnungsrecht3 § 30 MRG Rz 54). Die bloße Benützung eines zu Wohnzwecken gemieteten Objekts als „Absteigquartier“ reicht für eine regelmäßige Verwendung nicht aus (stRsp RIS-Justiz RS0103931; RS0068874 [T5, T10]).

1.3 Nach den Feststellungen der Vorinstanzen benützte die Beklagte die aufgekündigte Wohnung bis zum Sommer 2006 noch sporadisch, hielt sich aber spätestens ab dem Winter 2006 abgesehen von gelegentlichen Besuchen in einem ihr zur Hälfte gehörenden Haus in M***** auf, in dem sie eine 38 m2 große Wohnung bewohnt. Die Bezeichnung von Aufenthalten als „sporadisch“ oder „gelegentlich“ bringt nach dem allgemeinen Sprachverständnis entgegen der Auffassung der Beklagten in der Revisionsbeantwortung deutlich zum Ausdruck, dass ab dem Jahr 2006 eine Intensität der Benützung gegeben ist, die ganzjährig der Nutzung bloß als „Absteigquartier“ gleichkommt. Die Probleme bei der Beheizung spielen bei der Beurteilung dieser nicht ausreichenden Benützungsintensität keine Rolle. Eine Beheizung der Wohnung wurde durch das Verhalten der Vermieterin, die im Zuge der Umstellung auf Fernwärme eine Kohlenkiste zur Lagerung des Brennmaterials am Gang entfernen ließ, nicht ausgeschlossen. Erschwert wurde vielmehr die Lagerung des Brennmaterials, die Kachelöfen in der Wohnung wären nach wie vor beheizbar gewesen. Zudem benützt die Beklagte die aufgekündigte Wohnung zumindest seit dem Jahr 2006 auch während der warmen Jahreszeit nur mehr sporadisch oder gelegentlich. Die Verlagerung ihres Lebensschwerpunkts nach M***** war somit nicht durch eine vom Vermieter zu verantwortende fehlende Beheizbarkeit des aufgekündigten Objekts bedingt.

2. Der Verzicht auf einen Kündigungsgrund setzt voraus, dass der Mieter weiß, oder aus dem Verhalten des Vermieter doch mit Recht ableiten kann, dieser kenne den vollen Sachverhalt, der die Kündigung rechtfertigt, und dem Mieter keine Umstände bekannt sind, die das Zuwarten des Vermieters mit der Kündigung aus einem anderen Grund als dem eines Verzichts auf das Kündigungsrecht erklärbar erscheinen lassen (stRsp RIS-Justiz RS0014423). Bei der Beurteilung, ob ein stillschweigender Kündigungsverzicht vorliegt, ist besondere Vorsicht geboten (RIS-Justiz RS0014420). Im Zweifel ist ein konkludenter Verzicht nicht anzunehmen. Die Beweislast für das Vorliegen eines solchen Verzichts trifft den Mieter (RIS-Justiz RS0102001). Den Vermieter trifft keine Erkundigungspflicht betreffend die zur Verwirklichung des Kündigungstatbestands tauglichen Fakten (RIS-Justiz RS0070551 [T2]).

2.1 Angesichts dieser strengen Kriterien für die Annahme eines konkludenten Verzichts trifft die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht zu:

2.2 Die Beklagte benützte die aufgekündigte Wohnung nach dem festgestellten Sachverhalt erst ab 2006 auch im Sommer nur mehr sporadisch. In der warmen Jahreszeit spielt die fehlende oder eingeschränkte Beheizbarkeit der Wohnung keine Rolle. Das mögliche Wissen der Vermieterin um die Nichtbenützung der aufgekündigten Wohnung während der Heizperiode lässt aus Sicht der Mieterin nicht ausschließlich den Schluss zu, dass die Vermieterin auch eine ganzjährige Nichtbenützung hinnimmt und auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG verzichtet. Zwar hat der Hausverwalter, dessen Wissen der klagenden Vermieterin nach der Rechtsprechung zuzurechnen ist (4 Ob 22/05x), die Beklagte das letzte Mal vor 15 Jahren gesehen. Offenbar alleiniger oder ständiger Ansprechpartner in Angelegenheiten der Wohnung war der im selben Haus lebende Schwager der Beklagten und nicht sie selbst. Die aufgekündigte Wohnung liegt allerdings – worauf die klagende Partei zu Recht hinweist – in einer großen Anlage, die über mehrere Stiegen verfügt (vgl 5 Ob 123/11s: „unitäres“ Objekt), was die Bedeutung eines jahrelang zurückliegenden Ansichtigwerdens von Mietern relativiert, zumal gerade bei älteren Mietern die Möglichkeit besteht, dass sie aufgrund von Pflegebedürftigkeit ihre Wohnungen nicht (häufig) verlassen. Bei einem regen Besucherverkehr ist auch für Mitarbeiter einer Hausverwaltung, die sich im Objekt befindet, schwer einzuschätzen, ob Besucher der Kategorie Pflegepersonal zugeordnet werden können oder nicht. Für die Beurteilung eines stillschweigenden Kündigungsverzichts ist deshalb nicht aussagekräftig, dass der zuständige Hausverwalter nach den Feststellungen des Erstgerichts „kein Pflegepersonal wahrgenommen hat“.

