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Dokument-ID: 1139410

Judikatur | Entscheidung

5 Ob 9/23v; OGH; 27. Februar 2023

GZ: 5 Ob 9/23v | Gericht: OGH vom 27.02.2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1. D*, 2. M*, beide vertreten durch Dr. Ralph Mayer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin G*gesellschaft m.b.H. & Co KG, *, vertreten durch Kosch & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wiener Neustadt, sowie sämtliche Wohnungseigentümer und Fruchtgenussberechtigte der Liegenschaft EZ * KG *, wegen § 52 Abs 1 Z 6 iVm § 34 WEG 2002 über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 16. November 2022, GZ 39 R 212/22y 20, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 WEG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

[1] Die Antragsteller sind als Eigentümerpartner Mit und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft. Die Antragsgegnerin hat sich in individuell abgeschlossenen Verträgen neben der Abrechnung der Heiz und Warmwasserkosten auch zur Abrechnung der Aufwendungen für das Kaltwasser verpflichtet. Sie ist weder Verwalterin noch Mit und Wohnungseigentümerin.

[2] Die Antragsteller begehrten in ihrer beim Bezirksgericht für Handelssachen Wien eingebrachten Klage, die Antragsgegnerin als Beklagte zu einer ordnungsgemäßen liegenschaftsbezogenen Abrechnung betreffend die Aufwendungen für Wasser im Zeitraum 01.07.2019 bis 30.06.2020 zu verpflichten.

[3] Das Bezirksgericht für Handelssachen Wien deutete diese Klage a limine in einen außerstreitigen Antrag um und überwies die Sache an das Erstgericht.

[4] Die Antragsgegnerin wendete dort die Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs ein. Die Umdeutungsentscheidung des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien sei für sie nicht bindend.

[5] Das Erstgericht sprach gemäß § 40a JN aus, dass der Antrag im streitigen Verfahren zu erledigen sei.

[6] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Entscheidungsgegenstand mit EUR 10.000,– übersteigend und ließ den Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[8] 1.1. Die Auffassung der Vorinstanzen, die Antragsgegnerin sei an den vom Bezirksgericht für Handelssachen Wien a limine gefassten Umdeutungs und Überweisungsbeschluss nicht gebunden, ist nicht zu beanstanden. Nach ständiger Rechtsprechung wirkt die Rechtskraft eines in einem streitigen Verfahren oder einem streitähnlichen Außerstreitverfahren a limine gefassten Zurückweisungsbeschlusses nur dem Antragsteller oder Kläger gegenüber, nicht aber gegenüber dem Antragsgegner oder Beklagten, weshalb dieser auch nicht rechtsmittellegitimiert ist (RIS Justiz RS0006900 [T5]; RS0039200 [T30, T36]). Dies gilt auch für a limine gefasste Beschlüsse nach § 40a JN (RS0039183).

[9] 1.2. Hier erging der Beschluss des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien in einem streitigen Verfahren, sodass diese Rechtsprechungsgrundsätze, von denen abzugehen die Ausführungen der Revisionsrekurswerber keinen Anlass bieten, anzuwenden sind. Sowohl die Umdeutung als auch die Überweisung an das Erstgericht erfolgte vor Zustellung der Klage an die Antragsgegnerin, die somit zum maßgeblichen Zeitpunkt der Fassung des Beschlusses erster Instanz nicht verfahrensbeteiligt war (RS0039200 [T32]). Ihr fehlte daher die Rechtsmittellegitimation, woran der Umstand, dass das überwiesene Erstgericht (nachträglich) die Zustellung dieser Beschlüsse an sie veranlasste, nichts ändern konnte.

[10] 1.3. Einwendungen betreffend die Zulässigkeit der gewählten Verfahrensart sind nur dem Gericht gegenüber zu erklären. Abzustellen ist dabei auf einen objektiven Maßstab (RS0097531 [T1, T7]). Ob die Parteienvertreter allenfalls eine Abrede über die zulässige Verfahrensart trafen, ist irrelevant, zumal die Wahl der richtigen Verfahrensart der Parteiendisposition entzogen ist (RS0045754; RS0045469 [T1]).

[11] 1.4. Auf die Frage, ob die Einrede der Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs wider Treu und Glauben erhoben wurde, kommt es im Übrigen aber auch gar nicht an. Mangels einer allseits bindenden Entscheidung iSd § 42 Abs 3 JN (dazu RS0035572) hätte das Erstgericht – unabhängig von einem Einwand der Antragsgegnerin – über die Frage der Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs auch amtswegig zu entscheiden gehabt (3 Ob 512/94; 2 Ob 12/17d). Das überwiesene Erstgericht hatte hier nicht nur die (relative) Verfahrensvoraussetzung der sachlichen Zuständigkeit, sondern auch der Zulässigkeit des streitigen oder außerstreitigen Rechtswegs zu beurteilen. Für eine analoge Anwendung des § 46 JN auf diesen Fall besteht kein Anlass (vgl RS0039200 [T42]). Die Entscheidung 8 ObA 43/13a ist nicht einschlägig, weil dort bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs die Beklagte bereits in das Prozessrechtsverhältnis eingebunden war.

