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8 Ob 26/21p; OGH; 24.06.2022
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn sowie die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Insolvenzsache der Schuldnerin P* GmbH, *, über die Revisionsrekurse 1. des Masseverwalters Dr. Wolfgang Kleibel, Rechtsanwalt in Salzburg, vertreten durch K-B-K Hirsch Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Salzburg, 2. der Gläubigerin R*, vertreten durch Pallauf Meissnitzer Staindl & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 25. Jänner 2021, GZ 2 R 150/20x-147, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 12. November 2020, GZ 44 S 139/20w-140, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Aus Anlass der Revisionsrekurse werden die Entscheidungen der Vorinstanzen ersatzlos aufgehoben.
2. Die Revisionsrekursbeantwortung der Rekurswerber wird zurückgewiesen.
Begründung
[1] Die Schuldnerin erwarb 2007 eine Liegenschaft, auf der sie als Bauträger ein Ferienimmobilienprojekt mit einem zentralen Hotelgebäude und 17 Appartementhäusern errichten wollte. Bis 2008 wurden sechs Häuser mit 32 Appartements im „Edelrohbau“ errichtet, danach wurden die Bauarbeiten unterbrochen und nicht wieder aufgenommen.
[2] Die Schuldnerin schloss mit 14 Erwerbern Kaufverträge über insgesamt 26 Appartements samt 22 Pkw-Abstellplätzen, an denen Wohnungseigentum begründet werden sollte. Vorgesehen war eine Vertragsabwicklung mit Ratenplan nach BTVG. Zugunsten der Käufer wurde die Zusage der Einräumung von Wohnungseigentum an den jeweils zugesagten Objekten gemäß § 40 Abs 2 WEG im Grundbuch angemerkt. Mit einem Teil der Käufer schloss die Schuldnerin in der Folge Aufhebungsverträge.
[3] Die abgeschlossenen Kaufverträge enthielten eine Aufsandungsklausel hinsichtlich der Anmerkung nach § 40 Abs 2 WEG für eine konkret bezeichnete Wohnung und einen PKW-Abstellplatz, aber keine Aufsandungserklärungen zum Erwerb der mit dem künftigen Wohnungseigentum verbundenen Liegenschaftsanteile. Die Schuldnerin erteilte dem Treuhänder jeweils in den Kaufverträgen nur die Vollmacht zur künftigen Abgabe von (ua) Aufsandungserklärungen. Der Treuhänder war verpflichtet, den Kaufpreis nur auszuzahlen, soweit eine Geldlastenfreiheit gesichert war.
[4] Die Liegenschaft der Schuldnerin stellt den wesentlichen Bestandteil der Insolvenzmasse dar. Im Grundbuch sind zugunsten der Zweitrevisionsrekurswerberin, bei der es sich um die projektfinanzierende Bank handelt, zu C-LNR 1a (Höchstbetrag 3 Mio EUR), C-LNR 3b (Höchstbetrag 0,4 Mio EUR) und C-LNR 4b (Höchstbetrag EUR 1,8 Mio) Pfandrechte einverleibt. Für neun Käufer sind unter C-LNR 6 bis 14 Höchstbetragspfandrechte im Gesamtbetrag von EUR 2,925 Mio einverleibt.
[5] Im Eigentumsblatt der Liegenschaft sind zu B-LNR 1 für zehn Erwerber die Zusagen der Einräumung des Wohnungseigentums gemäß § 40 Abs 2 WEG angemerkt, die den Pfandrechten C-LNR 1a und 3b im Rang nachgehen und gegenüber C-LNR 4b vorrangig sind.
[6] Mit Beschluss vom 18.03.2019 eröffnete das Erstgericht den Konkurs über das Vermögen der Schuldnerin.
[7] Der Masseverwalter erklärte am 16.09.2019 gemäß § 21 IO den Rücktritt von den mit den Käufern geschlossenen „Kauf- und Aufhebungsverträgen“.
[8] Am 28.05.2020 genehmigte das Erstgericht den vom Masseverwalter im Zuge der freihändigen Verwertung abgeschlossenen Kaufvertrag über die Verwertung der Liegenschaft der Schuldnerin zu einem Kaufpreis von EUR 7,5 Mio Dieser Kaufvertrag wurde nach seinem Punkt 2.3. unter der aufschiebenden Bedingung geschlossen, dass dem Masseverwalter „entsprechende Löschungserklärungen oder rechtskräftige gerichtliche Entscheidungen, die deren Löschung ermöglichen, vorliegen“. Diese Bedingung ist bisher nicht eingetreten. Der Kaufpreis wurde beim Masseverwalter bis zum Schluss der Verteilungstagsatzung nicht erlegt.
