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5 Ob 135/21w; OGH, 30. August 2021
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. I*****, 2. M*****, ebenda, beide vertreten durch Mag. Michael Rohr, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei D*****, vertreten durch Gesswein-Spiessberger Traxler Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Altmünster, wegen Unterlassung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Berufungsgericht vom 24. März 2021, GZ 22 R 307/20h-28, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Gmunden vom 13. Oktober 2020, GZ 2 C 295/19i-21, teilweise abgeändert, teilweise bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen deren mit EUR 688,92 (darin EUR 114,82 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Begründung
[1] Die Streitteile sind jeweils Miteigentümer einer Liegenschaft verbunden mit Wohnungseigentum, der Kläger an den Wohnungen Top G7 und Top F7. Die Beklagte ist Wohnungseigentümerin der Wohnung Top G9, einer Dachgeschosswohnung, zu der ein Stiegenaufgang führt. Der Bauträger hatte dort – wie auch in sieben anderen Dachgeschossobjekten – eine Geländertür vorgesehen, die auch in der Bau- und Ausstattungsbeschreibung aufschien. Laut Punkt VII lit c des Wohnungseigentumsvertrags dürfen alle faktisch allein nutzbaren und zugänglichen Zugangsbereiche ab der ersten verschließbaren Tür von den jeweiligen Wohnungseigentümern allein benützt werden.
[2] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr das Begehren der Kläger, die Beklagte habe es zu unterlassen, allgemeine Teile des Hauses, insbesondere den Stiegenaufgang zur vierten Etage, in dem sich ihr Wohnungseigentumsobjekt befindet, durch Absperrung eigenmächtig und ausschließlich in Anspruch zu nehmen, Einbaukästen neben der Eingangstür im Stiegenhaus unmittelbar vor bzw neben der Eingangstür anzubringen und den ursprünglichen Zustand durch Entfernung der Absperrung und der Einbaukästen wieder herzustellen.
[3] Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren insoweit statt.
[4] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten zu diesem Punkt Folge und wies das Unterlassungsbegehren ab. Punkt VII lit c des Wohnungseigentumsvertrags berechtige die Beklagte unabhängig von mündlichen Zusagen des Geschäftsführers der Bauträgerin zur Nutzung des Bereichs hinter der Geländertüre, es handle sich dabei um eine schriftlich abgeschlossene vertragliche Benutzungsregelung. Zwischen den Parteien sei strittig, ob die Geländertür eine verschließbare Tür im Sinn der Benützungsregelung sei. Der Begriff „Verschließen“ bedeute nicht, dass die Tür für Dritte unüberwindbar versperrt sein müsse. Maßgeblich sei, wie dies ein redlicher und verständiger Mensch verstehen dürfe. Da der Wohnungseigentumsvertrag zunächst Portale und Eingangstüren anführe und erst danach den Begriff der verschließbaren Tür verwende, folge daraus, dass diese nicht die Qualität einer Eingangstür haben müsse. Da sich derartige Geländertüren in allen sieben errichteten Objekten finden und der Lift für das Dachgeschoss nur für die Beklagte zugänglich sei, sei die Geländertür aus der Sicht eines objektiven und redlichen Erklärungsempfängers eine verschließbare Tür im Sinn der Benützungsregelung des Wohnungseigentumsvertrags. Dass sie nur einraste und nicht versperrt sei, ändere daran nichts, zumal sie von außen nur dadurch geöffnet werden könne, dass man hineingreift und von innen den Knauf nach unten drückt. Damit begrenze die Geländertür den der Beklagten laut Benützungsregelung zugewiesenen Bereich zur alleinigen Nutzung, sodass die Beklagte den hinter dieser Tür liegenden, faktisch nur von ihr nutzbaren Bereich alleine benutzen dürfe.
[5] Den Entscheidungsgegenstand bewertete das Berufungsgericht (hinsichtlich dieses Unterlassungsbegehrens) mit EUR 5.000,– übersteigend und ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, die Benützungsregelung hinsichtlich allgemeiner Teile habe über den Einzelfall hinaus, nämlich für weitere sechs Objekte mit derartigen Geländertüren Bedeutung.
[6] Dagegen richtet sich die Revision der Kläger, in der sie die Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung des Ersturteils anstreben. Hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.
