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5 Ob 148/13w; OGH; 20. Mai 2014
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. Brenn und Mag. Wurzer als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Eigentümergemeinschaft des Hauses EZ ***** GB ***** mit der Grundstücksadresse *****, vertreten durch Dr. Hans Günther Medwed, Mag. Michael Medwed, Mag. Johann Sparowitz, Rechtsanwälte in Graz, gegen den Antragsgegner Dr. B*****, vertreten durch Schmidt & Horn Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen § 52 Abs 1 Z 6 WEG iVm § 31 Abs 3 WEG, über die Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 3. Mai 2013, GZ 7 R 6/13y-44, womit infolge Rekurses des Antragsgegners der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Graz-West vom 29. November 2012, GZ 16 Msch 1/12w-40, aufgehoben wurde, den
Sachbeschluss
gefasst:
Spruch
Beiden Revisionsrekursen wird Folge gegeben.
Der Beschluss des Rekursgerichts wird aufgehoben und es wird in der Sache selbst dahin entschieden, dass in der Hauptsache der erstgerichtliche Sachbeschluss mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, dass er zu lauten hat:
„Der Antragsgegner ist verpflichtet, der Antragstellerin zu Handen des neuen Verwalters der Liegenschaft den Rücklagenüberschuss in Höhe von EUR 22.540,– samt 4 % Zinsen seit 31.08.2010 binnen 14 Tagen herauszugeben.“
Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin die mit EUR 2.848,32 (darin enthalten EUR 474,72 USt) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin die mit EUR 1.824,88 bestimmten Kosten des Rekurs- und des Revisionsverfahrens (darin enthalten EUR 279,48 USt, EUR 148,– Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Der Antragsgegner war bis zum 31.12.2005 Verwalter der Liegenschaft EZ ***** GB *****, an der Wohnungseigentum begründet ist.
In seiner Eigenschaft als Verwalter beauftragte er ein Unternehmen mit der Ausarbeitung eines Gutachtens über den Sanierungsbedarf des Gebäudes. Für dieses Gutachten bezahlte er am 15.01.2003 EUR 22.000,– netto zuzüglich EUR 4.400,– USt aus dem Rücklagenkonto der Eigentümergemeinschaft (Antragstellerin).
Als die Wohnungseigentümer erfuhren, dass die Einholung dieses Gutachtens mit Kosten verbunden war, beschwerten sie sich und drohten dem Antragsgegner mit der Kündigung des Verwaltervertrags. Daraufhin überwies der Antragsgegner am 31.03.2003 aus seinem eigenen Vermögen EUR 26.400,– auf das Rücklagenkonto der Antragstellerin. Als der Verwaltervertrag in der Folge dennoch zum 31.12.2005 aufgekündigt wurde, entschloss sich der Antragsgegner im Jahr 2005, den Betrag von EUR 26.400,– vom Rücklagenkonto der Antragstellerin zu beheben und für sich zu vereinnahmen, wobei er diese Position in die Jahresabrechnung für das Jahr 2005 aufnahm.
Über Antrag eines Wohnungseigentümers stellte das Bezirksgericht Leibnitz mit Sachbeschluss vom 31.08.2009 zu AZ 4 Msch 1/09h fest, dass die vom Antragsgegner gelegte Abrechnung für das Jahr 2005 ua im Ausmaß von EUR 22.000,– netto, somit EUR 26.400,– brutto, für die Kosten der Sanierungsplanung unrichtig sei und diese Ausgabe in der Abrechnung zu entfallen habe. Ferner stellte das Bezirksgericht Leibnitz fest, dass der Antragsgegner für das Jahr 2005 EUR 450,28 netto (EUR 540,34 brutto) für ein von ihm für das Jahr 2004 verzeichnetes Bauverwaltungshonorar, das der Antragsgegner bereits aus der Rücklage entnommen hatte, zu Unrecht verrechnet habe, weil der Verrechnung eines Bauverwaltungshonorars in diesem Umfang keine Vereinbarung zugrunde liege. Bezüglich dieser Positionen wurde der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Leibnitz durch die Rekursentscheidung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 07.05.2010, AZ 3 R 153/09f, bestätigt. Insoweit ist dieser Sachbeschluss in Rechtskraft erwachsen.