[12] 1.5. Die theoretischen Überlegungen zu der im Fall einer Verneinung der Bindung des Erstgerichts möglichen Verfahrenslage sind nicht entscheidungsrelevant. Ihnen ist entgegenzuhalten, dass der Beschluss des Erstgerichts eben nicht a limine ergangen ist und auch nicht ergehen konnte, zumal in diesem Verfahrensstadium die Antragsgegnerin in das Prozessrechtsverhältnis bereits einbezogen war. In diesem streitähnlichen Außerstreitverfahren wäre ihr daher jedenfalls ein Rechtsmittel gegen den auch für sie Bindungswirkung entfaltenden amtswegigen Überweisungsbeschluss des Erstgerichts zugestanden. Auf die Frage, ob im Fall eines rechtskräftigen Überweisungsbeschlusses des Erstgerichts das dann überwiesene Bezirksgericht für Handelssachen Wien an seinen eigenen a limine Beschluss gebunden gewesen wäre, kommt es für die Lösung des hier zu beurteilenden Falls nicht an. Diese Rechtsfrage von nur theoretischer Bedeutung ist daher nicht erheblich iSd § 62 Abs 1 AußStrG (vgl RS0088931; RS0111271).

[13] 2.1. Ob der von den Antragstellern geltend gemachte Anspruch seiner Natur nach zumindest schlüssig in das wohnrechtliche Außerstreitverfahren verwiesen ist, wurde bereits für dieselben Parteien auf Basis vergleichbarer Behauptungen und identer Vertragslage zu 5 Ob 39/22d beurteilt. Der erkennende Senat erachtete die Beurteilung des Rekursgerichts als nicht korrekturbedürftig. Das anspruchsbegründende Vorbringen zur vereinbarten „Auslagerung“ der Verwaltungsagenden im Zusammenhang mit der Kaltwasserabrechnung reiche nicht aus, um die Antragsgegnerin als Verwalterin der Eigentümergemeinschaft zu verstehen, sodass das außerstreitige Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG nicht zur Verfügung steht.

[14] 2.2. Dass diese Entscheidung noch vor Wohnungseigentumsbegründung im Vorbereitungsstadium und zu einer anderen Abrechnungsperiode ergangen ist, steht deren Anwendbarkeit auf den hier zu beurteilenden Fall nicht entgegen. Auch sie nahm auf den Kompetenztatbestand des § 52 Abs 1 Z 6 WEG und die Durchsetzung der im § 20 Abs 1 bis Abs 8 WEG in § 31 Abs 3 WEG normierten Pflichten des Verwalters Bezug und hatte ebenso das Vorbringen der Antragsteller zur Grundlage, die Antragsgegnerin übe faktisch die Verwaltungstätigkeit betreffend Wasserversorgung mit Kaltwasser aus.

[15] 2.3. Dass nach dem Vorbringen die Wasserkosten für die Versorgung der allgemeinen Teile allenfalls unmittelbar von den einzelnen Wohnungseigentümern und nicht von der Eigentümergemeinschaft getragen werden könnten, sodass sie gar keine liegenschaftsbezogenen Aufwendungen iSd § 32 WEG wären, war zu 5 Ob 39/22d nicht entscheidend. Einer abschließenden Beurteilung dieser Frage bedarf es auch hier nicht. Selbst wenn man von liegenschaftsbezogenen Aufwendungen iSd § 32 WEG 2002 ausgehen wollte, wäre die Durchsetzung des Anspruchs auf ordnungsgemäße Abrechnung von Allgemeinkosten, die ein Dritter aufgrund von mit den Wohnungseigentümern einzeln abgeschlossenen Verträgen schuldet, ihm gegenüber nicht im außerstreitigen Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG durchzusetzen, weil der erforderliche innere Zusammenhang mit der in das außerstreitige Verfahren verwiesenen Materie (vgl RS0012214 [T16]) – hier der Durchsetzung von Verwalterpflichten – nicht besteht.

[16] 2.4. Mehrfach sprach der erkennende Senat nämlich bereits aus (5 Ob 39/22d; 5 Ob 194/16i; 5 Ob 82/12p), dass eine Parallelverwaltung im Fall eines bestellten Fremdverwalters unzulässig ist. Wie bereits das Rekursgericht erwähnte, ist die Bestellung mehrerer Verwalter dem Konzept des WEG fremd, das Vertretungsmonopol kommt dem bestellten Verwalter zu (Painsi in GeKo Wohnrecht II § 18 WEG Rz 77 f; Schatzl/Spruzina aaO, § 19 WEG Rz 7).

[17] 2.5. Da § 38 Abs 1 WEG nur die Rechtsunwirksamkeit unbilliger Vereinbarungen zulasten der Wohnungseigentumsbewerber anordnet, könnte selbst deren Anwendung im Verhältnis zur (liegenschaftsfremden) Antragsgegnerin nicht die Rechtsfolge haben, dass diese (gemeint offenbar als Teilverwalterin) mit der Abrechnung der Allgemeinkosten Wasser iSd § 32 WEG betraut wäre. Auch insoweit ist keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG zu erkennen.

[18] 3. Damit war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dies einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Leitsätze

  • Zur Unzulässigkeit einer Parallelverwaltung

    Ist ein Fremdverwalter bestellt, ist eine Parallelverwaltung durch eine weitere Person unzulässig. Das WEG sieht die Bestellung mehrerer Verwalter nicht vor. Lediglich dem bestellten Verwalter kommt das Vertretungsmonopol zu.
    Eva-Maria Hintringer | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 9/23v | OGH vom 27.02.2023 | Dokument-ID: 1139403