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Johann Schöffthaler | News | 11.10.2016
Arbeitsbedingte Erkrankungen im Zusammenhang mit Arbeitszeit: Teil 2
Gastautor Johann Schöffthaler erläutert in Teil 2, die möglichen Folgekosten sowie Strafsanktionen für Unternehmen seitens des Arbeitsinspektorates, wenn diese gesetzliche Bestimmungen z. B bezüglich der Arbeitsplatzevaluierung nicht eingehalten.
Zukünftige Entwicklung und Folgekosten für die Unternehmen
Der Anstieg der Gesundheitskosten, der in den industrialisierten Ländern beobachtet werden kann, wird mit Belastungen in der Arbeitswelt in Verbindung gebracht, sowie mit Verhaltensänderungen im Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Wandel. Am Arbeitsmarkt können einerseits kurzfristig Kosten für die Gesundheitsversorgung anfallen, etwa infolge eines Krankenstands oder von Arbeitsunfällen. Letztere können auch Auslöser für langfristige medizinische Betreuungs- und Rehabilitationskosten sein, oder indirekte Kosten verursachen infolge einer Verringerung der Erwerbsfähigkeit und damit der Produktivkraft des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin. Andererseits können Arbeitsbelastungen erst nach einer gewissen Zeit Krankheiten auslösen und über diesen Mechanismus einen nachhaltigen Effekt auf die Kosten der Gesundheitsversorgung haben. Wenn man berücksichtigt, dass die Gesundheitsversorgung in Österreich hauptsächlich aus Arbeitgeber/innen- und Arbeitnehmer/innenabgaben finanziert wird, tragen steigende Gesundheitskosten auch zur Anhebung der Lohnnebenkosten bei. Damit werden indirekt Arbeitsplätze und die Wettbewerbsfähigkeit von Betrieben belastet. Demzufolge beeinflussen Gesundheitskosten die Arbeitskosten über mehr als einen Wirkungsmechanismus.
Lange Arbeitszeiten in Österreich im EU-Schnitt
Der European Survey bestätigt den Befund, dass in Österreich lange Arbeitszeiten vergleichsweise häufig vorkommen. Aus Daten der Arbeitskräfteerhebung ist ersichtlich, dass die Verteilung der Arbeitszeit am österreichischen Arbeitsmarkt ein bimodales Muster aufweist. Einerseits liegt die durchschnittliche Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten, also im Wesentlichen der männlichen Beschäftigten, im europäischen Vergleich überdurchschnittlich hoch, andererseits sind Frauen mehr als im Durchschnitt der EU teilzeitbeschäftigt und zwar mit verhältnismäßig kurzen Arbeitszeiten.
Österreich liegt hinsichtlich vieler Belastungsdimensionen im europäischen Mittelfeld. Arbeitsintensität und Zeitdruck sind allerdings deutlich ausgeprägter als im Schnitt der EU 15. In den letzten Jahren hat sich die Wahrnehmung der Beschäftigten, zeitlich unter Druck zu stehen, noch deutlich verschärft, und der Abstand Österreichs zum Durchschnitt hat sich vergrößert (EU ca 15 %, Österreich ca 60 %).
Indikatoren für die Arbeitszeit und den Zeitdruck zeigen, dass Männer öfter als Frauen mit einer hohen Arbeitsintensität konfrontiert sind. Hingegen führen Frauen öfter als Männer repetitive, eng getaktete Tätigkeiten aus. Frauen sind durch ihre hohe Konzentration auf den Dienstleistungsbereich zudem in hohem Maße psycho-sozialen Belastungen ausgesetzt, die sich ua aus dem ständigen zwischenmenschlichen Kontakt (persönliche Dienste, Kundenkontakt, Parteienverkehr, Betreuung und Pflege, usw.) ergeben.
Arbeitsintensität und Druck steigt!
