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1 Ob 198/13v; OGH; 21. November 2013
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Artur S*****, vertreten durch Mag. Peter Freiberger, Rechtsanwalt in Mürzzuschlag, gegen die beklagte Partei Ewald T*****, vertreten durch Dr. Hans Kröppel, Rechtsanwalt in Kindberg, wegen EUR 900,– sA, Räumung und Feststellung, über die (richtig:) außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 14. Juni 2013, GZ 1 R 59/13p-13, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Mürzzuschlag vom 20. Dezember 2012, GZ 3 C 34/12w-8, teils bestätigt, teils aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
1. Nach ständiger Rechtsprechung hindert die unrichtige Benennung eines Rechtsmittels nicht dessen Behandlung in einer dem Gesetz entsprechenden Weise (RIS-Justiz RS0036258). Nach § 502 Abs 5 Z 2 ZPO gelten § 502 Abs 2 und 3 ZPO nicht für Streitigkeiten nach § 49 Abs 2 Z 5 JN, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrags entschieden wird. Hat also das Berufungsgericht wie hier zur Bestätigung des Räumungsausspruchs mit Teilurteil ausgesprochen, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei, so ist dagegen eine außerordentliche Revision zulässig (§ 505 Abs 4 ZPO). Der Antrag des Beklagten nach § 508 ZPO samt ordentlicher Revision ist daher in eine außerordentliche Revision umzudeuten.
2. Ob mehrere in Bestand gegebene Sachen eine einheitliche Bestandsache bilden, hängt in erster Linie vom Parteiwillen bei Vertragsabschluss ab. Der gemeinsame Verwendungszweck der Bestandobjekte indiziert das Vorliegen einer einheitlichen Bestandsache; wenn jedoch die Mietverträge zu verschiedenen Zeitpunkten sukzessive abgeschlossen wurden, für die einzelnen Bestandobjekte ein gesonderter Mietzins vereinbart und vorgeschrieben wurde und in den Verträgen nicht festgehalten wurde, dass die neu hinzugemieteten Bestandobjekte eine Einheit mit den bereits angemieteten Teilen bilden sollen, kann mangels Feststellung eines diesbezüglich übereinstimmenden subjektiven Parteiwillens nicht von einem einheitlichen Bestandobjekt ausgegangen werden (RIS-Justiz RS0020405 [T3, T4, T5 und T12]; RS0014368 [T1, T2]). Die Lösung der Frage, ob mehrere in Bestand gegebene Objekte eine einheitliche Bestandsache bilden, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0020405 [T7]; RS0014368 [T3]).
Der Beklagte mietete zunächst vom Kläger beginnend mit 01.09.2011 ein anderes Bestandobjekt zu einem monatlichen Mietzins von EUR 650,– zuzüglich USt. Da die Benützbarkeit dieses Bestandobjekts für den Beklagten nicht gegeben war, bot ihm der Kläger ein Ersatzobjekt an. Die Parteien vereinbarten, dass der Beklagte einen nicht als eigene Räumlichkeit ausgestalteten Hallenbereich samt Freifläche ab 01.08.2011 zu einem monatlichen Mietzins von EUR 450,– zuzüglich USt nutzen könne, bis das andere Bestandobjekt fertiggestellt sein werde. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass das ursprünglich angemietete Bestandobjekt und das Ersatzobjekt, dessen Räumung der Kläger begehrt, keine einheitliche Bestandsache bilden, ist nicht zu beanstanden. Die Mietverträge wurden sukzessive abgeschlossen, die beiden Bestandobjekte haben keinen gemeinsamen Verwendungszweck (das Ersatzobjekt wurde für die Zeit der fehlenden Benützbarkeit des anderen Bestandobjekts angemietet) und es wurde auch jeweils ein eigener Bestandzins vereinbart. Entgegen der Ansicht des Beklagten ging das Berufungsgericht im Parallelprozess ebenfalls nicht von einem einheitlichen Bestandvertrag über beide Bestandobjekte aus, sondern ließ offen, ob von zwei getrennten Mietverträgen oder von einem „Gesamtvertrag“ über zwei verschiedene Mietobjekte auszugehen sei.
3. Die gerügten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor, weil das Erstgericht dazu jeweils Feststellungen getroffen hat. Überdies wäre die vom Beklagten gewünschte (aber nicht getroffene) Feststellung, dass der Mietvertrag über das Ersatzobjekt nur für die Dauer von rund vier Monaten befristet gewesen sei, für seinen Rechtsstandpunkt nachteilig, würde er doch dann das Ersatzobjekt seit 01.12.2011 titellos benützen.