Nach Beendigung seiner Verwaltungstätigkeit am 31.12.2005 legte der Antragsgegner am 31.01.2006 eine Endabrechnung, in der der Stand der Reparaturrücklage zum 31.12.2005 mit EUR 532.444,93 angegeben wird. Das entsprach dem tatsächlichen Stand des in der Verfügungsgewalt der neuen Hausverwaltung gelangten Rücklagenkontos zum Zeitpunkt des Übergabe der Verwaltung. In der Verwalterendabrechnung verbuchte der Antragsgegner die in diesem Verfahren strittigen Positionen als Aufwendungen.
Mit der am 22.09.2010 im Streitverfahren beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz eingebrachten Mahnklage begehrte die Antragstellerin als Klägerin zunächst Zahlung von EUR 26.950,34 sA. Der Beklagte (nunmehr: Antragsgegner) habe in die Abrechnung für das Jahr 2005 eine Nettoposition von EUR 22.000,– als „Kosten der Sanierungsplanung“ und eine Position für ein von ihm verrechnetes, insoweit durch das Verwaltungshonorar bereits abgedecktes Bauverwaltungshonorar im Umfang von EUR 450,28 netto (EUR 540,34 brutto) zu Unrecht aufgenommen und die entsprechenden Beträge der Rücklage entnommen. Das sei durch die Entscheidung des Bezirksgerichts Leibnitz rechtskräftig festgestellt worden.
Im Zuge des Verfahrens schränkte die Antragstellerin ihr Begehren um die Umsatzsteuer aus der Position „Kosten der Sanierungsplanung“ auf EUR 22.000,– netto, insgesamt somit auf ein Begehren von EUR 22.540,34 sA, ein.
Der Antragsgegner (zunächst Beklagter) wandte ein, bei der strittigen Position von EUR 22.000,– netto handle es sich um einen von ihm gewährten Honorarnachlass. Er habe sich – das sei auch das Ergebnis des Verfahrens vor dem Bezirksgericht Leibnitz gewesen – bereit erklärt, diese Kosten zu übernehmen. Dabei sei er von der internen – bedauerlicherweise gegenüber der Eigentümergemeinschaft nicht offen gelegten – Überlegung ausgegangen, dass er das Haus weitere zehn Jahre verwalten werde.
Das von der Antragstellerin erhobene Begehren in Ansehung der Position „Bauverwaltungshonorar“ bestritt der Antragsgegner inhaltlich nur im Hinblick auf die seiner Ansicht nach zu Unrecht begehrte Umsatzsteuer und im Hinblick auf den Verjährungseinwand, den er damit begründete, dass die Antragstellerin insgesamt Schadenersatzansprüche geltend mache, für die zum Zeitpunkt der Klageeinbringung die dreijährige Verjährungsfrist bereits abgelaufen sei.
Im Übrigen brachte der Antragsgegner vor, dass eine Bindungswirkung der im vorangegangenen außerstreitigen Wohnrechtsverfahren gefällten Entscheidung mangels Parteienidentität nicht bestehe.
Im Zuge der Erörterung der Zulässigkeit des Rechtswegs brachte die Klägerin und nunmehrige Antragstellerin ergänzend vor (S 2 in ON 19), dass sich der Anspruch auch auf eine vereinbarungswidrige Verrechnung und auf Schadenersatz gründe.
Mit – rechtskräftigem – Beschluss vom 18.08.2011 (ON 20) sprach das zunächst angerufene Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz aus, dass die Rechtssache im außerstreitigen Verfahren zu erledigen sei, erklärte das gesamte bisherige Verfahren mit Ausnahme der Mahnklage, die als Antrag im außerstreitigen Verfahren zu behandeln sei, für nichtig, hob die Kosten des (nichtigen) Verfahrens gemäß § 51 Abs 2 ZPO gegenseitig auf, sprach seine sachliche Unzuständigkeit zur Behandlung des als Klage bezeichneten außerstreitigen Sachantrags aus und überwies die Rechtssache an das örtlich und sachlich zuständige Bezirksgericht Graz-Ost.