Am stärksten steigt sowohl mittel- bis längerfristig die Arbeitsintensität und der (zeitliche) Druck, unter dem man arbeiten muss. Dieser Trend ist in den meisten einzelnen EU-Mitgliedstaaten zu verzeichnen sowie im Schnitt der EU 15. Österreich nimmt in diesem Hinblick nach den skandinavischen Ländern eine Position im Spitzenfeld ein. Anders als in Schweden und Finnland, wo hohe Anforderungen meist mit einem großen Handlungsspielraum am Arbeitsplatz Hand in Hand gehen ("aktives Arbeitsorganisationsmodell"), haben Arbeitskräfte in Österreich vergleichsweise selten einen Gestaltungsspielraum in der Arbeit bei gleichzeitig hohen Arbeitsanforderungen. In den meisten EU-Ländern und besonders in Österreich ist der Großteil der Beschäftigten mit den eigenen Arbeitsbedingungen sehr zufrieden oder zumindest ziemlich zufrieden. Diese hohen Zufriedenheitswerte lassen aber keine Schlussfolgerungen über das Ausmaß der gesundheitlichen Belastungen am Arbeitsplatz zu. Zum einen kann sich in Österreich nur die Hälfte der Befragten vorstellen, denselben Beruf auch noch mit 60 Jahren ausüben zu können. Zum anderen sind die Befragten sowohl in Österreich als auch in der EU der Ansicht, dass ein signifikanter Anteil ihrer Krankenstandstage durch den Beruf verursacht wird. Diese Ergebnisse signalisieren, dass die Beschäftigten ihre Arbeitsbedingungen kritischer bewerten, als die Angaben zur Zufriedenheit erwarten lassen (vgl. Arbeitsbedingte Erkrankungen – Schätzung der gesamtwirtschaftlichen Kosten mit dem Schwerpunkt auf physischen Belastungen, Gudrun Biffl, Thomas Leoni, Studie des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung im Auftrag der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien Begutachtung: Margit Schratzenstaller Wissenschaftliche Assistenz: Andreas Steinmayr, Andrea Sutrich, Juli 2008).
Die festgestellte Reaktion der Unternehmen
In vielen Unternehmen, insbesondere im Handel, werden belastende Arbeitszeitgestaltung, inadäquater Wechsel zwischen Aktivitäts- und Erholungsphasen, mangelhafte Pausengestaltung, häufig lange Arbeitszeiten, belastende Arbeitsmenge, Aufgaben in vorgegebener Zeit/Qualität nicht erfüllbar und Arbeitsmenge ist sehr unregelmäßig/nicht planbar, aufgrund der Evaluierung festgestellt. Die meisten Unternehmen bzw Betriebe reagieren auf die festgestellten psychischen Fehlbelastungen mit Maßnahmen sinngemäß wie zB: die „Marktmanager/innen, Filialleiter/innen, Rayonsleiter/innen etc.“ sollen das Personal besser einteilen!
Diese haben in der Realität aber meistens keine Möglichkeit eine Änderung herbeizuführen, weil es nicht in ihrer Kompetenz liegt, firmenrelevante Entscheidungen zu treffen bzw die Unternehmensphilosophie und -gestaltung zu beeinflussen. Somit sind dies wirkungslose Maßnahmen, welche zwar genannt werden, aber es ersichtlich ist, dass das Unternehmen kein Interesse daran hat, eine Verbesserung der Situation herbeizuführen, da dies meist nur mit mehr Personaleinsatz möglich ist.
Möglichen Strafsanktionen für die Unternehmen seitens des Arbeitsinspektorates
Auf Grund der Tatsache, dass die oben beschriebenen Maßnahmen keine Wirkung erzielt und so keine Verbesserung der Situation für die Arbeitnehmer/innen erfolgt, ist gemäß § 130 Abs 1 Z 6 ASchG zu bestrafen. wonach ein Arbeitgeber/eine Arbeitgeberin eine Verwaltungsübertretung begeht, wenn die durchzuführenden Schutzmaßnahmen nicht festlegt oder nicht für deren Einhaltung gesorgt wird. Dies ist mit einer Geldstrafe von 166 bis 8 324 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 333 bis 16 659 Euro zu bestrafen.
Hinweis § 4 Abs 4 ASchG: Ermittlung und Beurteilung der Gefahren und Festlegung von Maßnahmen (Arbeitsplatzevaluierung)
Die Ermittlung und Beurteilung der Gefahren ist erforderlichenfalls zu überprüfen und sich ändernden Gegebenheiten anzupassen. Die festgelegten Maßnahmen sind auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls anzupassen, dabei ist eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen anzustreben.