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Judikatur | Entscheidung

1 Ob 174/22b; OGH; 12. Oktober 2022

GZ: 1 Ob 174/22b | Gericht: OGH vom 12.10.2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely-Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*, vertreten durch die Neumayer, Walter & Haslinger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei G*, vertreten durch Dr. Astrid Wagner, Rechtsanwältin in Wien, wegen Aufkündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 13. Juli 2022, GZ 38 R 69/22m-51, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gem § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

[1] Die Vorinstanzen gaben der auf § 30 Abs 2 Z 5 MRG gestützten Aufkündigung nicht Folge, weil die Wohnung nach dem Tod des ursprünglichen Mieters einem dringenden Wohnbedürfnis des eintrittsberechtigten Beklagten diene.

Rechtliche Beurteilung

[2] Die außerordentliche Revision des Klägers zeigt keine erhebliche Rechtsfrage gem § 502 Abs 1 ZPO auf.

[3] 1. Ein dringendes Wohnbedürfnis iSd § 14 Abs 3 MRG (auf den § 30 Abs 2 Z 5 MRG verweist) ist nur zu verneinen, wenn eine andere ausreichende Unterkunft zur Verfügung steht (RS0069974). Die alternative Wohnmöglichkeit muss rechtlich gleichwertig und abgesichert sein (RS0069957; RS0069751; RS0068181; RS0069974 [T2, T4]). Ob nach den tatsächlichen und rechtlichen (4 Ob 210/17m mwN) Verhältnissen ein dringendes Wohnbedürfnis besteht, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und begründet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (RS0042789; RS0044086).

[4] 2. Der Beklagte ist – wie sich aus dem Firmenbuch ergibt – geschäftsführender Minderheitsgesellschafter einer GmbH. Er übertrug dieser 2003 mit Zustimmung des Vermieters die Mietrechte an einem Mietobjekt. Der Revisionswerber wendet sich gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach es sich bei diesem Mietobjekt um keine rechtlich gleichwertige Ersatzwohnung des Beklagten handle. Dies begründet jedoch keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung.

[5] 3. Dass der Beklagte – wie der Revisionswerber behauptet – als alleiniger Geschäftsführer über die Nutzung des Bestandobjekts der Gesellschaft entscheiden und dieses faktisch als Wohnung nützen könne, ist mit der Rechtsposition eines Hauptmieters nicht vergleichbar. Der Beklagte hat als Geschäftsführer der GmbH auch stets in deren Interesse zu handeln (3 Ob 521/84 = RS0059586; RS0059774 [T4]). Warum eine private Nutzung des Bestandobjekts der Gesellschaft durch ihren Geschäftsführer in deren Interesse gelegen wäre, lässt sich der Revision nicht entnehmen. Im Übrigen unterliegt der Geschäftsführer einer GmbH auch den Weisungen der Gesellschafter (§ 20 Abs 1 GmbHG). Die Mehrheitsgesellschafterin hätte es somit in der Hand, eine private Nutzung des Mietobjekts der Gesellschaft durch ihren geschäftsführenden Minderheitsgesellschafter jederzeit zu beenden. Auch aus diesem Grund gingen die Vorinstanzen zu Recht von keiner gesicherten Rechtsposition des Beklagten aus.

[6] 4. Der Revisionswerber steht auf dem Standpunkt, die Gesellschaft könne dem Beklagten eine gesicherte Rechtsposition an ihrem Mietobjekt verschaffen, indem sie ihm die Hauptmietrechte an diesem (zurück-)überträgt. Dafür wäre aber einerseits das Einverständnis des Vermieters erforderlich, andererseits bedürfte ein solches Insichgeschäft (bei dem eine Interessenkollision nicht auszuschließen wäre) der Zustimmung der Mehrheitsgesellschafterin (RS0059477, RS0028129 [insb T5, T13]). Ob beide ihre Zustimmung erteilen würden, ist jedoch ungewiss. Somit kann aber keine Rede davon sein, dass „der Mietvertrag in der vollen Dispositionsmacht des Beklagten stehe“. Ein fehlendes dringendes Wohnbedürfnis zeigt der Revisionswerber mit seiner Argumentation nicht auf.

[7] 5. Dem Revisionswerber ist im Übrigen entgegenzuhalten, dass das dringende Wohnbedürfnis des Eintrittsberechtigten nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Todes des bisherigen Mieters zu beurteilen ist (RS0069970). Nachträgliche Änderungen wären – wenn überhaupt – nur zu Gunsten des Mieters zu berücksichtigen (1 Ob 72/11m mwN). Zum Zeitpunkt des Todes des bisherigen Mieters der aufgekündigten Wohnung bestand aber weder ein vertragliches Nutzungsrecht des Beklagten an den von der GmbH gemieteten Räumen noch benutzte er diese (anders als der Beklagte in dem zu 5 Ob 5/10m zu beurteilenden Fall) faktisch als Wohnung. Dass er seine Mietrechte an die Gesellschaft übertrug, kann ihm nicht vorgeworfen werden (vgl 9 Ob 82/02b). Dafür, dass er dadurch ein dringendes Wohnbedürfnis „geradezu mutwillig und bloß durch ein Schielen auf sein Eintrittsrecht nach § 14 MRG“ herbeigeführt hätte (vgl 8 Ob 105/18a mit Hinweis auf Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Wohnrecht3 § 14 MRG Rz 22), bestehen keine Anhaltspunkte. Auf die Behauptung des Revisionswerbers, die Rechtsansicht des Berufungsgerichts würde es jedem Unternehmer ermöglichen, eine Wohnung „im Namen seiner Firma zu mieten oder auf die Firma umzuschreiben“, um damit ein dringendes Wohnbedürfnis an einer anderen Wohnung aufrecht zu erhalten, ist daher nicht weiter einzugehen.

Leitsätze

  • Dringendes Wohnbedürfnis eines Geschäftsführers (GmbH)

    Ein dringendes Wohnbedürfnis gemäß § 14 Abs 3 MRG (mit Verweis auf § 30 Abs 2 Z 5 MRG) ist nur dann nicht gegeben, wenn eine andere ausreichende Unterkunft zur Verfügung steht. Die alternative Wohnmöglichkeit muss rechtlich gleichwertig und abgesichert sein.
    Albert Scherzer | Judikatur | Leitsatz | 1 Ob 174/22b | OGH vom 12.10.2022 | Dokument-ID: 1128421