[7] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig, sie zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
[9] 1. Gemäß § 17 Abs 1 WEG 2002 können sämtliche Wohnungseigentümer schriftlich eine Vereinbarung über die Benützung der verfügbaren allgemeinen Teile der Liegenschaft treffen. Eine Benützungsvereinbarung, die die Miteigentümer bindet, kann auch in gleichlautenden Kauf- und Wohnungseigentumsverträgen getroffen werden. Die in derartigen Summenverträgen getätigte Zusage an die Wohnungseigentumsbewerber ist als einstimmige Benutzungsvereinbarung wirksam und innerhalb der allgemeinen Grenzen des § 38 WEG 2002 zulässig (5 Ob 205/14d; vgl auch RIS-Justiz RS0013201). Dass Punkt VII lit c des Wohnungseigentumsvertrags als schriftliche Benutzungsvereinbarung in diesem Sinn zu werten ist, ziehen die Revisionswerber nicht in Zweifel. Strittig ist nur deren Auslegung.
[10] 2. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, wirft nur dann eine erhebliche Rechtsfrage auf, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042936). Steht die Vertragsauslegung durch die Vorinstanzen mit den Grundsätzen von Lehre und Rechtsprechung im Einklang, liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor (RS0042776). Dies gilt auch für die Benutzungsvereinbarung (5 Ob 255/09z; 4 Ob 93/18g). Der Umstand allein, dass die zu lösende Frage auch für sechs weitere Wohnungseigentümer (allenfalls) von Bedeutung sein könnte, bewirkt noch nicht ihre Erheblichkeit iSd § 502 Abs 1 ZPO. Eine auch im Einzelfall korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts liegt aber nicht vor.
[11] 3. Das Berufungsgericht legte seiner Beurteilung den Wortlaut der Benützungsregelung zugrunde und vertrat die Auffassung, das Wort „verschließbar“ bedeute nicht zwingend, dass es sich um eine für Dritte unüberwindbar versperrte Tür handeln müsse. Tatsächlich besteht auch nach allgemeinem Sprachgebrauch ein Unterschied zwischen den Worten „verschließbar“ und „versperrbar“. Nach den Feststellungen rastet die Geländertür ein, was nach der nicht korrekturbedürftigen Auffassung des Berufungsgerichts das Kriterium der Verschließbarkeit erfüllt. Dafür spricht vor allem das Argument, dass im Wohnungseigentumsvertrag in Punkt VII lit c gesondert von Portalen und Eingangstüren die Rede ist, sodass völlig unklar bliebe, welche andere „verschließbare Tür“ dieser Vertragspunkt sonst meinen hätte sollen. Nach der gebotenen objektiven Auslegung des Wohnungseigentumsvertrags ist davon auszugehen, die Nutzung der hinter der (durch Einrasten) verschließbaren Geländertür gelegenen Fläche sei nur für den Wohnungseigentümer der jeweiligen Dachgeschosswohnung zulässig, liegt daher nahe. Von einem notwendig allgemeinen Teil, der die Verfügbarkeit für Zwecke einer Benützungsregelung ausschließen würde (vgl RS0105691; RS0013206) kann keine Rede sein, weil die Geländertür nach den Feststellungen nicht etwa Fluchtweg für Eigentümer oder Mieter aus den unteren Stockwerken ist, sondern ein Fluchtweg nur von oben nach unten verläuft, weshalb sich – folgerichtig – die Geländertür nur dadurch öffnen lässt, dass man den Knauf von innen (also vom Bereich hinter der Tür) nach unten drückt. Eine Öffnung der Tür von der von der Allgemeinheit zu nutzenden Seite aus ist nur möglich, wenn man über die Tür greift. Abgesehen davon, dass die Behauptung, die anderen Miteigentümer wollten die Aussicht vom Stiegenhaus des Dachgeschosses aus genießen, eine im Rechtsmittelverfahren unzulässige Neuerung ist (§ 504 Abs 2 ZPO), würde auch dies den Stiegenaufgang nicht zum notwendig allgemeinen Teil machen und an dem vom Berufungsgericht gewonnenen Auslegungsergebnis nichts ändern.
