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Johann Schöffthaler | News | 19.07.2012
Der Golfball Teil 1 oder Arbeitsunfall am Golfplatz
Gastautor Johann Schöffthaler, tätig als Arbeitsinspektor, berichtet in seinem Beitrag von einem aktuellen Fall aus der Praxis, geschehen auf einem Golfplatz in Österreich, bei dem ein Arbeitnehmer schwer verletzt wurde.
Fore-Sicht auf der Driving Range – Sachverhalt
Angefangen hat die Geschichte, wie üblich, mit einer Unfallmeldung der AUVA (Jeder (vermeintliche) Arbeitsunfall, durch den Versicherte getötet oder mehr als drei Tage ganz oder teilweise arbeitsunfähig werden, muss längstens binnen fünf Tagen der AUVA gemeldet werden). Ein Arbeitgeber hat ordnungsgemäß mit dem dafür vorgesehenen Formular einen Arbeitsunfall gemeldet. Die Unfallursache war, dass ein Arbeitnehmer von einem Golfball am Kopf getroffen wurde (schwer verletzt!).
Auskunftspflicht des Arbeitgebers
Unter Punkt 26 des Formulars wird der Arbeitgeber aufgefordert Auskunft bzgl folgender Frage zu geben:
Haben Sie bei der Ermittlung und Beurteilung der Gefahren gemäß § 4 ASchG Maßnahmen zur zukünftigen Vermeidung solcher oder ähnlicher Unfälle vorgesehen oder geplant?
Ist die Antwort nicht eindeutig oder lässt sie Fragen offen, kommt das Arbeitsinspektorat ins Spiel um den Arbeitsunfall zu erheben.
Erhebung durch das Arbeitsinspektorat
Bei der Erhebung habe ich festgestellt, dass der betreffende Golfplatz in drei Teile untergliedert ist:
- den eigentlichen Golfplatz,
- die Driving Ranch und
- den Anfängerplatz.
Die Driving Ranch ist der Teil, bei dem die Golfspieler üben, auf eine bestimmte Entfernung zu spielen.
Der Anfängerplatz ist der Bereich, bei dem unter Aufsicht eines Golflehrers das Golfspiel vermittelt wird bzw die ersten Bälle gespielt werden.
Im betreffenden Golfplatz sind die Driving Ranch und der Anfängerplatz so angeordnet, dass beide auf dieselbe Wiese bzw dasselbe „Grün“ spielen. Da bei schönem Wetter naturgemäß viel gespielt wird, ist es nötig, von Zeit zu Zeit, die Golfbälle einzusammeln, sodass die Golfspieler sich wieder Nachschub holen können, um weiterzuspielen. Dieses Einsammeln der Golfbälle erfolgt mit einem Fahrzeug (meistens ein „Caddy“), ausgestattet mit einer Art Rechen. Dieses Fahrzeug ist geschützt mit einem Gitterkäfig und in dem Fahrzeug ist ein Schild angebracht auf dem zu lesen steht: „Während dem Einsammeln nicht aussteigen!“.
Unfallhergang
Auf meine Frage wie der Unfall nun passiert ist, wurde mir folgendes mitgeteilt:
Der Verunfallte, welcher ein langjähriger und erfahrener Mitarbeiter ist, wollte einen Golfball aus dem Wasserloch holen und hat dafür das Fahrzeug verlassen, dabei wurde er von einem Golfball am Kopf getroffen.
Vorgehensweise: Balleinsammeln
Der Spielbetrieb wird während des Balleinsammelns nicht eingestellt. Der Spielbetrieb beginnt um 06:00 Uhr und endet um 21:00 Uhr. Die Golfbälle müssen innerhalb dieses Zeitfensters eingesammelt werden, weil es ansonsten zu dunkel ist. Die Golfbälle werden eingesammelt und in eine Maschine geschüttet, von welcher sich die Golfspieler den Nachschub selbst holen können. Diese Vorgehensweise ist auf allen Golfplätzen weltweit die gleiche. Um einen weiteren gleichartigen Unfall zu vermeiden, will der Arbeitgeber ein größeres Schild mit demselben Warnhinweis im Fahrzeug anbringen.
Nach einer Befragung von mehreren Golfspielern (auch von persönlich Bekannten) meinerseits, wurde dezidiert klargestellt, dass es wirklich Usus ist, dass der Spielbetrieb nicht eingestellt wird, wenn sich das Fahrzeug im Gefahrenbereich aufhält, sondern darüber hinaus, dass es üblich ist, gezielt auf das Fahrzeug zu schießen. Dem Jagdinstinkt wird freien Lauf gelassen und dies wird toleriert.
Regeln des Golfplatzes
In den Golfplatzregeln des betreffenden Golfplatzes findet man viele Regeln, wie man sich zu kleiden und sich zu verhalten hat, aber eine Regel, dass man nicht auf das Fahrzeug schießen bzw „spielen“ soll, findet man nicht. Man ist der Ansicht, der Gitterkäfig schützt ja das Fahrzeug und den Insassen. Der Hersteller dieses Fahrzeuges hat das Schutzgitter aber keinem Beschusstest unterzogen, sondern festgestellt, dass der Schutzkäfig für eventuelle Querschläger, die leider immer wieder vorkommen, gedacht ist.
