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Judikatur | Entscheidung

5 Ob 124/22d; OGH; 2. November 2022

GZ: 5 Ob 124/22d | Gericht: OGH vom 02.11.2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun-Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragsteller 1. S* GmbH, *, 2. L*, beide vertreten durch Dr. Helmut Fetz, Dr. Birgit Fetz, Rechtsanwälte in Leoben, wegen Einverleibung des Eigentums und anderer grundbücherlicher Eintragungen in EZ * KG *, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 20. April 2022, AZ 4 R 4/22w, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Graz-West vom 2. Dezember 2021, TZ 11450/2021, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Begründung

[1] Die Erstantragstellerin war Alleineigentümerin einer Liegenschaft mit einem Wohn-, Büro- und Geschäftsgebäude samt PKW-Abstellplätzen und beabsichtigte die Begründung von Wohnungseigentum. Sie verkaufte der Zweitantragstellerin mit Vertrag vom 05.06.2018 diejenigen Liegenschaftsanteile laut Nutzwertgutachten, mit denen das ausschließliche Nutzungsrecht an zehn näher bezeichneten Abstellplätzen verbunden werden sollte. In diesem Kaufvertrag ist in Punkt II. unter anderem festgehalten:

„Die Verkäuferin verpflichtet sich, die kaufgegenständlichen Liegenschaftsanteile nach Erfüllung der vertraglichen Bedingung und Ablauf der 3-jährigen Frist des § 5 Abs 2 WEG ins Eigentum der Käuferin zu übertragen und nach Vorliegen sämtlicher, für die bücherliche Einverleibung des Wohnungseigentums notwendiger Voraussetzungen Wohnungseigentum an dem Kaufgegenstand im Sinn der Bestimmungen des WEG 2002 gemeinsam mit der Käuferin sowie allen weiteren Erwerber/Innen von Miteigentumsanteilen zu begründen.

Die Erwerberin nimmt das ihr somit eingeräumte Anwartschaftsrecht auf Begründung und Erwerb von Wohnungseigentum an dem Kaufgegenstand nach Erfüllung aller Voraussetzungen, die für die Einräumung von Wohnungseigentum erforderlich sind, ausdrücklich an. Sie ist in Kenntnis, dass eine Einverleibung des Eigentumsrechtes gemäß § 5 Abs 2 WEG allerdings nicht vor Ablauf von drei Jahren ab Begründung von Wohnungseigentum an der Gesamtliegenschaft erfolgen kann, zumal sie außer den Abstellplätzen kein weiteres Wohnungseigentum an einer Wohnung auf der kaufgegenständlichen Liegenschaft erwirbt.

Zur Sicherung der Eigentumsansprüche der Käuferin wird dieser bis zur grundbücherlichen Einverleibung ihres Eigentumsrechtes das alleinige und unentgeltliche Fruchtgenussrecht gemäß § 509 ABGB an den kaufgegenständlichen Tiefgaragenabstellplätzen eingeräumt und erklärt die Käuferin die Annahme dieses ihr eingeräumten Fruchtgenussrechtes.“

[2] Ob der Liegenschaft wurde am 20.06.2018 zu TZ 5227/2018 das Wohnungseigentum einverleibt. Die Erstantragstellerin ist nun Wohnungseigentümerin dieser Abstellplätze.

[3] Unter Vorlage des Kaufvertrags vom 05.6.2018 und weiterer Urkunden begehrten die Antragsteller – soweit im Revisionsrekursverfahren noch von Relevanz – am 24.11.2021 die Einverleibung des Eigentumsrechts für die Zweitantragstellerin an den Abstellplätzen.

[4] Das Erstgericht wies den Antrag insoweit ab. Der Kaufvertrag sei innerhalb der Wartefrist des § 5 Abs 2 WEG abgeschlossen worden und daher nichtig im Sinn des § 879 Abs 1 ABGB. Eine Heilung durch eine Antragstellung nach Ablauf dieser Frist komme nicht in Betracht, sodass der vorgelegte Vertrag keine taugliche Eintragungsgrundlage sei.

[5] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die in § 5 Abs 2 WEG angeordneten Erwerbsbeschränkungen beträfen sowohl die erstmalige (konstitutive) Begründung von Wohnungseigentum als auch derivative Erwerbsvorgänge innerhalb der Dreijahresfrist. Zwar verbiete das Gesetz selbst nicht, das Titelgeschäft innerhalb der Frist von drei Jahren abzuschließen. Ein solches „verfrühtes Verpflichtungsgeschäft“ sei jedoch als Umgehungsgeschäft vom Verbotszweck der Norm erfasst.