[9] Der Masseverwalter beantragte dessen ungeachtet die Anberaumung einer Verteilungstagsatzung, wobei er die Rechtsansicht vertrat, dass die Löschung der Anmerkungen gemäß § 40 Abs 2 WEG aufgrund eines rechtskräftigen Verteilungsbeschlusses bewirkt werden und damit die aufschiebende Bedingung des Kaufvertrags erfüllt werden könnte. Die angemerkten Wohnungseigentumsbewerber sprachen sich gegen diesen Antrag aus.
[10] Das Erstgericht fasste, dem Entwurf des Masseverwalters folgend, nach Durchführung einer Tagsatzung den angefochtenen Beschluss, in dem es ausgehend von einer Sondermasse von EUR 7,5 Mio die Kosten des Insolvenzverwalters sowie Kosten der Sondermasseverwaltung, Steuern und Abgaben als Vorzugsposten bestimmte und die verbleibende Sondermasse von EUR 7.311.336,31 in der bücherlichen Rangordnung den im Lastenblatt eingetragenen Pfandgläubigern zuwies. Die eingetragenen Anmerkungen gemäß § 40 Abs 2 WEG hätten seit dem Rücktritt des Insolvenzverwalters gemäß § 21 IO keine vertragliche Grundlage mehr und seien bei der Verteilung nicht zu berücksichtigen.
[11] Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Verteilungsbeschluss gerichteten Rekurs der nach § 40 Abs 2 WEG angemerkten Käufer Folge und hob den Beschluss des Erstgerichts zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.
[12] In seiner Begründung kam es zu dem Ergebnis, dass den Anmerkungen der Zusage des Wohnungseigentums sachenrechtlich auch dann noch Bedeutung zukomme, wenn die Rekurswerber an sich noch keine insolvenzfesten Anwartschaften erworben hätten und sich der Rücktritt des Insolvenzverwalters auf das gesamte Vertragsverhältnis auswirke. Gemäß § 43 Abs 4 WEG seien die Anmerkungen wie Reallasten nach § 150 EO zu behandeln und zum Schätzwert in Anrechnung auf das Meistbot zu berücksichtigen.
[13] Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil noch keine einschlägige Rechtsprechung zum Sicherungsumfang der Anmerkung nach § 40 Abs 2 WEG sowie zur Bestimmung des § 43 Abs 3 WEG bestehe.
[14] Die dagegen erhobenen Revisionsrekurse des Insolvenzverwalters und der Hypothekargläubigerin (C-LNR 1a, 3b und 4b) streben jeweils eine Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts an.
[15] Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig und im Ergebnis auch berechtigt.
1. Voraussetzungen der Verteilung
Rechtliche Beurteilung
[16] Vorweg ist im Rahmen der umfassenden rechtlichen Überprüfung (RIS-Justiz RS0043352) zu beurteilen, ob überhaupt die Voraussetzungen für die Vornahme einer Verteilung vorliegen.
[17] 1.1. Im Insolvenzverfahren bildet bei der außergerichtlichen Verwertung von Massebestandteilen, die mit Absonderungsrechten belastet sind, der Erlös eine Sondermasse, die das Insolvenzgericht mit Beschluss zu verteilen hat. Die Verteilung erfolgt nach den Verteilungsvorschriften der Exekutionsordnung und deren zugehörigen Verfahrensbestimmungen (RS0003046; Jelinek in KLS § 120 Rz 37).
[18] Die Verteilungsmasse besteht aus dem Erlös, den Zinsen aus dem Erlös bis zur Rechtswirksamkeit des Kaufvertrags und den Zinsen für die danach folgende fruchtbringende Anlage (Jelinek aaO, Rz 39; Kodek in Buchegger4 IV § 119 KO Rz 109f).
[19] 1.2. Die Durchführung einer gerichtlichen Verteilung setzt die abgeschlossene Verwertung des Massebestandteils voraus. Wurde die mit Absonderungsrechten belastete Sache verkauft, ist eine Verteilung erst dann vorzunehmen, wenn der Kaufvertrag gerichtlich bewilligt wurde und unbedingt wirksam ist. Nach § 128 IO können nur hinreichende „Barmittel“ verteilt werden (Zeitler in KLS § 128 Rz 42 „... in Geld bestehendes Massevermögen ...“; Lentsch in Konecny, Insolvenzgesetze § 128 IO, Stand 30.09.2020, rdb.at, Rz 34). Erst nach Erlag des Kaufpreises hat das Gericht über die Löschung der nicht zu übernehmenden Lasten zu entscheiden (Jelinek in KLS § 120 Rz 70, 8 Ob 39/90).
