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Roman Reßler | News | 14.05.2012

Umfangreiche Umbauarbeiten im Mietobjekt – Aktuelle Judikatur

Gastautor Mag. Reßler erläutert anhand eines aktuellen Judikats, dass umfangreiche Umbauarbeiten im Mietobjekt durch den Mieter den Kündigungsgrund des erheblich nachteiligen Gebrauches oder einen Verleidungstatbestand verwirklichen können.

Rechtsgrundlagen:

§§ 9, 30 Abs 2 Z 3 1. Fall, 30 Abs 2 Z 3 2. Fall MRG, § 1118 1. Fall ABGB

OGH 8.3.2012, 2 Ob 164/11y

Sachverhalt:

Der Kläger ist Vermieter, die Beklagte ist Mieterin einer im Erdgeschoß befindlichen Wohnung. Anfang August 2003 begann die Mieterin mit umfangreichen Umbauarbeiten innerhalb und außerhalb des Bestandobjektes.

Dabei entstanden folgende Schäden im Haus:
Massive Mauerwerkschäden im Bereich der Kaminfänge, verursacht durch den Austritt von Kondenswasser, welches durch unsachgemäße Montage eines neuen Fangsystems entstanden ist. Als Folge der Durchfeuchtung kam es zu einer Kaminversottung. In der Folge verhängte der Rauchfangkehrer ein Heizverbot. Durch die Verlegung der neuen Hauptstrom- und Gasleitung kam es zu Wanddurchbrüchen, die noch nicht verschlossen wurden. Auch Wasser- und Kanalleitungen, die zur Wohnung eines anderen Mieters führten, wurden abgeschnitten.

Die Umbauarbeiten dauerten ca 8 Monate lang, wobei unter der Woche täglich von 7 – 19 Uhr gearbeitet wurde. In Folge der Lärm-, Staub- und Schmutzbeeinträchtigung zog sogar eine andere Mieterin, welche oberhalb der betroffenen Wohnung gewohnt hat, aus.

Kurz nach dem – ohne Bauanzeige und Baubewilligung – erfolgten Beginn der Arbeiten wurde der Mieterin mit baupolizeilichem Bescheid der Auftrag zur Einstellung der Arbeiten erteilt. Am 29.08.2003 wurden der Mieterin sogar mit einstweiliger Vorkehrung des Bezirksgerichtes Bauarbeiten am Bestandsobjekt und an den allgemeinen Teilen des Hauses untersagt. Am 22.01.2004 brachte der Vermieter gegen die Mieterin die gerichtliche Aufkündigung ein, wobei dieses Verfahren nach wie vor anhängig ist.

Schließlich brachte der Vermieter am 14.06.2006 gegen die Mieterin eine Räumungsklage ein, die ihr am 08.08.2006 zugestellt wurde.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab. Nach Ansicht des Erstgerichtes liege zwar im Rahmen der Prüfung der Duldungspflicht des Vermieters nach § 9 MRG ein massiver Eingriff in die Eigentumsrechte vor, jedoch sei dies gerade noch vertretbar, zumal die Mieterin für die entstandenen Schäden ohnedies schadenersatzpflichtig wäre. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Gegen dieses Berufungsurteil erhob der Kläger die außerordentliche Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, welche der OGH Folge gab.

Rechtliche Beurteilung:

Ein erheblich nachteiliger Gebrauch vom Mietgegenstand im Sinne des § 1118 1. Fall ABGB sowie § 30 Abs 2 Z3 1. Fall MRG liegt vor, wenn durch eine wiederholte länger währende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen eine erhebliche Verletzung an der Substanz des Mietgegenstandes erfolgte bzw auch nur droht.