Im fortgesetzten Verfahren vor dem Erstgericht, das gemäß § 30 JN als zuständiges Gericht bestimmt wurde (vgl ON 26), wiederholte der Antragsgegner seinen Verjährungseinwand mit dem Vorbringen, dass sowohl Schadenersatzansprüche als auch Ansprüche auf Zuhaltung einer vertraglichen Zusage in drei Jahren verjährten.
Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner zur Zahlung von EUR 22.540,34 samt 4 % Zinsen seit 31.08.2010 sowie zum Ersatz der mit EUR 3.127,14 bestimmten Verfahrenskosten.
Es vertrat die Auffassung, dass der Herausgabeanspruch der Eigentümergemeinschaft gegen den Verwalter einer 30-jährigen Verjährungsfrist unterliege. Auf inhaltliche Einwendungen des Antragsgegners sei nicht einzugehen, weil der rechtskräftige Sachbeschluss des Bezirksgerichts Leibnitz im Rahmen der Überprüfung der Jahresabrechnung nach § 34 Abs 1 WEG dem Antragsgegner gegenüber Bindungswirkung entfalte. In diesem Sachbeschluss sei festgestellt worden, dass die verfahrensgegenständlichen Positionen zu Unrecht in die Verwalterabrechnung aufgenommen worden seien. Dem Antragsgegner als Verwalter könne diese Entscheidung entgegengehalten werden, zumal er am Verfahren selbst beteiligt gewesen sei. Verfahrensgegenstand sei die Verpflichtung des Antragsgegners zur Rückzahlung zu Unrecht aus der Rücklage entnommener Gelder. Diese Gelder seien einschließlich Umsatzsteuer entnommen worden, weshalb auch die begehrte Umsatzsteuer aus der Position „Bauverwaltungshonorar“ zuzusprechen sei.
Das Rekursgericht gab dem dagegen vom Antragsgegner erhobenen Rekurs in der Hauptsache Folge, hob den erstgerichtlichen Sachbeschluss auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Auf den vom Antragsgegner gegen den erstinstanzlichen Sachbeschluss ebenfalls erhobenen Kostenrekurs musste das Rekursgericht infolge seines Aufhebungsbeschlusses nicht eingehen.
Inhaltlich erachtete das Rekursgericht den vom Antragsgegner erhobenen Verjährungseinwand für unberechtigt: Die Antragstellerin erhebe keine vertraglichen, schadenersatz- oder bereicherungsrechtlichen Ansprüche, sondern begehre die Herausgabe des Rücklagenüberschusses iSd § 31 Abs 3 WEG. Das Recht der Eigentümergemeinschaft auf Herausgabe und auf Rechnungslegung verjähre erst nach 30 Jahren.
Allerdings setze die Erlassung eines exekutionsfähigen Herausgabebeschlusses in einem Verfahren nach § 31 Abs 3 WEG voraus, dass die Abrechnung Feststellungen über die Zahlungspflicht hinsichtlich des konkreten Überschusses zulasse. Zwar gingen die Parteien übereinstimmend davon aus, dass der Antragsgegner in der Verwalterendabrechnung – entgegen dem im Verfahren zur Überprüfung der Jahresabrechnung 2005 ergangenen Sachbeschluss des Bezirksgerichts Leibnitz vom 31.08.2009 – die Position „Bauverwaltungshonorar“ in Höhe von EUR 540,34 brutto und die Position „Gutachten über den Sanierungsbedarf“ in Höhe von EUR 26.400,– brutto als Entnahmen gebucht habe. Ob aber der Antragsgegner diese strittigen Positionen zu Recht der Rücklage entnommen habe, lasse sich nicht abschließend beurteilen. Eine Bindungswirkung der im vorangegangenen wohnrechtlichen Außerstreitverfahren getroffenen Entscheidung sei zu verneinen, weil im Vorverfahren nur die Wohnungseigentümer und der Antragsgegner Parteien gewesen seien; in diesem Verfahren hingegen die Eigentümergemeinschaft Antragstellerin sei. Es mangle daher für die Annahme einer Bindungswirkung an der erforderlichen Parteienidentität.
Den Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht mit der Begründung für zulässig, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu fehle, ob der rechtskräftige Sachbeschluss im Verfahren über die Richtigkeit der Abrechnung gemäß § 34 Abs 3 WEG Bindungswirkung für das Verfahren auf Herausgabe des Überschusses entfalte.