[12] 4.1 Rechtsunwirksam sind gemäß § 38 Abs 1 WEG 2002 Vereinbarungen und Vorbehalte, die geeignet sind, die dem Wohnungseigentumsbewerber oder Wohnungseigentümer zustehenden Nutzungs- oder Verfügungsrechte aufzuheben oder unbillig zu beschränken. Beschränkungen, die ein Wohnungseigentümer oder Wohnungseigentumsbewerber auch bei Gleichgewicht der Vertragslage auf sich genommen hätte, die also einer vernünftigen umfassenden Interessenabwägung entsprechen, sind nicht unbillig im Sinn der Generalklausel des § 38 Abs 1 WEG 2002 (5 Ob 50/18s; RS0083371; Ofner in GeKo Wohnrecht II § 38 WEG Rz 5 mwN). Der Wohnungseigentumsbewerber hat zu beweisen, dass eine konkrete Vereinbarung unter die Generalklausel fällt (5 Ob 50/18s mwN). Rechtsverhältnisse der Wohnungseigentumsbewerber und Wohnungseigentümer untereinander sind nur dann nach § 38 WEG zu beurteilen, wenn es sich um Spätwirkungen der Vertragsübermacht des Wohnungseigentumsorganisators handeln sollte (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch Österreichisches Wohnrecht4 § 38 WEG Rz 1; Ofner aaO, Rz 8 mwN).
[13] 4.2 An diesen Grundsätzen hat sich das Berufungsgericht orientiert, das selbst für den Fall, dass der Abschluss des Wohnungseigentumsvertrags noch vom Wohnungseigentumsorganisator unter Ausnutzung von Vertragsübermacht veranlasst worden wäre, keine unbillige Beeinträchtigung der Rechte der übrigen erkennen konnte. Dies ist im Einzelfall nicht zu beanstanden. Die Benutzungsvereinbarung regelte die alleinige Nutzung durch den jeweiligen Wohnungseigentümer der Dachgeschosswohnung hinter der verschließbaren Geländertür gleichermaßen für alle sieben Dachgeschossobjekte. Dass diese zwischen den Wohnungseigentumsbewerbern selbst vereinbarte exklusive Nutzung dieses (geringen) Teils allgemeiner Flächen, die die übrigen Wohnungseigentümer nach den Feststellungen nicht benötigen, das Ergebnis der Vertragsübermacht der Wohnungseigentumsorganisatorin gewesen wäre, wurde weder behauptet noch ist das aus den Feststellungen ersichtlich. Im Hinblick auf den fehlenden Bedarf der übrigen Wohnungseigentümer an der hinter der Geländertür liegenden Fläche bedarf auch die Auffassung des Berufungsgerichts keiner Korrektur, jedenfalls liege keine unbillige Nutzungseinschränkung vor. Der Umstand allein, dass die Beklagte für die Nutzung dieses ihr exklusiv zugewiesenen Bereichs kein gesondertes Entgelt zu entrichten hat, reicht dafür nicht aus.
[14] 4.3 Einer der Spezialtatbestände des § 38 Abs 1 Z 1–5 WEG 2002 liegt bei einer solchen Benutzungsvereinbarung nicht vor, dies wurde auch nicht behauptet.
[15] 5. Damit war die Revision zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss einer weiteren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 ZPO).
[16] 6. Gemäß §§ 41, 50 ZPO haben die Kläger der Beklagten die tarifgemäß verzeichneten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung zu ersetzen, in der sie auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat.
Leitsätze
-
Zur Benützungsvereinbarung über einen allein nutzbaren Stiegenaufgang
Rechtsverhältnisse der Wohnungseigentumsbewerber- und Eigentümer untereinander sind nur dann nach § 38 WEG 2002 zu beurteilen, wenn es sich um Spätwirkungen der Vertragsübermacht des Wohnungseigentumsorganisators handelt. Die Rechte der übrigen Wohnungseigentümer sind jedenfalls nicht unbillig beeinträchtigt, wenn eine Benützungsvereinbarung für alle Wohnungseigentümer einer Dachgeschosswohnung gleichermaßen die alleinige Nutzung des zur jeweiligen Wohnung führenden Stiegenaufgangs vorsieht.Eva-Maria Hintringer | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 135/21w | OGH vom 30.08.2021 | Dokument-ID: 1106534