[6] Den Revisionsrekurs erklärte das Gericht zweiter Instanz für zulässig, weil der Oberste Gerichtshof eine Konstellation, in der der Kaufvertrag innerhalb der Dreijahresfrist des § 5 Abs 2 WEG abgeschlossen, um dessen Verbücherung aber erst nach Ablauf der Frist angesucht worden sei, noch nicht beurteilt habe.

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[7] 1. Nach § 5 Abs 2 erster und zweiter Satz WEG kann Wohnungseigentum an einem Abstellplatz für ein Kraftfahrzeug bis zum Ablauf von drei Jahren nach Begründung von Wohnungseigentum an der Liegenschaft nur von einer Person oder Eigentümerpartnerschaft erworben werden, der Wohnungseigentum an einer Wohnung oder einem selbstständigen Geschäftsraum der Liegenschaft (Bedarfsobjekte) zukommt; dabei kann ein Wohnungseigentümer mehrerer Bedarfsobjekte schon während der dreijährigen Frist eine entsprechende Mehrzahl von Abstellplätzen erwerben. Darüber hinaus kann der Wohnungseigentümer eines Bedarfsobjekts während der dreijährigen Frist mehrere Abstellplätze nur erwerben, soweit die Zahl der auf der Liegenschaft vorhandenen und als Wohnungseigentumsobjekte gewidmeten Abstellplätze die Zahl der Bedarfsobjekte übersteigt; bei der Berechnung der überzähligen Abstellplätze ist der schriftlich erklärte Verzicht eines Wohnungseigentümers auf den ihm vorzubehaltenden Abstellplatz zu berücksichtigen.

[8] 1.1 Mit diesen Erwerbsbeschränkungen setzte der Gesetzgeber des WEG 2002 (BGBl I 2002/70 idF BGBl I 2002/114) das Ziel um, den auf der Liegenschaft „wohnenden“ (oder geschäftlich tätigen) Wohnungseigentümern beim Erwerb von Kfz-Abstellplätzen Vorrang einzuräumen. Dazu wählte er die Konstruktion einer Wartefrist und beschränkte für diese Frist den Erwerb von selbstständigem Wohnungseigentum an einem Kfz-Abstellplatz in zweifacher Hinsicht: Erstens sind liegenschaftsfremde Personen vom Erwerb ausgeschlossen, zweitens können Wohnungseigentümer eines oder mehrerer Bedarfsobjekte nur die entsprechende Anzahl von Abstellplätzen erwerben (ErläutRV 989 BlgNR 21. GP 40).

[9] 1.2 Die Erwerbsbeschränkungen des § 5 Abs 2 Satz 1 und 2 WEG gelten nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung sowohl für die erstmalige (konstitutive) Begründung von Wohnungseigentum als auch für derivative Erwerbsvorgänge innerhalb der Drei-Jahres-Frist (RIS-Justiz RS0129132).

[10] 1.3 Die Beschränkungen des ersten und zweiten Satzes des § 5 Abs 2 WEG sind Kraft gesetzlicher Anordnung nicht auf denjenigen Wohnungseigentumsorganisator anzuwenden, der für die Wohnungseigentumsbegründung und den Abverkauf der Wohnungseigentumsobjekte hauptverantwortlich zeichnet (§ 5 Abs 2 letzter Satz WEG idF der WRN 2006). Innerhalb der dreijährigen Wartefrist ist es daher zulässig, an „überzähligen“ Kfz-Stellplätzen zugunsten des hauptverantwortlichen Wohnungseigentums-organisators Wohnungseigentum zu begründen, auch wenn diesem sonst kein selbstständiges Wohnungseigentum an der Liegenschaft zukommt (5 Ob 223/19h; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch4 § 5 WEG Rz 16b).

[11] 1.4 Der nachfolgende Verkauf durch den Wohnungseigentumsorganisator unterliegt jedoch ebenfalls den Einschränkungen des § 5 Abs 2 Satz 1 und 2 WEG (5 Ob 223/19h). Nach Ablauf der dreijährigen Frist gelten aber keine Beschränkungen mehr. Weder für die Wohnungseigentümer noch für „liegenschaftsfremde“ Personen besteht dann noch eine Einschränkung beim Erwerb von Abstellplätzen. Nach Ablauf dieser Frist „herrscht der Markt ohne weitere Beschränkungen“ (ErläutRV 989 BlgNR 21. GP 40).

