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Judikatur | Entscheidung
5 Ob 70/17f; OGH; 29. August 2017
GZ: 5 Ob 70/17f | Gericht: OGH vom 29.08.2017
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** S*****, vertreten durch die Rechtsanwälte Pieler & Pieler & Partner KG in Wien, gegen die beklagte Partei S***** K*****, vertreten durch Mag. Elisabeth Brandstetter, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 27. Februar 2017, GZ 40 R 10/17t-19, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG setzt in gewisser Abweichung zum Gesetzestext das Fehlen einer regelmäßigen Verwendung zu Wohnzwecken (durch wen immer) und den Mangel eines dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder eintrittsberechtigter Personen voraus (RIS-Justiz RS0070217 [T2]).
Eine regelmäßige Verwendung setzt voraus, dass die gekündigte Wohnung wenigstens während eines beträchtlichen Zeitraums im Jahr (bzw einige Tage in der Woche) als Mittelpunkt der Lebensführung (RIS-Justiz RS0079241 [T1], vgl auch RS0068874) benützt wird. Selbst die Benützung mehrerer Wohnungen erfüllt noch nicht den Kündigungstatbestand, solange der Mittelpunkt der Lebenshaltung zumindest zum Teil in der aufgekündigten Wohnung liegt (RIS-Justiz RS0079252). Die bloße Benützung eines zu Wohnzwecken gemieteten Objekts als „Absteigquartier“ (RIS-Justiz RS0103931 [T2], RS0068874 [T5, T10]) und/oder für einzelne Verrichtungen (RIS-Justiz RS0079241 [T3]) reicht für eine regelmäßige Verwendung nicht aus. Das Interesse an der Wohnung muss also über das der bloßen Bequemlichkeit hinausgehen (RIS-Justiz RS0103931 [T1], RS0079252 [T1]).
Auch wenn der Mieter die Wohnung nicht regelmäßig zu Wohnzwecken verwendet, berechtigt dies den Vermieter dann nicht zur Kündigung, wenn der Mieter ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietvertrags hat. Diese Voraussetzung ist allerdings nur erfüllt, wenn feststeht, dass der Mieter die Wohnung mit Sicherheit in naher Zukunft wieder benötigen wird. Auf ungewisse, in der Zukunft liegende Möglichkeiten ist dabei nicht Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0079210, vgl auch RS0068687).
2. Die Beurteilung der Frage, ob iSd § 30 Abs 2 Z 6 MRG von einer regelmäßigen Verwendung zu Wohnzwecken gesprochen werden kann, ist von den Umständen des konkreten Einzelfalls abhängig und begründet daher – von Fällen einer krassen Fehlbeurteilung abgesehen – regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0079241 [T13, T17], RS0103931 [T5], RS0068874 [T8], RS0044086 [T2]). Gleiches gilt für die Frage, ob dem Beklagten im konkreten Fall aufgrund der festgestellten Umstände ein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietvertrags zuzubilligen ist (RIS-Justiz RS0079210 [T3]; vgl auch RS0044086).
Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor. Nach den Feststellungen des Erstgerichts nützt die Beklagte die aufgekündigte Wohnung zumindest seit dem Sommer 2015 nicht mehr regelmäßig. Vielmehr wohnt und nächtigt die Beklagte seit diesem Zeitpunkt in einem in ihrem Eigentum stehenden Einfamilienhaus. Ihre unregelmäßigen, durchaus auch mehrere Tage währenden Aufenthalte samt Nächtigungen in der Wohnung dienen ausschließlich dazu, Post auszuheben, Besuche zu absolvieren, Wäsche zu waschen, diverse Einkäufe zu erledigen und anderen Bequemlichkeitsgründen.
Auf Basis dieses festgestellten Sachverhalts ist die Beurteilung der Vorinstanzen, die aufgekündigte Wohnung werde nicht mehr regelmäßig zu Wohnzwecken verwendet und stelle im Sinne der Rechtsprechung ein bloßes „gelegentliches Absteigquartier“ dar, ist nicht zu beanstanden. Damit trifft die beklagte Mieterin die Behauptungs- und Beweislast für ihr dringendes Wohnbedürfnis.
Das Vorhandensein eines eigenen Hauses schließt das Wohnbedürfnis für eine zusätzliche Mietwohnung regelmäßig aus (RIS-Justiz RS0079210 [T6]). Die Beklagte hat in erster Instanz zwar behauptet, dass sie „möglicherweise zum Verkauf der Liegenschaft gezwungen“ sei. Eine nur abstrakte Möglichkeit eines zukünftigen Bedarfs, nämlich im Fall eines Verlustes der vom Beklagten benutzten anderweitigen Wohngelegenheiten, reicht zur Abwehr des Kündigungsgrundes aber nicht aus (RIS-Justiz RS0079243 [T1], RS0079210 [T20]).
Das von der Beklagten erstmals in der Revision erstattete Vorbringen zur zukünftigen berufsbedingten Nutzung der aufgekündigten Wohnung (vgl 9 Ob 78/01p = RIS-Justiz RS0068997 [T10]; RS0079241 [T5]) verstößt gegen das Neuerungsverbot und ist unbeachtlich.
3. Die außerordentliche Revision war daher mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Leitsätze
-
Stellt die Benützung eines eigenen Hauses einen Kündigungsgrund gem § 30 Abs 2 Z 6 MRG dar?
Die „regelmäßige Verwendung zu Wohnzwecken“ setzt voraus, dass die Wohnung vom Gekündigten wenigstens während eines beträchtlichen Zeitraums im Jahr (bzw einige Tage in der Woche) als Mittelpunkt seiner Lebensführung benützt wird. Die Nutzung als bloßes „gelegentliches Absteigquartier“ reicht hierfür nicht aus. Das Vorhandensein eines eigenen Hauses schließt das Wohnbedürfnis für eine zusätzliche Mietwohnung grundsätzlich aus.WEKA (ato) | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 70/17f | OGH vom 29.08.2017 | Dokument-ID: 961090