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Judikatur | Leitsatz
Die Überlegungsfrist zum Schutz vor Überrumpelung – zur Auslegung des Begriffs „am selben Tag“ in § 30a KSchG
OGH: Gibt ein Verbraucher eine Vertragserklärung, die auf den Erwerb eines Bestandrechts, eines sonstigen Gebrauchs- oder Nutzungsrechts oder des Eigentums an einer Wohnung, an einem Einfamilienwohnhaus oder an einer Liegenschaft, die zum Bau eines Einfamilienwohnhauses geeignet ist, am selben Tag ab, an dem er das Vertragsobjekt das erste Mal besichtigt hat, so kann er von seiner Vertragserklärung zurücktreten, sofern der Erwerb der Deckung des dringenden Wohnbedürfnisses des Verbrauchers oder eines nahen Angehörigen dienen soll (§ 30a Abs 1 KSchG). § 30a KSchG verfolgt das Ziel, dem Verbraucher für seine endgültige Vertragsentscheidung eine gewisse Überlegungsfrist zu geben und ihn so vor den Folgen allenfalls überstürzter und nicht ausreichend durchdachter Entscheidungen über Geschäfte von wirtschaftlich erheblichen Ausmaßen zu bewahren. Es soll also der Verbraucher geschützt werden, der seine Vertragserklärung noch im unmittelbaren Eindruck der erstmaligen Besichtigung des Vertragsobjekts abgibt, und verhindert werden, dass eine typischerweise auch emotionale Entscheidung zu einer unauflösbaren Bindung des Vertragspartners mit unter Umständen nicht ausreichend durchdachten Konsequenzen führt. Eine endgültige Bindung soll nur dann eintreten, wenn der Erwerber die Sache vor einer endgültigen Zusage noch einmal „überschlafen“ hat. Das besondere Rücktrittsrecht gründet sich auf die typischerweise vorhandene Gefahr der Überrumpelung, wenn dem an der Wohnung interessierten Verbraucher die Entscheidung über den Vertragsabschluss sofort bei der ersten Besichtigung abverlangt wird. Auf die tatsächliche Überrumpelung kommt es, wie beim Rücktrittsrecht nach § 3 KSchG (Haustürgeschäfte), nicht an. Tatbestandliche Voraussetzung für den Rücktritt von der Vertragserklärung ist, dass die erstmalige Besichtigung am selben Tag stattgefunden hat. § 30a Abs 1 KSchG ist nach Wortlaut, Zweck sowie dem Ausnahmecharakter dieser Bestimmung dahin auszulegen, dass unter dem Begriff „am selben Tag“ grundsätzlich der Kalendertag der erstmaligen persönlichen Besichtigung des Kaufobjekts und der Abgabe der Vertragserklärung zu verstehen ist. Ein Rücktrittsrecht nach § 30a Abs 1 KSchG kann in ganz besonderen Fällen ausnahmeweise auch dann bestehen, wenn der Verbraucher die Vertragserklärung zwar erst an dem auf den Tag der erstmaligen Besichtigung folgenden Kalendertag abgegeben hat, er aber aufgrund besonderer Umstände keine Gelegenheit hatte, zwischen Besichtigung und Vertragserklärung die Vor- und Nachteile des Geschäfts abzuwägen (etwa weil die Besichtigung in den späten Abendstunden stattgefunden und er die daran anschließende Vertragserklärung erst nach Mitternacht abgegeben hat). Dass die erstmalige Besichtigung der Liegenschaft an einem Nachmittag stattgefunden hat, ist weder ungewöhnlich, noch legt dieser Umstand den Verdacht auf eine Umgehung des Rücktrittsrechts nahe.