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5 Ob 83/20x; OGH; 23. Juni 2020
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin U***** e.U., *****, vertreten durch Mag. E*****, Mietervereinigung Österreichs, *****, gegen die Antragsgegner 1. E*****, 2. L*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Christian Perner, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 iVm § 16 MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11. März 2020, GZ 40 R 148/19i-37, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung
Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die Frage, ob die Antragstellerin, die aufgrund Unternehmenskaufs in die Hauptmietverträge ihrer Rechtsvorgänger über zwei verschiedene Geschäftslokale eingetreten war, anlässlich des Abschlusses eines neuen einheitlichen Mietvertrags über diese Geschäftslokale nach § 16 Abs 1 Z 1 MRG zur Rüge der Überschreitung des Hauptmietzinses anlässlich des Abschlusses dieses Hauptmietvertrags verpflichtet war.
Das Erstgericht verneinte eine Rügepflicht und gab dem Mietzinsüberprüfungsbegehren für bestimmte Zeiträume in näher bezeichnetem Umfang statt.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsgegner Folge und wies den Hauptmietzinsüberprüfungsantrag mangels rechtzeitiger Rüge als präkludiert ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands EUR 10.000 übersteige, und ließ den Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
1. Gemäß § 16 Abs 1 Z 1 MRG kann sich ein Unternehmer, der eine Geschäftsräumlichkeit mietet, auf die Überschreitung des zulässigen Höchstmaßes nach § 16 Abs 8 erster Satz MRG nur berufen, wenn er die Überschreitung unverzüglich, spätestens jedoch bei Übergabe des Mietgegenstands gerügt hat. Der Zweck dieser Rügepflicht liegt darin, den Vermieter darüber in Kenntnis zu setzen, dass der Mieter ein Mietzinsüberprüfungsverfahren unter Aufrechterhaltung aller übrigen Bestimmungen des Mietvertrags in Erwägung zieht. Die Unterlassung der gebotenen Rüge führt dazu, dass ein gegebenenfalls über der Angemessenheitsgrenze liegender Hauptmietzins saniert und nicht mehr bekämpfbar ist (RIS-Justiz RS0109327 [T1, T6]).
2. Bei dieser Bestimmung hatte der Gesetzgeber den typischen Fall des Mietvertragsabschlusses vor Übergabe des Mietgegenstands im Auge. In diesem Fall hat die Rüge nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung zwischen rechtswirksamem Abschluss des Vertrags und Übergabe des Bestandobjekts zu erfolgen (RS0109327 [T4]). Die „Übergabe“ ist regelmäßig der letztmögliche Zeitpunkt der rechtzeitigen Rüge (RS0109327 [T3]). Wenn dem Geschäftsraummieter schon vor Übergabe des Bestandobjekts die für die Festlegung des Hauptmietzinses wesentlichen Faktoren bekannt sind, ist die Überschreitung nicht erst bei Übergabe, sondern – dem Gesetzeswortlaut entsprechend – unverzüglich zu rügen (5 Ob 75/15p = RS0130085). Abzustellen ist daher auf die Kenntnis des Mieters von den mietzinsbildenden Umständen.
3. Zu dem auch hier zu beurteilenden
– untypischen – Fall der Übergabe des Bestandobjekts bereits vor Mietvertragsabschluss nahm der Fachsenat zu 5 Ob 33/17i Stellung: Der Umstand, dass das Mietobjekt zum Zeitpunkt des Zustandekommens des Hauptmietvertrags bereits übergeben war, steht einer Rügeobliegenheit nicht entgegen. Diesfalls hat die Rüge unmittelbar bei Vertragsabschluss zu erfolgen. Die Lehre stimmt dem insoweit zu, als der Mieter unverzüglich nach Vertragsabschluss rügen müsse (Lovrek/Stabentheiner in GeKo Wohnrecht I § 16 MRG Rz 55). Da im Fall der Übergabe vor Vertragsabschluss der Zustand des Bestandobjekts dem Mieter bereits bekannt sei, diente das Zuwarten mit der Rüge keinem vernünftigen Zweck mehr (T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch Wohnrecht3 § 16 MRG Rz 26; Schinnagl in Illedits/Reich-Rohrwig Wohnrecht3 § 16 MRG Rz 10). An dieser in der jüngeren Rechtsprechung des Fachsenats vertretenen und von der herrschenden Lehre geteilten Auffassung hat sich das Rekursgericht orientiert.
4. Aus der (älteren) Entscheidung 5 Ob 257/99a abzuleiten, im Fall der Übergabe vor Vertragsabschluss entfalle die sonst den Geschäftsraummieter belastende Rügeobliegenheit gänzlich, widerspricht nicht nur der wiedergegebenen jüngeren Rechtsprechung. Warum der Gesetzgeber einen Geschäftsraummieter, der – aus welchen Gründen immer – das Objekt bereits vor Vertragsabschluss übergeben erhalten hat, gegenüber demjenigen besser stellen sollte, dem das Bestandobjekt erst nach Vertragsabschluss übergeben wird, ist nicht nachvollziehbar und mit Sinn und Zweck der Rügepflicht des § 16 Abs 1 Z 1 MRG nicht zu vereinen. Der letzte Halbsatz „spätestens jedoch bei Übergabe des Mietgegenstands“ nennt den letztmöglichen Zeitpunkt einer Rüge, spielt aber nach Wortlaut und Systematik des Gesetzes dann keine rechtlich relevante Rolle, wenn die Übergabe bereits vor Vertragsabschluss erfolgte; diesfalls ist die Rüge vielmehr – dem dies als Grundsatz anordnenden Gesetzestext folgend – unverzüglich zu erheben (vgl auch Stabentheiner/Lovrek in GeKo Wohnrecht I § 16 MRG Rz 51).
5. Damit war der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss einer weiteren Begründung bedürfte (§ 71 Abs 3 AußStrG).