[12] 2. Erwerb von Wohnungseigentum an einem Abstellplatz bedeutet den Erwerb eines Miteigentumsanteils, mit dem Wohnungseigentum verbunden ist (Würth, Sonderprobleme der WE-Begründung: Kfz-Abstellplätze, Vorratsteilung, obligatorische Begründung, wobl 2002, 118). § 5 Abs 2 untersagt daher den Erwerb eines Mindestanteils, mit dem das ausschließliche Nutzungsrecht an einem Kfz-Abstellplatz verbunden ist, für „Liegenschaftsfremde“ innerhalb bestimmter zeitlicher Grenzen.

[13] 2.1 Nach § 5 Abs 3 Satz 1 WEG wird das Wohnungseigentum durch die Einverleibung in das Grundbuch erworben. Die Lehre versteht den Begriff „Erwerb“ in dieser Bestimmung allein als konstitutive, erstmalige Begründung von Wohnungseigentum (T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch4 § 5 WEG Rz 19; Würth/Zingher/Konvanyi, Miet- und Wohnrecht II23 § 5 WEG Rz 9). Bei einem derivativen Erwerb von Miteigentumsanteilen verbunden mit dem Wohnungseigentum als dingliches Recht (§ 2 Abs 1 Satz 1 WEG) gibt es keine Besonderheiten. Der Erwerb eines bestehenden, bereits im Grundbuch eingetragenen Wohnungseigentumsobjekts folgt allgemeinen sachenrechtlichen Grundsätzen. Dies muss gleichermaßen für den Erwerb von Liegenschaftsanteilen gelten, mit denen im Zug der Wohnungseigentumsbegründung entsprechend dem Nutzwertgutachten das Wohnungseigentum an Kfz-Abstellplätzen verbunden werden soll, die Verbücherung dieses Erwerbsvorgangs aber erst nach der Wohnungseigentumsbegründung beabsichtigt ist.

[14] 2.2 Das entspricht der Bestimmung des § 423 ABGB, wonach Sachen, die schon einen Eigentümer haben, mittelbar erworben werden, indem sie auf eine rechtliche Art von dem Eigentümer auf einen anderen übergehen. Damit ist der derivative Erwerb angesprochen (vgl Mader in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.01 § 423 Rz 1), der bei unbeweglichen Sachen die Einverleibung im Grundbuch erfordert. Der Erwerb eines Wohnungseigentumsobjekts erfordert daher die Einverleibung im Grundbuch (§ 431 ABGB; 5 Ob 223/19h).

[15] 2.3 Die Erwerbsbeschränkungen in § 5 Abs 2 WEG verbieten damit jedenfalls die Einverleibung des Wohnungseigentums an einem Kfz-Abstellplatz zugunsten eines „Liegenschaftsfremden“ in einem Rang, der zeitlich vor dem Ablauf der Wartefrist liegt.

[16] 3. Der Kaufvertrag verschafft den Anspruch auf Übertragung der Sache und ist damit Titel für den Eigentumserwerb. Zur Frage, ob auch der Abschluss eines solchen Titelgeschäfts über einen Liegenschaftsanteil, der im Zug der Wohnungseigentumsbegründung mit Wohnungseigentum an einem Kfz-Abstellplatz verbunden werden soll, mit einem Dritten, der nicht auch Eigentümer eines Bedarfsobjekts ist (derivativer Erwerb), der Beschränkung des § 5 Abs 2 WEG unterliegt und damit unzulässig ist, wenn er vor Ablauf der Frist von drei Jahren nach Begründung von Wohnungseigentum abgeschlossen wird, hat der Oberste Gerichtshof noch nicht ausdrücklich Stellung genommen.