[20] 1.3. Der Oberste Gerichtshof verkennt nicht, dass der Frage einer allfälligen Löschung, mit der nicht sicher gerechnet werden kann (vgl sonst zur Übernahme dieses Risikos Reckenzaun/Seidl/Weileder im Praxishandbuch Insolvenzabwicklung, 729) auch eine stark wertbildende Funktion zukommt. Während im Exekutionsverfahren die Frage der Übernahme der Lasten durch den Ersteher mangels abweichender Anträge (vgl § 146 Abs 1 Z 4) entsprechend den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen in § 170 EO zu erfolgen hat und insoweit die Frage der Übernahme der Lasten iSd § 150 EO auch vorweg durch das Gericht geklärt wird (vgl zur Rekurslegitimation im Rahmen der EO etwa Angst in Angst2 § 170 Rz 11 f; vgl zur umfassenden Abklärung 3 Ob 85/07g), ist eine unmittelbare Übernahme dieser Regelungen in der IO nicht angeordnet, sondern nur hinsichtlich der „Verteilung“ (RS0005046; RS0003381).
[21] Diese Frage kann auch nicht vorweg im Verfahren über die Genehmigung eines insoweit bedingt geschlossenen Kaufvertrags nach § 117 IO geklärt werden, gegen dessen Genehmigung den Berechtigten der Lasten kein Rekursrecht zusteht (vgl etwa Jelinek in KLS Rz 65 mwN) und in dem das Gericht den Kaufvertrag auch nur so genehmigen kann, wie dieser privatautonom gestaltet wurde.
[22] Es verbleibt aber die Möglichkeit der gerichtlichen Versteigerung oder letztlich der Ausscheidung.
[23] 1.4. Die vom Erstgericht gewählte Vorgehensweise, einen Beschluss über die Verteilung des noch nicht einmal fälligen Erlöses aus einem aufschiebend bedingten Kaufvertrag zu fassen, um erst durch die Rechtskraft des Verteilungsbeschlusses (allenfalls) die Voraussetzungen für die Erfüllung der aufschiebenden Bedingung zu schaffen, ist im Gesetz nicht gedeckt.
2. Wirkungen der Anmerkung nach § 40 WEG
[24] 2.1. Im Übrigen bezweckt die Anmerkung nach § 40 WEG den Schutz des Erwerbs des Mindestanteils und des darüber hinausgehenden Erwerbs des Wohnungseigentums als beschränktes dingliches Nutzungs- und Verfügungsrecht (RS0127718). Der angemerkte Wohnungseigentumsbewerber soll bei tatsächlich erfolgender Verbücherung durch die Löschung der Zwischeneintragungen in sinngemäßer Anwendung des § 57 Abs 1 GBG so gestellt werden, als ob sein Recht schon im Zeitpunkt der Anmerkung einverleibt worden wäre (RS0113522 [T6]). Der Rang wird ihm zur Sicherung gegen eine vereinbarungswidrige Vorgangsweise des Belasteten schon in einem Stadium der Wohnungseigentumsbegründung gewährt, in dem seine Ansprüche nach § 37 Abs 2 WEG noch nicht entstanden oder zumindest nicht fällig sind (5 Ob 164/99z; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht II23 § 40 WEG Rz 3).
[25] 2.2. Der Oberste Gerichtshof hat bei einem beglaubigt unterfertigten Kaufvertrag mit einer Aufsandungsklausel hinsichtlich eines noch nicht bestimmten ideellen Miteigentumsanteils im Zusammenhang mit der Anmerkung gemäß § 40 Abs 2 WEG bereits eine taugliche Sicherung des Rechts der Wohnungseigentumsbewerber bejaht, weil nicht bereits bei Abschluss des Bauträgervertrags Wohnungseigentum begründet werden muss (5 Ob 7/21x unter Verweis auf Gartner, BTVG4 § 9 Rz 33), hat doch der Gesetzgeber in § 9 Abs 2 BTVG explizit die Anmerkung gemäß § 40 Abs 2 WEG zur „ausreichenden grundbücherlichen Sicherung“ erklärt und damit den im WEG enthaltenen Abwicklungsmodalitäten und Sicherungssystemen hinsichtlich der Erwerberrechte während des oft lang dauernden Zeitraums bis zum Abschluss und der Verbücherung des Wohnungseigentumsvertrags auch für die Sicherung der Erwerberrechte im Bauträgervertrag entscheidende Bedeutung zuerkannt (5 Ob 7/21x). Auch dass derartige Sicherungsmechanismen in der Insolvenz des Wohnungseigentumsorganisators/Bauträgers gelten und den Insolvenzverwalter binden, wurde ausgesprochen (5 Ob 7/21x unter Verweis auf Pittl BTVG2 § 9, 99; Gartner BTVG4 § 9 Rz 34). Die „Sicherung der Erlangung der vereinbarten Rechtsstellung“ ist durch die Anmerkung gemäß § 40 Abs 2 WEG in Verbindung mit dem Klagerecht samt Streitanmerkung gemäß § 43 WEG erreicht und hat als Sicherungsmechanismus auch in der Insolvenz zu gelten (5 Ob 7/21x; Pittl BTVG2 § 9, 99 f; Gartner BTVG4 § 9 Rz 36). Hier wurde in dem Vertrag, der die Aufsandungserklärung für die Anmerkung nach § 40 Abs 2 WEG enthält, ein Dritter von den Vertragsparteien übereinstimmend „bevollmächtigt und beauftragt“ allenfalls erforderliche Nachträge und Aufsandungsurkunden auch in deren Namen notariell beglaubigt zu unterfertigen (Punkt 12.2. des Kaufvertrags).