4. Nach der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0119040; vgl RS0019989 [T2]) verdrängt das dem Mieter durch § 1096 ABGB gewährte zwingende Zinsminderungsrecht für seinen Anwendungsbereich das allgemeine Zurückbehaltungsrecht des § 1052 ABGB. Zudem bezieht sich das Recht zur Leistungsverweigerung (nach § 1052 erster Satz ABGB) nur auf Pflichten, die zueinander im Austauschverhältnis stehen (RIS-Justiz RS0018760 [T2]). Ein derartiges Austauschverhältnis ist zwischen der Verpflichtung zur Zahlung des Mietzinses für das Ersatzobjekt und den Verpflichtungen des Klägers betreffend die baulichen Adaptierungen am anderen Bestandobjekt nicht gegeben. Das Ersatzobjekt ist von keiner Gebrauchseinschränkung betroffen. Der Beklagte ist auch nie wegen irgendwelcher Mängel an diesem an den Kläger herangetreten. Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass dem Beklagten gemäß § 1096 Abs 1 zweiter Satz ABGB kein Recht auf Mietzinsminderung für das Ersatzobjekt („das Bestandstück“), dessen bedungenen Gebrauch ihm der Kläger verschaffte, zusteht. Für die Monate Dezember 2011 sowie für Jänner und Februar 2012 besteht somit ein Mietzinsrückstand des Beklagten von insgesamt 900 EUR.
5. Unstrittig unterliegt der Bestandvertrag über das Ersatzobjekt nicht dem MRG, weil es sich um keine Raummiete handelt (vgl RIS-Justiz RS0069471; RS0066883). Mit Teilurteil des Berufungsgerichts wurde (nur) dem Räumungsbegehren betreffend das Ersatzobjekt wegen des rückständigen Mietzinses nach § 1118 ABGB stattgegeben. Entgegen der Ansicht des Beklagten gab er im Schreiben seines Rechtsvertreters vom 20.01.2012 keine unbedingte außergerichtliche Aufrechnungserklärung ab. Erst nach Zugang der Auflösungserklärung durch den Kläger wendete er im Verfahren als Gegenforderungen Schadenersatzforderungen aus Erschwernissen infolge Säumnis des Klägers bei der Herstellung des anderen Bestandobjekts ein und will mit den prozessual aufgerechneten Gegenforderungen dem Bestehen des geltend gemachten Mietzinsrückstands entgegentreten.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass der Bestandnehmer zur Abwehr eines Räumungsbegehrens nach § 1118 ABGB wegen rückständigen Bestandzinses behaupten und unter Beweis stellen kann, die rückständige Bestandzinsforderung sei durch Kompensation erloschen. Er muss in einem solchen Fall unter Anerkennung der behaupteten Bestandzinsschuld eine unbedingte außergerichtliche Aufrechnungserklärung abgeben und im Räumungsstreit die Abgabe der Erklärung und das Bestehen der Gegenforderung, die die Bestandzinsschuld zu erlöschen gebracht hat, nachweisen (RIS-Justiz RS0021118; vgl RS0021036). Eine Vertragsauflösung nach § 1118 ABGB wird durch eine erst nach Zugang der Auflösungserklärung ausgesprochene Aufrechnung nicht mehr berührt (RIS-Justiz RS0119980; zuletzt 8 Ob 42/13d mwN = immolex 2013/75, 236 [Pfiel]).
Zutreffend haben die Vorinstanzen erkannt, dass das Räumungsbegehren betreffend das Ersatzobjekt unabhängig vom allfälligen Bestand der Gegenforderung berechtigt ist. Die bereits eingetretene Wirksamkeit einer auf qualifizierten Zahlungsrückstand gestützten Auflösungserklärung kann durch eine nachträgliche gerichtliche Aufrechnung nicht mehr rückwirkend beseitigt werden.
6. Zusammenfassend zeigt die außerordentliche Revision keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.
Leitsätze
-
Zur Einheit verschiedener Bestandobjekte
Die Einheit verschiedener Bestandobjekte wird durch einen gemeinsamen Verwendungszweck garantiert. Liegt dieser jedoch nicht vor und bestehen darüber hinaus gesonderte Mietverträge über die einzelnen Bestandobjekte, so kann nicht von einer Einheitlichkeit ausgegangen werden. Die Nicht-Existenz einer solchen Einheit schlägt sich auch im Austauschverhältnis nieder, das als solches bei der Vielheit der Objekte nicht mehr gegeben ist.WEKA (wed) | Judikatur | Leitsatz | 1 Ob 198/13v | OGH vom 21.11.2013 | Dokument-ID: 647696