[17] In der Literatur wurde diese Problematik bislang lediglich anlässlich der Rezension von Entscheidungen des Fachsenats zu § 5 Abs 2 WEG angesprochen:

[18] In seiner Glosse zu 5 Ob 125/13p führt Prader (immolex 2014, 85) aus, dass trotz der ohnedies kurzen dreijährigen Frist immer wieder versucht werde, diese Beschränkung zu umgehen, wobei sich ein neuer „Beliebtheitstrend“ dahingehend abzuzeichnen scheine, einen Kaufvertrag zu schließen und diesen dann erst nach drei Jahren zu verbüchern. Die Eintragung nach Ablauf der Drei-Jahres-Fristjahresfrist sei dem Vernehmen nach unproblematisch. Der Oberste Gerichtshof habe aber bereits zutreffend darauf verwiesen, dass insoweit Titel und Modus gleich zu behandeln seien (RS0120212 [T3]). Es stelle sich daher die Frage, ob ein derart nichtiges Geschäft nach Ablauf der Drei-Jahres-Fristjahresfrist heile. Der Sinn und Zweck der Bestimmung sei vom Obersten Gerichtshof hinreichend dargelegt worden. Würde man nun einen Verkauf (durch Schaffung des Titels) dennoch vor Ablauf der Drei-Jahres-Frist zulassen bzw in Folge Unkenntnis der anderen Wohnungseigentümer nach Ablauf von drei Jahren (und sohin ohne Möglichkeit, sich etwa mittels Feststellungsklage zu wehren) eine Heilung des Titels annehmen und den erforderlichen Modus „erlauben“, so würde dies dazu führen, dass der Anwendungsbereich dieser Norm gleich Null wäre. Die Bejahung der Heilung würde dieser unglücklichen Norm den letzten Todesstoß verpassen, auch wenn nicht vergessen werde, dass auch andere Umgehungskonstruktionen denkbar seien.

[19] Auf diese Ausführungen nahm Prader (immolex 2020, 269) auch bei seiner Besprechung der Entscheidung zu 5 Ob 223/19h, in der die Verbücherung eines Vorkaufsrechts innerhalb der Wartefrist des § 5 Abs 2 WEG zu beurteilen war, Bezug. Der Oberste Gerichtshof weise zutreffend Versuche zurück, die Erwerbsbeschränkungen des § 5 Abs 2 WEG zu umgehen. Eine solche Umgehung liege nicht nur für den Fall der Absicherung durch ein Vorkaufsrecht vor, sondern generell dann, wenn durch ein „verfrühtes“ Verpflichtungsgeschäft derselbe Zweck erreicht werde. Daher könne zB auch ein echter Mietkauf den Vorgaben des § 5 Abs 2 WEG nicht Genüge tun, was auch dadurch belegt werde, dass in einem solchen Fall bei Vertragsabschluss die Grunderwerbsteuer zu entrichten sei.

[20] Bittner (NZ 2020, 377) hält in seiner Besprechung der Entscheidung 5 Ob 223/19h fest, der Schutz des im Wohnungseigentumsobjekt ansässigen Kraftfahrers vor dem übereilten Kauf des Wohnungseigentumsobjekts ohne Abstellplatz und damit sein Recht auf einen solchen werde in Österreich nicht über den Markt, sondern über das Grundbuchsrecht gespielt. Die gegenständliche Konstruktion [Anm.: Das Vorkaufsrecht] sei sicherlich als Umgehung des Gesetzes zu beanstanden gewesen. Umgekehrt habe es der Oberste Gerichtshof in einem obiter dictum offenbar nicht ausgeschlossen, dass Verträge mit Dritten innerhalb der Drei-Jahres-Fristjahresfrist abgeschlossen und erst später verbüchert würden. Gegen die angenommene „Heilung“ sei Prader (immolex 2014/23) zu Recht aufgetreten.

[21] Nach Dobler/Sollereder (Glosse zu 5 Ob 223/19h, ImmoZak 2020, 70) erweise sich die Regelung des § 5 Abs 2 WEG in der Praxis als unzureichend und könne durch den Vertragsverfasser umgangen werden. So sei vom Gesetzeswortlaut etwa das Verbot des Abschlusses eines Kaufvertrages betreffend den Erwerb eines Kfz-Abstellplatzes vor Ablauf der Drei-Jahres-Frist nicht umfasst. Zwar sei bereits in 5 Ob 151/08d ausgesprochen worden, dass Titel und Modus gleich zu behandeln seien, die Verbücherung eines solchen Kaufvertrags nach Ablauf der Drei-Jahres-Frist werde von den Grundbuchsgerichten bislang jedoch regelmäßig bewilligt. [...] Darüber hinaus blieben weitere Möglichkeiten der Umgehung wie etwa (intabulierte) Bestands- bzw Gebrauchsrechte.