[26] 3. Wirkungen des Rücktritts nach § 21 IO auf den Wert der durch § 40 WEG geschützten Rechtsstellung
[27] 3.1. Hinsichtlich der Wirkungen im Konkurs hat der Gesetzgeber mit der WRN 2006 das früher bestehende Aussonderungsrecht beseitigt und statt dessen in § 43 Abs 4 WEG angeordnet, dass im Falle der Zwangsversteigerung bzw der Verwertung in der Insolvenz die dem Wohnungseigentumswerber aufgrund der Anmerkung zustehenden Rechte nach Maßgabe des § 150 EO (nunmehr idF BGBl I 86/2021 ab 01.07.2021: § 200 EO) zu übernehmen sind.
[28] Nach § 200 EO idgF sind Dienstbarkeiten, Ausgedinge und andere Reallasten, denen der Vorrang vor dem Befriedigungsrecht eines betreibenden Gläubigers oder einem eingetragenen Pfandrecht zukommt, vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen. Nachfolgende Lasten sind nur insoweit zu übernehmen, als sie nach der ihnen zukommenden Rangordnung in der Verteilungsmasse Deckung finden. Die Anmerkung nach § 40 Abs 2 WEG kann in der Insolvenz also gelöscht werden, wenn sie entgegen § 9 Abs 3 BTVG dem Recht eines „betreibenden Gläubigers“ nachrangig ist und nach der ihr zukommenden Rangordnung in der Verteilungsmasse nicht Deckung findet.
[29] 3.2. Zum „Wert“ der Anmerkung ist in Erinnerung zu rufen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Rücktritt nach § 21 IO schon allgemein den Vertrag nicht ex tunc beseitigt, sondern nur ex nunc von der weiteren Leistungserbringung entbindet (RS0064493; 9 Ob 40/16x mwN; vgl etwa auch Widhalm-Budak in Konecny Insolvenzgesetze § 21 Rz 298). Es kommt zu keiner Rückabwicklung. Der Wert des bereits Empfangenen ist vom Schadenersatzanspruch des Insolvenzgläubigers abzuziehen (RS0064493 [T9]). Eine Bereicherung zu Lasten der Masse, wenn die vom Gemeinschuldner bereits erbrachten Leistungen die Gegenleistungen des Vertragspartners und dessen Schadenersatzanprüche übersteigen, wird durch einen Rückforderungsanspruch der Masse vermieden (9 Ob 40/16x; auch dazu, dass das Aussonderungsrecht aufgrund eines Eigentumsvorbehalts weiter bestehen bleibt).
[30] 3.3. Die Absicht des Gesetzgebers bei der Aufhebung des Aussonderungsrechts und der Schaffung des Verweises auf § 150 EO (nunmehr § 200 EO) war es einerseits, die Verhinderung der Verwertung durch ein Aussonderungsrecht auch nur eines Wohnungseigentumswerbers zu vermeiden, anderseits aber den Schutz der Wohnungseigentumswerber „in keiner Weise zu schmälern“ (RV 1183 BlgNR 22. GP, 29f). Dabei ging der Gesetzgeber auch von einer Einschränkung des Rücktrittsrechts des Masseverwalters aus (5 Ob 7/21x).