3. Die Vermieterin hat nach den Feststellungen der Vorinstanzen nachgewiesen, dass die aufgekündigte Wohnung nicht mehr regelmäßig zu Wohnzwecken verwendet wird. Damit trifft die beklagte Mieterin die Behauptungs- und Beweislast für das dringende Wohnbedürfnis (RIS-Justiz RS0079350 [T6]), das bei Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses des Mieters an der Aufrechterhaltung des Mietvertrags zu bejahen ist (RIS-Justiz RS0068687; RS0079350 [T2]). Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verlangt in der Regel vom Mieter den Nachweis, dass die Wohnung mit Sicherheit in naher Zukunft wieder benötigt werden wird. Auf ungewisse, in der Zukunft liegende Möglichkeiten ist nicht Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0079210). So wurde die Möglichkeit einer vorzeitigen bedingten Entlassung bei Beurteilung der Zukunftsprognose nicht berücksichtigt, wenn der Mieter eine mehrjährige Freiheitsstrafe verbüßte (8 Ob 158/06b).

3.1 Der Mieter muss konkrete Behauptungen aufstellen, aus welchen Gründen – trotz der fehlenden regelmäßigen Benutzung – sein schutzwürdiges Interesse besteht. Ein detailliertes Vorbringen zu allen möglichen Einzelpunkten wird jedoch nicht gefordert (10 Ob 19/04y; RIS-Justiz RS0087043). Die Gründe für eine beabsichtigte Wiederkehr und der Zeitplan für deren Umsetzung müssen daher nicht in allen Einzelheiten darlegt werden. Um die Voraussetzungen für das Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses auch nur annähernd prüfen zu können, ist jedoch in der Regel die Angabe eines Zeitrahmens zu fordern, innerhalb dessen der Mieter in das aufgekündigte Objekt zurückkehren kann und will. Die Verwendung allgemeiner Floskeln wie „in absehbarer Zeit“ reicht dafür nicht aus. Sie ermöglicht nämlich keinerlei Einschätzung, ob die Rückkehr nur eine völlig ungewisse Möglichkeit darstellt. Lediglich in Fällen, in denen der besondere, familiär bedingte Einsatz eines Mieters zur ständigen Anwesenheit in der Wohnung einer pflegebedürftigen Person führte, wird die Unsicherheit über die weitere Dauer der pflegebedingten Nichtbenutzung nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs durch die besondere Schutzwürdigkeit des Mieters aufgehoben (4 Ob 34/07i; vgl 4 Ob 238/12x). Solche Gründe für eine Abwesenheit liegen hier nicht vor.

3.2 Die Beklagte berief sich in erster Instanz im Schriftsatz vom 17.06.2014 (ON 8) auf eine altersbedingte Verschlechterung ihres Allgemeinzustands, der die Fahrt nach Wien zu Ärzten und Seelsorgern erschwere und das Ausweichen in die engen, feuchten, beschwerlichen und ebenfalls nur mit Kohle bzw Holz beheizbaren Räumlichkeiten der anderen Wohnung unmöglich mache. Sie bemühe sich seit einiger Zeit um die Verbesserung der Heizmöglichkeit in der aufgekündigten Wohnung. Sie könne sich nur mehr eingeschränkt um die Erhaltung des Hauses in M***** kümmern, die meisten erforderlichen Erhaltungsarbeiten seien demnächst abgeschlossen. Auch wenn sie zunächst bei Darlegung der Zukunftsprognose die Floskel „in absehbarer Zeit“ verwendet, konkretisiert sie zuletzt doch den Zeitrahmen, indem sie auf den Abschluss der Erhaltungsarbeiten „in diesem Jahr“ (gemeint: 2014) hinweist.

3.3 Damit liegt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ein ausreichendes Vorbringen zu einer möglichen Rückkehr in naher Zukunft vor. Festellungen zu diesem Beweisthema wurden jedoch noch nicht getroffen, was zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen führt. Ob sich die Behauptungen zur Rückkehr in das aufgekündigte Objekt angesichts des seit Verlegung des Lebensmittelschwerpunkts verstrichenen Zeitraums tatsächlich als plausibel erweisen, wird das Erstgericht nach Verwertung der (allenfalls zu ergänzenden) Beweisergebnisse in seiner Beweiswürdigung zu beurteilen haben.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Leitsätze

  • Zum schutzwürdigen Rückkehrinteresse des Mieters

    Wird eine Wohnung nicht mehr regelmäßig zu Wohnzwecken verwendet, so muss der Mieter behaupten und beweisen, dass ein dringendes Wohnbedürfnis vorliegt. Für ein diesbezügliches Vorbringen reicht es aus, wenn der Mieter wegen einer altersbedingten Verschlechterung seines Allgemeinzustandes Bedarf an der Wohnung behauptet, angibt, sich um die Verbesserung der dortigen Heizmöglichkeiten zu bemühen und einen konkreten Zeitrahmen für seine Rückkehr nennen kann.
    WEKA (vpa) | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 77/15g | OGH vom 19.06.2015 | Dokument-ID: 785892