[22] In seinen Anmerkungen zu 5 Ob 124/13s, 5 Ob 125/13p und 5 Ob 126/13k verweist Seeber (ZRB 2014, 35) darauf, dass immer wieder Kfz-Abstellplätze (Anm.: Innerhalb der Frist des § 5 Abs 2 WEG) an Liegenschaftsfremde verkauft würden. Diese Kaufverträge seien grundsätzlich wirksam, während der Drei-Jahres-Fristjahresfrist nach erstmaliger Wohnungseigentumsbegründung sei aber eine Verbücherung des Eigentumsrechts nicht möglich. Der Käufer müsse daher anderweitig bestmöglich abgesichert werden.

[23] Höllwerth (wobl 2020, 372) folgert in seiner Besprechung der Entscheidung zu 5 Ob 223/19h unter Bezugnahme auf 5 Ob 151/08d, wonach die Wartefrist des § 5 Abs 2 WEG auch den Titel erfasse, (zusammengefasst) dass, löse der Abschluss eines Kaufvertrages mit dem Wohnungseigentümer eines Bedarfsobjekts innerhalb der Wartefrist den Vorkaufsfall aus, der Kaufvertrag mit den Vorkaufsberechtigten (als Titelgeschäft) den Rechtswirkungen des § 5 Abs 2 WEG unterliege, daher kein tauglicher Titel sei und nicht zur Verbücherung führen könne.

4. Stellungnahme:

[24] 4.1 In der Entscheidung des Fachsenats zu 5 Ob 151/08d (= RS0120212 [T3]) wurde zwar ausgesprochen, dass die für den Erwerb von Wohnungseigentum an einem Kfz-Abstellplatz geltende Wartefrist des § 5 Abs 2 WEG nicht nur für den Modus gelte, sondern auch den Titel erfasse. Daraus leitet Prader (immolex 2014, 85) die Nichtigkeit eines vor Ablauf von drei Jahren nach Begründung von Wohnungseigentum abgeschlossenen Kaufvertrags ab und tritt erkennbar einer Heilung des Rechtsgeschäfts entgegen, wenn die Einverleibung des Eigentums erst nach Ablauf der Wartefrist erfolgen soll.

[25] Zu 5 Ob 151/08d war die Realteilung einer Liegenschaft durch die Begründung von Wohnungseigentum zu beurteilen. Titel für die Begründung von Wohnungseigentum ist in einem solchen Fall die gerichtliche Entscheidung in einem Verfahren zur Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft (§ 3 Abs 1 Z 3 WEG). Der Senat beurteilte die Zuordnung der Stellplätze an nur einen (zukünftigen) Wohnungseigentümer im Teilungserkenntnis als Verstoß gegen § 5 Abs 2 WEG. Die in 5 Ob 151/08d enthaltene Aussage, dass § 5 Abs 2 WEG nicht nur den Modus, sondern auch den Titel erfasst, betraf damit die erstmalige (konstitutive) Begründung von Wohnungseigentum und bezog sich nicht auch auf den Fall eines vom Wohnungseigentumsorganisator abgeleiteten Eigentumserwerbs an einem KFZ-Abstellplatz. Dass der Senat mit der in dieser Entscheidung enthaltenen Aussage nicht auch den derivativen Erwerb erfassen wollte, folgt schon daraus, dass ihr noch die später ausdrücklich abgelehnte Auffassung zugrunde lag, unter „Erwerb“ iSd § 5 Abs 2 WEG sei nur die konstitutive Begründung von Wohnungseigentum durch Eintragung im Grundbuch zu verstehen, weswegen der abgeleitete Eigentumserwerb keinen Beschränkungen unterliege.

[26] Die von Prader (immolex 2014, 85) vertretene Ansicht, dass § 5 Abs 2 WEG auch einen vor Ablauf der Wartefrist von drei Jahren abgeschlossenen Kaufvertrag erfasse und dieser dann nichtig sei, kann daher nicht mit einem Rückgriff auf die Entscheidung des Fachsenats zu 5 Ob 151/08d begründet werden.

4.2 Jede Gesetzesauslegung beginnt mit der Wortinterpretation (vgl RS0008896). Ein Verbot, einen Kaufvertrag über einen Mindestanteil, mit dem das Wohnungseigentum an einem Kfz-Abstellplatz verbunden ist, innerhalb der zeitlichen Schranken des § 5 Abs 2 WEG abzuschließen, lässt sich allein dem Wortlaut dieser Bestimmung nicht entnehmen.