Rechtlicher Hintergrund
Der Gesetzgeber hat unter § 7 ASchG (Grundsätze der Gefahrenverhütung) klargestellt:
Arbeitgeber haben bei der Gestaltung der Arbeitsstätten, Arbeitsplätze und Arbeitsvorgänge, bei der Auswahl und Verwendung von Arbeitsmitteln und Arbeitsstoffen, beim Einsatz der Arbeitnehmer sowie bei allen Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer folgende allgemeine Grundsätze der Gefahrenverhütung umzusetzen:
- Vermeidung von Risiken;
- Abschätzung nicht vermeidbarer Risiken;
- Gefahrenbekämpfung an der Quelle;
- Berücksichtigung des Faktors „Mensch“ bei der Arbeit, insbesondere bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen sowie bei der Auswahl von Arbeitsmitteln und Arbeits- und Fertigungsverfahren, vor allem im Hinblick auf eine Erleichterung bei eintöniger Arbeit und bei maschinenbestimmtem Arbeitsrhythmus sowie auf eine Abschwächung ihrer gesundheitsschädigenden Auswirkungen;
- Berücksichtigung des Standes der Technik;
- Ausschaltung oder Verringerung von Gefahrenmomenten;
- Planung der Gefahrenverhütung mit dem Ziel einer kohärenten Verknüpfung von Technik, Arbeitsorganisation, Arbeitsbedingungen, sozialen Beziehungen und Einfluss der Umwelt auf den Arbeitsplatz;
- Vorrang des kollektiven Gefahrenschutzes vor individuellem Gefahrenschutz;
- Erteilung geeigneter Anweisungen an die Arbeitnehmer.
Die numerische Reihenfolge stellt auch die Priorität dar!
Das heißt: Zuallererst ist die Quelle der Gefahr auszuschalten (Punkt 3), somit ist der Spielbetrieb zu unterbrechen, während des Einsammelns der Golfbälle.
Das Schutzgitter des Fahrzeuges ist ein individueller Gefahrenschutz, falls aus irgendwelchen Gründen ein Golfspieler trotz Spielverbot weiterspielt. Die Begründung, dass nur während der Tageszeit die Bälle einzusammeln sind, weil man diese sonst nicht sieht, kann man nicht geltend machen, da das betreffende Grün dann als Maßnahme künstlich zu beleuchten wäre. Als weitere Begründung wurde angegeben, dass der Golfplatz nicht über die nötige Anzahl von Golfbällen verfügt um die Spieler damit ausreichend zu versorgen. Es ist die nötige Anzahl zu beschaffen. Das Einsammeln der Golfbälle ist die letzte Möglichkeit um Nachschub zu gewährleisten, aber nur bei Unterbrechung des Spielbetriebes und diese Unterbrechung muss den Spielern zur Kenntnis gebracht werden.
Reaktion des Arbeitsinspektorates
Seitens des Arbeitsinspektorates wurde ein Antrag gemäß § 10 ArbIG gestellt: ist das Arbeitsinspektorat der Ansicht, dass in einer Betriebsstätte oder auf einer Arbeitsstelle Vorkehrungen zum Schutz des Lebens, der Gesundheit und der Sittlichkeit der Arbeitnehmer/innen zu treffen sind, so hat es im Rahmen der Arbeitnehmerschutzvorschriften bei der zuständigen Behörde die Vorschreibung der erforderlichen Maßnahmen zu beantragen. Eine Ablichtung des Antrages ist dem Arbeitgeber/der Arbeitgeberin und den Organen der Arbeitnehmerschaft zur Kenntnis zu übersenden.
Fazit
Die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde ist dem Antrag durch die Arbeitsinspektion nachgekommen und hat durch Bescheid folgende sinngemäße Auflage erlassen:
„1) Während des Einsammelns der Golfbälle ist der Spielbetrieb einzustellen und
2) es ist eine akustische und optische Warnung bei Beginn der Tätigkeit zu veranlassen“.
Die Argumentation, dass es weltweit Usus ist, interessiert den Gesetzgeber nicht. Ein größeres Warnschild wird solch einen Unfall nicht vermeiden (sonst wäre ja dieser nicht passiert), somit ist diese Maßnahme nicht geeignet. Der wirtschaftliche Faktor wurde höher bewertet als die Sicherheit und Unversehrtheit von Leib und Leben. Dies stellt eine eindeutige Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften dar, mit der Folge einer schweren Körperverletzung, welche an die zuständige Staatsanwaltschaft zu melden war.
Da dies der erste Unfall dieser Art in Österreich war, besteht noch die Möglichkeit, dass der/die BetreiberIn des Golfplatzes gegen die Bescheidauflage berufen kann, darum Golfball – 1. Teil.