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9 Ob 74/23g; OGH; 14. Februar 2024
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätin und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stiefsohn in der Rechtssache der Antragstellerin Dr. W*, vertreten durch Lirk Spielbüchler Hirtzberger Rechtsanwälte OG in Salzburg, gegen die Antragsgegnerin Mag. B*, vertreten durch Dr. Philipp Lettowsky, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Benützungsregelung (Streitwert: EUR 7.000,–) über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 24. Oktober 2023, GZ 53 R 161/23t 47, womit dem Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 20. Juli 2023, GZ 11 Nc 5/22p 43, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin ist schuldig, der Antragstellerin die mit EUR 751,92 (darin EUR 125,32 USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
[1] Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin sind Schwestern und seit 21.12.2015 je zur Hälfte Eigentümerinnen einer Liegenschaft, auf der sich ein in den Jahren 1963/64 errichtetes Einfamilienhaus mit etwa 210 m² und einer angebauten Garage befindet. Das Gebäude besteht aus einem Erdgeschoß, einem ersten Obergeschoß sowie einem Dachgeschoß. Die Benützungsbewilligung (Kollaudierung) wurde 1965 erteilt. Eine Benützungsregelung liegt nicht vor. Mietverträge betreffend eine Wohnung im Dachgeschoß sowie einer kleinen Wohnung im Erdgeschoß wurden im Jahr 2019 beendet. Die Antragstellerin nutzt seit 1991 die Zweizimmerwohnung im ersten Obergeschoß. Seit das große Zimmer und das Kabinett im Erdgeschoß nicht mehr vermietet sind, verwendet sie auch diese beiden Räume als Büro. Vom Büro aus kann der südwestliche Bereich des Gartens betreten werden. Die Antragsgegnerin wohnt nicht mehr im Haus.
[2] Die Parteien erstatteten im Verfahren verschiedene Aufteilungsvorschläge. Die Antragsgegnerin präferierte, dass ihr ein ca 400 m² großer Bauplatz zum in Richtung südseitig gelegenen Nachbargrundstück hin zukomme und die Wohnung im Dachgeschoß; ein allfälliger Wertunterschied möge durch Zahlung ausgeglichen werden (Beilage ./1). Als Alternative (Beilage ./2) solle ihr das Erdgeschoß und der Antragstellerin das Obergeschoß überlassen werden, das Dachgeschoß möge geteilt werden.
[3] Das Erstgericht traf eine Benützungsregelung, nach der unter anderem beiden Parteien bestimmte Räume im Erdgeschoß, der Antragstellerin die Räume im Obergeschoß und der Antragsgegnerin die Räume im Dachgeschoß zur alleinigen Nutzung zugewiesen wurden. Darüber hinaus wurden die Außenbereiche zwischen den Parteien so aufgeteilt, dass jeder Partei eine Gartenfläche von 374 m² zur Verfügung steht.
[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegnerin, in dem diese eine Benützungsregelung gemäß Beilage ./1 anstrebte, nicht Folge. Die von der Antragsgegnerin gewünschte Zuteilung des Gartens laut Beilage ./1 scheitere schon an der vom Erstgericht – disloziert – festgestellten fehlenden Erreichbarkeit des Gartens über eine allgemeine Fläche. Die vom Erstgericht getroffene Benützungsregelung sei nach umfassender Interessenabwägung nicht zu beanstanden. Die Zuordnung der Räumlichkeiten im Dachgeschoß an die Antragsgegnerin entspreche grundsätzlich dem Wunsch beider Parteien. Die Frage, ob die Räumlichkeiten in dem bis 2019 vermieteten Dachgeschoß baurechtlich bewilligt worden seien, trete angesichts der bisherigen Benützung und dem Wunsch der Parteien in den Hintergrund. Weiters vermögen baurechtliche oder raumordnungsrechtliche „Widmungen“ das privatrechtliche Rechtsverhältnis der Miteigentümer nicht zu definieren. Die Überprüfung einer baurechtlichen Bewilligung im vorliegenden Verfahren wäre auch im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltentrennung problematisch. Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil eine Rechtsprechung zur Frage, ob eine gerichtliche Benützungsregelung betreffend schlichtes Miteigentum baurechtlichen Bestimmungen entsprechen müsse, fehle.
[5] Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin, in der die gänzliche Abweisung des Antrags der Antragstellerin, eine Benützungsregelung zu treffen, angestrebt wird. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[6] Die Antragstellerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, das Rechtsmittel der Antragsgegnerin zurückzuweisen, in eventu ihm keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[7] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs, in dem keine konkrete Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG aufgezeigt wird, nicht zulässig.
[8] 1. Entgegen ihrem Revisionsrekursantrag, der auf gänzliche Antragsabweisung gerichtet ist, spricht sich die Antragsgegnerin in ihrem Rechtsmittel inhaltlich nunmehr für eine Benützungsregelung aus, die (im Wesentlichen) ihrer Alternativvariante Beilage ./2 entspricht. Die im Dachgeschoß befindlichen Räumlichkeiten mögen zwar der Stadtbauordnung 1958 entsprochen haben, seien aber nie als Wohnräume im Sinne des Bautechnikgesetzes 2015 genehmigt worden, weshalb die getroffene Benützungsregelung nicht zulässig sei. Nur eine Benützungsregelung, die die Benützung des Dachgeschoßes als Dachbodenräume zwischen den Parteien aufteile, erfülle die baurechtlichen Bestimmungen.
[9] 2. Dem ist entgegenzuhalten, dass für das Wohnhaus (mit Dachgeschoß) eine – mit rechtskräftigem Bescheid aus dem Jahr 1965 erteilte – Benützungsbewilligung vorliegt. Auch wenn sich die damals geltenden baurechtlichen Bestimmungen in der Zwischenzeit geändert haben sollten und das Haus den aktuellen Bauvorschriften nicht mehr entspräche, führt dies nicht dazu, dass die erteilte Benützungsbewilligung wegfiele. Im Übrigen wird durch die bloße Zuweisung des ausschließlichen Nutzungsrechts am Dachgeschoß im Rahmen des § 835 ABGB die Verwendungsart der Räumlichkeiten (die hier jahrzehntelang zu Wohnzwecken genutzt wurden) nicht geändert. Anders als in den Entscheidungen 5 Ob 87/07s und 5 Ob 83/12k, in denen ausgesprochen wurde, dass sich eine gerichtliche Benützungsregelung nach § 17 Abs 2 WEG, mit der neue Parkplätze geschaffen werden, an den geltenden baurechtlichen Bestimmungen zu orientieren hat, wird mit der erstgerichtlichen Benützungsregelung keine neue Wohnung im Dachgeschoß geschaffen.
[10] Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin daher zurückzuweisen.
[11] Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 78 Abs 2 AußStrG. Die Antragstellerin hat in ihrer Revisionsrekursbeantwortung ausdrücklich auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses der Antragsgegnerin hingewiesen (RS0122774).
Leitsätze
-
Zur Änderung baurechtlicher Vorschriften bei Erlassung einer Benützungsregelung
Eine Benützungsregelung, die auf einer rechtskräftig erteilten Benützungsbewilligung basiert, ist auch dann zulässig, wenn sich die baurechtlichen Bestimmungen seit Erlassung des bewilligenden Bescheids geändert haben sollten und das Gebäude somit nicht mehr den aktuellen Bauvorschriften entspricht.Eva-Maria Hintringer | Judikatur | Leitsatz | 9 Ob 74/23g | OGH vom 14.02.2024 | Dokument-ID: 1174135