4.3 Bleiben nach der Wortauslegung und der logischen Auslegung Zweifel, dann ist die Absicht des Gesetzgebers zu erforschen (RS0008836) und der Sinn einer Bestimmung unter Bedachtnahme auf den Zweck der Regelung zu erfassen (objektiv-teleologische Interpretation). Der Rechtsanwender hat unter gleichzeitiger Heranziehung aller zur Verfügung stehenden Kriterien in wertender Entscheidung den Sinn der Regelung klarzustellen (vgl nur 5 Ob 5/22d).

[27] 4.4 Zum Zweck des § 5 Abs 2 WEG wurde in der Rechtsprechung des Fachsenats unter Bezugnahme auf die unter Punkt 1. wiedergegebenen Gesetzesmaterialien bereits wiederholt Stellung genommen (vgl nur 5 Ob 125/13p). Danach soll diese Regelung gewährleisten, dass in erster Linie die auf der Liegenschaft wohnenden oder dort geschäftlich tätigen Wohnungseigentümer beim Erwerb von Wohnungseigentum an einem Kfz-Abstellplatz zum Zug kommen. Ihnen soll nach dem Willen des Gesetzgebers als Eigentümern von Bedarfsobjekten eine prioritäre Stellung zukommen. Auch der Schutz vor „Überfremdung“ wurde als Zweck dieser Bestimmung erkannt (5 Ob 99/05b unter Berufung auf T. Hausmann aaO).

[28] Aus den Materialien (ErläutRV 989 BlgNR 21. GP 40) ergibt sich dazu, dass im Gesetzwerdungsprozess unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten diskutiert worden sind, um diese Zielsetzung zu erreichen, so etwa eine Anbotspflicht des Wohnungseigentumsorganisators, ein Vorkaufsrecht, Quotenregelungen, Preisvorschriften oder etwa auch an grundbücherliche Anmerkungen anknüpfende Rechtsdurchsetzungsmechanismen. Letztlich entschied sich der Gesetzgeber für die Konstruktion über eine Wartefrist, binnen der der Erwerb von Wohnungseigentum an einem Kfz-Abstellplatz für „Liegenschaftsfremde“ unzulässig ist, als die legistisch einfacher zu verwirklichende und leichter zu handhabende Lösung. Konsequenz dieser Rechtslage und der in den Materialien dazu dokumentierten Überlegungen ist, dass tatsächlich nur der in § 5 Abs 2 WEG näher beschriebene „Erwerb“ eines Kfz-Abstellplatzes während der Wartefrist unzulässig ist, ansonsten aber keine Einschränkungen vorgesehen sind (Höllwerth, Glosse zu 5 Ob 223/19h, wobl 2020, 372 [374]). Insbesondere gibt diese Bestimmung den Eigentümern von Bedarfsobjekten keinen Anspruch darauf, dass ihnen ein Kfz-Abstellplatz innerhalb der Wartefrist zum Erwerb angeboten werden müsste (Würth/Zingher/Kovany23, § 5 WEG Rz 6; Illedits/Reich-Rohrwig, Wohnrecht³ § 5 WEG Rz 10). Ebensowenig ist der Wohnungseigentumsorganisator, zu dessen Gunsten gemäß § 5 Abs 2 letzter Satz Wohnungseigentum an Kfz-Abstellplätzen begründet wurde, darin beschränkt, zugunsten „Liegenschaftsfremder“ während der Wartefrist Nutzungsrechte einzuräumen (so auch Höllwerth aaO). Ausschließlich der bevorzugte Erwerb durch Personen, die bereits eine Wohnung oder sonstige selbstständige Räumlichkeit auf der Liegenschaft im Wohnungseigentum haben, ist demnach durch die Bestimmung des § 5 Abs 2 WEG geschützt.