[31] 3.4. Dies spricht dafür, dass der Rücktritt nach § 21 IO überhaupt nur insoweit zulässig ist als dies nicht den in § 43 Abs 4 WEG durch den Verweis auf § 200 EO festgelegten Wirkungen als Reallast entgegensteht (vgl oben 2.2. vgl zum eingeschränkten Rücktrittsrecht Gartner BTVG4 § 9 Rz 34 ff mwN; Illedits/Illedits-Lohr Wohnungseigentum5, § 82 Rz 274; zum Charakter als insolvenzrechtliche Sonderbestimmung etwa Pittl BTVG2 § 9 Rz 23). Die Löschung hat in weiterer Folge nur dann zu erfolgen, wenn der Wert unter Zugrundlegung des anzunehmenden oder „provisorisch“ festgelegten Miteigentumsanteils – vgl 5 Ob 7/21x – (vgl etwa zum Wert Zeitpunkt der Schätzung Böhm/Pletzer in Schwimann IV2 BTVG § 9 Rz 30; Feil/Friedl/Bayer WEG, 422) nach Berücksichtigung der vorrangigen Gläubiger nicht mehr im Meistbot gedeckt ist. Im Falle der Löschung werden die Wohnungseigentumswerber wohl auf ihren Anspruch nach § 227 Abs 1 EO im Rang der Anmerkung zu verweisen sein (Angst aaO). An den bereits herausgearbeiteten Vorgaben für die Sicherung nach dem BTVG (vgl insoweit die kritischen Anmerkungen von Prader, immolex 2021/146, und Böhm, immolex 2021/148, zu 5 Ob 7/21x) ändert sich insofern nichts.
[32] Einer abschließenden Klärung dieser Wirkungen der Anmerkung (vgl bisher etwa zur fehlenden Stellung als Buchberechtigte: RS0113522 [T9] ua; zur bloßen Beurkundung der Zusage: 5 Ob 239/11z mwN; zur Abhängigkeit vom tatsächlichen Erwerb: RS0118477, und zur Löschung bei Gegenstandslosigkeit: RS0126088) bedarf es hier nicht.
[33] 4. Es wird im fortgesetzten Verfahren Sache des Masseverwalters sein, entweder die Voraussetzungen für die Löschung der Anmerkungen gemäß § 40 Abs 2 WEG etwa durch Zustimmung der Berechtigten zu schaffen und auf diese Weise die aufschiebende Bedingung des Kaufvertrags zu erfüllen, oder eine Verwertung der Liegenschaft unter Wahrung der nach § 43 Abs 4 IO den angemerkten Wohnungseigentumsbewerbern zustehenden Rechte vorzunehmen (vgl oben 1.3. – auch zu Versteigerungsverfahren oder Ausscheidung). Erst nach Abschluss der Verwertung der Sondermasse wird der danach zur Verfügung stehende Erlös zu verteilen sein.
[34] 5. Aus Anlass der Revisionsrekurse war daher die ohne Rechtsgrundlage ergangene Entscheidung des Erstgerichts ersatzlos zu beheben.
[35] 6. Die Revisionsrekursbeantwortung der Rekurswerber war zurückzuweisen. Im Insolvenzverfahren ist das Rekursverfahren – mit Ausnahme des Eröffnungsverfahrens sowie im Gesetz genannter Sonderfälle (zB § 125 Abs 2 Satz 5 und 6 IO) – grundsätzlich einseitig (§ 260 Abs 4 IO; RS0116129 [T2]). Es besteht hier auch keine Veranlassung, ausnahmsweise aus Gründen der „Waffengleichheit“ die Möglichkeit einer Revisionsrekursbeantwortung einzuräumen (vgl RS0118686), zumal die Rekurswerber ihren rechtlichen Standpunkt bereits im eigenen Rechtsmittel vor dem Rekursgericht ausführlich dargelegt haben.
Leitsätze
-
Zum Rücktritt bei Insolvenz im Fall einer Anmerkung gem § 40 Abs 2 WEG 2002
Ein Rücktritt nach § 21 IO ist nur insoweit zulässig, als er nicht den in § 43 Abs 4 WEG 2002 durch den Verweis auf § 200 EO festgelegten Wirkungen als Reallast entgegensteht. Die Löschung einer Anmerkung nach § 40 Abs 2 WEG 2002 hat in weiterer Folge nur dann zu erfolgen, wenn der Wert unter Zugrundlegung des anzunehmenden oder „provisorisch“ festgelegten Miteigentumsanteils nach Berücksichtigung der vorrangigen Gläubiger in der Verteilungsmasse keine Deckung findet.Eva-Maria Hintringer | Judikatur | Leitsatz | 8 Ob 26/21p | OGH vom 24.06.2022 | Dokument-ID: 1121780