Gegen die Rekursentscheidung wendet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses.
Der Antragsgegner bekämpft die aufhebende Rekursentscheidung mit seinem auf gänzliche Antragsabweisung gerichteten Revisionsrekurs.
Beide Parteien beantragen, die Revisionsrekurse der Gegenseite zurückzuweisen; hilfsweise, ihnen nicht Folge zu geben.
Beide Revisionsrekurse sind zur Klarstellung der Rechtslage zulässig.
Da auch im Außerstreitverfahren das Verbot der reformatio in peius bei der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gemäß § 70 Abs 2 AußStrG nicht gilt (RIS-Justiz RS0123359; 5 Ob 65/12b), ist nicht nur der Revisionsrekurs der Antragstellerin sondern auch jener des Antragsgegners im Sinne einer Aufhebung der Rekursentscheidung und einer Wiederherstellung des dem Sachantrag stattgebenden erstgerichtlichen Sachbeschlusses in der Hauptsache berechtigt.
Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, der dem Vorverfahren als Partei beigezogene Antragsgegner sei an den über Antrag eines Wohnungseigentümers im Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 6 iVm § 20 Abs 3 WEG ergangenen Sachbeschluss gebunden.
Der Antragsgegner hält der Rekursentscheidung entgegen, dass Verjährung eingetreten sei, weil die Antragstellerin inhaltlich Schadenersatzansprüche geltend mache. Aber auch Bereicherungsansprüche unterlägen der dreijährigen Verjährungsfrist, weil dem Bereicherungsanspruch hier „ein Geschäft iSd § 1486 ABGB“ zugrunde liege.
Rechtliche Beurteilung
Dazu wurde erwogen:
1. Vorauszuschicken ist, dass der Oberste Gerichtshof an die rechtskräftige Entscheidung über die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs gebunden ist (stRsp; RIS-Justiz RS0035572). Bindend steht daher die Verfahrensart (hier: wohnrechtliches Außerstreitverfahren) fest. Davon zu unterscheiden ist, dass im Verfahren selbst der tatsächlich geltend gemachte Anspruch in materiell-rechtlicher Hinsicht zu überprüfen ist (1 Ob 197/99y EvBl 2000/156; 1 Ob 250/05d).
2. Der Oberste Gerichtshof hat aus Anlass eines Revisionsrekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss nach § 64 AußStrG eine allseitige Überprüfung der Rechtsansicht des Rekursgerichts vorzunehmen und ist daher nicht auf die Erörterung jener Rechtsfragen beschränkt, derentwegen der Revisionsrekurs zugelassen wurde oder die der Revisionsrekurswerber aufwirft (5 Ob 167/10k wobl 2011/77 = RIS-Justiz RS0043903 [T6]). Der Prüfungsumfang ist nur insoweit nicht unbegrenzt, als in sich geschlossene selbstständige Rechtsfragen der Nachprüfung nicht unterliegen, weil sie nicht Gegenstand der Anfechtung sind (RIS-Justiz RS0043903; zum wohnrechtlichen Außerstreitverfahren 5 Ob 167/10k wobl 2011/77).
3. Nach den maßgeblichen Antrags-(ursprünglich Klage-)behauptungen (RIS-Justiz RS0005861; 5 Ob 224/09s) macht die Antragstellerin entgegen der im Revisionsrekurs des Antragsgegners vertretenen Auffassung inhaltlich keinen Schadenersatz-, sondern einen Herausgabeanspruch iSd § 31 Abs 3 WEG geltend, der aus folgenden Überlegungen berechtigt ist:
3.1 Die Eigentümergemeinschaft als Trägerin der Rücklage ist allein legitimiert, den gemäß § 52 Abs 1 Z 6 WEG in das wohnrechtliche Außerstreitverfahren verwiesenen Antrag gemäß § 31 Abs 3 WEG auf Legung der Verwalterschlussrechnung und Herausgabe des Überschusses zu stellen (5 Ob 93/98g wobl 1998/226 [Call]; 5 Ob 244/98p wobl 2000/38 [Call]; 5 Ob 268/08k; E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 31 WEG Rz 31). Ist ein neuer Verwalter bestellt, hat zwar die Herausgabe der Rücklage ausschließlich an diesen als Vertreter der Eigentümergemeinschaft zu erfolgen (E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 31 WEG Rz 46); das ändert aber nichts an der Aktivlegitimation der Eigentümergemeinschaft, für die der neue Verwalter lediglich nach der Vertretungsordnung des § 18 Abs 2 WEG als Organ einschreitet (E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 31 WEG Rz 53 mwN).
