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Johann Schöffthaler | News | 19.10.2011
Die missbräuchliche Verwendung des Begriffes „Leitende/r Angestellte/r“ und mögliche Rechtsfolgen
Gastautor Johann Schöffthaler erläutert anhand von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, zu welchen negativen Konsequenzen die falsche Verwendung der Bezeichnung „Leitender Angestellter“ führen kann.
Der Begriff „Leitende/r Angestellte/r“ wird leider immer öfters von Betrieben verwendet, um den/die betreffende/n Angestellte/n ein motivierendes Verantwortungsgefühl zu übertragen und Kontrollen durch die Arbeitsinspektion zu vermeiden.
Gemäß Arbeitszeitgesetz sind leitende Angestellte ausgenommen und brauchen dadurch auch keine Arbeitszeitaufzeichnungen führen.
Restaurant-, Filial-, Team-, Standortstellenleiter/innen etc, welche seitens des Betriebes als leitende Angestellte angegeben werden, haben meist auch so genannte „All Inclusive“-Verträge, dabei werden die geleisteten Überstunden monatlich pauschal abgegolten.
Wenn nun zu wenig Personal zur Verfügung steht, aber das Geschäft weiterlaufen muss, liegt es in der Verantwortung des/der leitenden Angestellten den reibungslosen Fortbetrieb zu gewährleisten, selbst wenn dafür Arbeitsleistungen erbracht werden müssen, die weit über das gesetzlich vorgeschriebene Maximum für „normale“ Angestellte hinausgehen.
Begriff „leitender Angestellter“ laut Verwaltungsgerichtshof
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zum Begriff des leitenden Angestellten ausgeführt, dass dieser regelmäßig unter eigener Verantwortung bedeutsame und echte unternehmerische Leitungsaufgaben auf bestimmten (Teil-)Gebieten, wie die organisatorische, personelle, kaufmännische, wirtschaftliche, technische oder wissenschaftliche Führung des Unternehmens, mit einem erheblichen eigenen Entscheidungsspielraum wahrnimmt (VwGH GZ 2000/11/0147 vom 24.10.2000).
Im Klartext bedeutet dies, dass zB ein/e leitende/r Angestellte/r nicht nur Personal kündigen, sondern auch jederzeit einstellen darf und zwar ohne Rücksprache mit einer höheren Führungsebene.
Kann er/sie das nicht, ist er/sie kein leitender Angestellter. Dies bedeutet, dass die Person Arbeitszeitaufzeichnungen führen muss, unter die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes fällt und Überstunden entsprechend abgegolten werden müssen.
Rechtsfolgen bei Arbeitszeitüberschreitungen oder fehlenden Arbeitszeitaufzeichnungen
Wird bei einer Kontrolle seitens des Arbeitsinspektorates festgestellt, dass keine Arbeitszeitaufzeichnungen vorliegen oder die angegebenen Stunden die gesetzlichen Maxima überschreiten, da der/die betroffene Arbeitnehmer/in nicht die Kriterien eines leitenden Angestellten erfüllt, kann Strafanzeige bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde erstattet werden.
Rechtsfolgen nach Arbeitsunfall durch Übermüdung aufgrund von Arbeitszeitüberschreitung
Schlimmer für den Arbeitgeber wird es aber, wenn nach Überschreiten der gesetzlichen Tages- bzw Wochenhöchstarbeitszeit der/dem „leitende/n Angestellten“ ein Arbeitsunfall oder ein Autounfall auf dem Heimweg passiert.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist der/die Arbeitgeber/in verpflichtet, ein geeignetes Maßnahmen- und Kontrollsystem zu installieren, sodass es nicht zu arbeitsrechtlichen Übertretungen kommen kann (eine schriftliche Unterweisung zur Einhaltung von Höchstarbeitszeiten könnte man als Maßnahme noch durchgehen lassen, entscheidend ist aber das Kontrollsystem).
Ist die Überschreitung der Höchstarbeitszeit bezüglich des Arbeitsunfalles unfallkausal, (z.B. durch Übermüdung) bzw wurde eine Arbeitnehmer/innenschutzvorschrift übertreten, so ist die Arbeitsinspektion verpflichtet dies gemäß § 78 StPO der zuständigen Staatsanwaltschaft zu melden. In diesem Fall geht es um Körperverletzung, auch wenn ein Fremdverschulden seitens der Polizei ausgeschlossen wurde.
Richtig teuer wird es für den/die Arbeitgeber/in aber dadurch, dass die Folgekosten (Krankenstand, Therapiekosten, Sachschäden, etc) von den jeweiligen Versicherungen wie zB der AUVA im Regress eingeklagt werden können. Man darf nicht vergessen, dass auch ein Autounfall beim Nachhauseweg ein Arbeitsunfall ist.
Rechtsfolgen durch Verstoß gegen das Lohn- und Sozialdumpinggesetz wegen „unterschlagener Arbeitszeit“
Ein weiterer Punkt, bei dem vor allem die Krankenkassen bei „leitenden Angestellten“ sehr sensibel reagieren, ist die monatliche Pauschalierung von Überstunden. Nach dem Einkommenssteuergesetz sind die geleisteten Überstunden in der Lohnverrechnung auszuweisen (ein Verweis darauf steht auch im Arbeitszeitgesetz). Ergibt aufgrund der hohen Überstundenanzahl die Lohnberechnung, dass der ausbezahlte Lohn unter dem kollektivvertraglichen liegt, wird dies seit Mai 2011 durch das Lohn- und Sozialdumpinggesetz pro Arbeitnehmer/in durch die Krankenkassen bestraft.
Wird festgestellt, dass Arbeitszeit unterschlagen wurde (auf Grund der Pauschalierung werden die tatsächlich geleisteten Überstunden oft nicht angegeben), so stellt dies eine Unterschlagung von Sozialabgaben dar, welche rückwirkend (5 Jahre) durch die Krankenkassen eingefordert werden kann. In diesem Fall sind die Krankenkassen berechtigt zu „schätzen“, welcher Betrag ausständig ist.
Bei der Feststellung von unterschlagener Arbeitszeit handelt es sich in weiterer Folge auch um Unterschlagung von Lohnsteuer. Das Finanzamt kann die letzten 7 Jahre rückwirkend einfordern und ist auch gleichzeitig Strafbehörde.
Mein Rat daher ist:
Bevor ein Betrieb in Dienstverträgen oder Stellenbeschreibungen die Bezeichnung „leitende/r Angestellte/r“ verwendet, sollte dieser sich über die entsprechende Judikatur informieren.