[29] 4.5 Die vom Gesetzgeber erklärte Zielsetzung, lässt sich mit der in § 5 Abs 2 WEG gewählten Konstruktion einer Wartefrist nur erreichen, wenn der Miteigentumsanteil, mit dem das ausschließliche Nutzungsrecht daran verbunden ist, innerhalb der von ihm gewählten Frist für den Erwerb durch einen Eigentümer eines Bedarfsobjekts (zumindest theoretisch) zur Verfügung steht. Das erfordert aber, dass der Wohnungseigentumsorganisator, der sich Wohnungseigentum an Kfz-Abstellplätzen vorbehalten hat, den Mindestanteil, mit dem das Wohnungseigentum daran verbunden ist bzw verbunden werden soll, keinen Dispositionen unterwirft, die den Erwerb durch einen bevorzugten Wohnungseigentümer innerhalb der Wartefrist faktisch unmöglich machen. Das ist aber der Fall, wenn – wie hier – der Wohnungseigentumsorganisator vor Ablauf der Wartefrist einen Kaufvertrag mit einem „Liegenschaftsfremden“ abschließt und damit die Verpflichtung eingeht, diesem das Eigentum daran zu verschaffen. Bereits die obligatorische Bindung, dem Dritten Eigentum zu übertragen, steht – vertragskonformes Verhalten vorausgesetzt – der freien Verfügung des Wohnungseigentumsorganisators über das selbstständige Wohnungseigentum an einem Kfz-Abstellplatz entgegen und hindert damit die (vom Gesetz gewünschte) Möglichkeit, dass vorrangig Eigentümer von Bedarfsobjekten Eigentum daran erwerben, wenn sich der Wohnungseigentumsorganisator zum Verkauf entschließt. Nicht erst die grundbücherliche Einverleibung des Eigentums, die den Erwerbsvorgang abschließt, sondern bereits die obligatorische Bindung durch den Kaufvertrag mit einem Liegenschaftsfremden widerspricht damit dem Zweck des § 5 Abs 2 WEG.

Daraus folgt:

[30] § 5 Abs 2 WEG will innerhalb der Frist von drei Jahren die „Liegenschaftsangehörigen“ beim Erwerb von Kfz-Abstellplätze bevorzugt sehen. Nur sie sollen während der Wartefrist Wohnungseigentum an einem Abstellplatz erwerben können, sofern sich der Wohnungseigentumsorganisator, der sich das Wohnungseigentum an Kfz-Abstellplätzen vorbehalten will, zur Veräußerung der damit künftig zu verbindenden Mindestanteile laut Nutzwertgutachten entschließt. Der Gesetzeszweck erfordert es daher, dass Erwerb im Sinn des § 5 Abs 2 WEG nicht nur die sachenrechtliche Verfügung (§ 431 ABGB), sondern bereits den Rechtsvorgang erfasst, der dem liegenschaftsfremden Dritten einen Anspruch auf sachenrechtliche Übereignung des Mindestanteils gibt, mit dem das ausschließliche Nutzungsrecht an einem Kfz-Abstellplatz verbunden ist bzw verbunden werden soll. Auch beim derivativen Erwerb verstößt der Abschluss eines Kaufvertrags vor Ablauf der Wartefrist damit gegen § 5 Abs 2 WEG, was gemäß § 879 Abs 1 ABGB dessen Nichtigkeit zur Folge hat.

5. Ergebnis:

[31] Der zwischen den Antragstellern innerhalb der Wartefrist des § 5 Abs 2 WEG abgeschlossene Kaufvertrag über Kfz-Abstellplätze ist nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig und damit keine taugliche Grundlage für die begehrte Grundbuchseintragung. Dass sie, wie im Vertrag festgehalten, den Antrag auf Verbücherung erst nach Ablauf von drei Jahren nach Begründung des Wohnungseigentums an der Liegenschaft stellten, kann die Nichtigkeit des Vertrags nicht beseitigen und damit auch keine (nachträgliche) Wirksamkeit des Vertrags begründen.

[32] 6. Dem Revisionsrekurs ist damit ein Erfolg zu versagen.

Leitsätze

  • Nichtigkeit des Verkaufs von Kfz-Stellplätzen innerhalb der Dreijahresfrist an Dritte

    Ein fristwidriger Kaufvertrag über Kfz-Abstellplätze ist nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig und damit keine taugliche Grundlage für die begehrte Grundbuchseintragung. Dass sie, wie im Vertrag festgehalten, den Antrag auf Verbücherung erst nach Ablauf von drei Jahren nach Begründung des Wohnungseigentums an der Liegenschaft stellten, kann die Nichtigkeit des Vertrags nicht beseitigen und damit auch keine (nachträgliche) Wirksamkeit des Vertrags begründen.
    Albert Scherzer | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 124/22d | OGH vom 02.11.2022 | Dokument-ID: 1130530