Bauliche Veränderungen, die den Intentionen des Bestandgebers zuwider laufen, begründen nur dann einen erheblich nachteiligen Gebrauch des Bestandgegenstands, wenn dadurch wichtige wirtschaftliche oder sonstige Interessen des Bestandgebers verletzt wurden bzw die Gefahr der Verletzung solcher Interessen droht.
Nach § 1118 1. Fall ABGB ist Voraussetzung für einen Auflösungsanspruch des Vermieters immer ein vertragswidriges Verhalten. Der Mieter muss sich also so verhalten haben, dass er nicht mehr vertrauenswürdig ist. Auf ein Verschulden kommt es dabei nicht an, es genügt, dass sich der Mieter des nachteiligen Verhaltens bewusst war oder bewusst sein musste, wobei der Maßstab eines durchschnittlichen Mieters zugrunde zu legen ist.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung ob der geltend gemachte Auflösungsgrund verwirklicht wird, ist der Zugang der Auflösungserklärung, somit die Zustellung der Räumungsklage. Demnach sind nachträgliche Änderungen, etwa auch eine Besserung des Verhaltens des Mieters, bedeutungslos.
Erheblich nachteiliger Gebrauch gem 1118 1. Fall ABGB umfasst auch den Tatbestand des unleidlichen Verhaltens im Sinne des § 30 Abs 2 Z3 2. Fall MRG. Dieser Kündigungsgrund setzt eine Störung des friedlichen Zusammenlebens voraus. Sie muss durch längere Zeit fortgesetzt werden oder sich in häufigen Wiederholungen äußern. Über dies muss die Störung nach ihrer Art das bei den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls erfahrungsgemäß geduldete Ausmaß übersteigen. Entscheidend ist immer das Gesamtverhalten, wobei ein einzelner Vorfall einen Auflösungsgrund dann darstellt, wenn er derart schwerwiegend ist, dass er das Maß des Zumutbaren überschreitet und objektiv geeignet erscheint, auch nur einen Mitbewohner das Zusammenleben zu verleiden. Der Begriff „Mitbewohner“ wird extensiv ausgelegt und umfasst auch die nicht im Hause wohnenden Hauseigentümer.

Nach Ansicht des OGH fällt im vorliegenden Sachverhalt vor allem die besonders rücksichtslose Art und Weise ins Gewicht, mit der die beklagte Mieterin ihre Sanierungspläne durchgesetzt hat.

Die Rücksichtslosigkeit manifestierte sich vor allem im Einsatz von Mischmaschinen und Hilti-Hämmer, durch monatelange Lärm-, Staub- und Schmutzbeeinträchtigungen gegenüber den anderen Mietern, aber auch durch die Tatsache, dass trotz einstweiliger Vorkehrung des Bezirksgerichts Fünfhaus die Mieterin die Arbeiten fortsetzte.
Schließlich waren bei der Beurteilung des Gesamtverhaltens der Mieterin auch die zahlreichen Endbeschlüsse im Rahmen der Besitzstörungsverfahren einzubeziehen, in denen der Kläger auch zur Exekutionsführung genötigt war.

Unter all diesen Umständen ist der Tatbestand des unleidlichen Verhaltens der Mieterin im Sinne des § 30 Abs 2 Z 3 2. Fall MRG erfüllt.

Fazit:

Inhaltlich ist der vorliegenden Entscheidung des Höchstgerichtes vorbehaltlos zuzustimmen.

Im gegenständlichen Fall ist jedenfalls von erheblichen Substanzeingriffen sowohl am Bestandsobjekt als auch an den allgemeinen Teilen der Liegenschaft auszugehen. Ganz abgesehen von den jahrelangen Schmutz- und Lärmbeeinträchtigungen, welche die übrigen Mieter erleiden mussten.

Als besonders schwerwiegend ist jedoch der Umstand zu werten, dass die Mieterin sich trotz mehrerer Entscheidungen im Besitzstörungsverfahren aber auch im Baubewilligungsverfahren rücksichtslos hinweggesetzt hat und dennoch ihre Bauarbeiten fortsetzte, weshalb die Entscheidungen der Unterinstanzen angesichts der Intensität der schweren Eingriffe in Vermieterinteressen umso unverständlicher sind.

Autor:

Mag. Roman Reßler ist Rechtsberater im Zentralverband der Hausbesitzer von Wien. Schon während seines Studiums war er als Eigentümer von Liegenschaften mit Fragen des Miet- und Wohnrechts beschäftigt. Nach Absolvierung des rechtswissenschaftlichen Studiums und des Gerichtsjahres mit dem Schwerpunkt „Wohnrecht“ sammelte er weitere praktische Erfahrungen in einer Hausverwaltung. Im Jahre 2001 begann er seine Tätigkeit als Rechtsberater im Zentralverband der Hausbesitzer von Wien, wo er für die persönliche Mitgliederberatung verantwortlich ist.

Neben seiner Tätigkeit als Rechtsberater verfasst er auch juristische Fachartikel in der monatlich erscheinenden Mitgliederzeitung „Haus & Eigentum“.

www.zvhausbesitzer.at