3.2 Ein exekutionsfähiger Herausgabebeschluss setzt voraus, dass die Abrechnung Feststellungen über die Zahlungspflicht hinsichtlich des Überschusses zulässt (5 Ob 175/09k wobl 2009/136 [E. M. Hausmann] mwN). Die Abrechnung über die Rücklage für den Gesamtzeitraum der Verwaltertätigkeit soll die Eigentümergemeinschaft in die Lage versetzen, die Höhe des an sie herauszugebenden „Überschusses“ zu beurteilen. Unter „Überschuss“ ist jener Betrag zu verstehen, der von den Einzahlungen der Wohnungseigentümer nach Abzug der Aufwendungen für die Liegenschaft vorhanden sein muss (5 Ob 93/98g wobl 1998/226 [Call]; E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 31 WEG Rz 43). Ist die Höhe des Überschusses nicht strittig, kann im Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG iVm § 31 Abs 3 WEG auch der bloße Herausgabeanspruch durchgesetzt werden (5 Ob 4/93 wobl 1993/107 [Call]; E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 31 WEG Rz 55).
3.3 Die Positionen „Kosten der Sanierungsplanung“ in Höhe von EUR 22.000,– netto und „Bauverwaltungshonorar“ in Höhe von EUR 540,34 brutto stellen keine Aufwendungen dar, die die Rücklage vermindern.
3.3.1 Das wäre (nur) der Fall, wenn ein die Eigentümergemeinschaft betreffender Leistungsaustausch erfolgte, die Leistung also auf Basis einer wirksamen gesetzlichen oder vertraglichen Grundlage gegenüber dem dritten Leistungsempfänger beruhte (5 Ob 183/09m wobl 2010/72; vgl auch 5 Ob 27/09w).
3.3.2 Dieser Grundsatz gilt auch im Verhältnis der Eigentümergemeinschaft zum Verwalter, der einen eigenen Aufwand verrechnet. Auch insoweit muss die verbuchte Ausgabe auf einem im Verhältnis Eigentümergemeinschaft/Verwalter tauglichen Rechtsgrund beruhen (5 Ob 119/09z wobl 2010/71).
3.3.3 Wurden Aufwendungen tatsächlich getätigt und liegt ihnen ein gesetzlicher oder vertraglicher Rechtsgrund zugrunde, könnten nur – etwa bei pflichtwidriger Beauftragung unnötiger oder konstengünstiger Arbeiten – allfällige Schadenersatzansprüche der Eigentümergemeinschaft gegen den Verwalter bestehen, die im streitigen Rechtsweg geltend zu machen wären (5 Ob 469/97z immolex 1998/137; 5 Ob 175/09k wobl 2009/136 [insoweit zust E. M. Hausmann]; Klicka in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht³ § 52 WEG Rz 22).
3.3.4 Der in der Jahresabrechnung 2005 verzeichneten Position „Kosten der Sanierungsplanung“ in Höhe von EUR 22.000,– netto liegt unstrittig kein Leistungsaustausch zwischen dem mit der Sanierungsplanung beauftragten Unternehmen und der Antragstellerin zugrunde. Vielmehr wurde die Rechnung dieses Unternehmens bereits 2003 zunächst aus der Rücklage beglichen, wobei der Antragsgegner den Rechnungsbetrag im selben Jahr aus seinem eigenen Vermögen auf das Rücklagenkonto überwies. Er gestand im Verfahren zu, der Antragstellerin in diesem Umfang einen „Honorarnachlass“ gewährt zu haben. Dass dieser „Honorarnachlass“ unter der Bedingung des Weiterbestehens des Verwaltervertrags gestanden wäre, behauptet der Antragsgegner, der selbst vorbrachte, dieses sein Motiv für den „Honorarnachlass“ bedauerlicherweise nicht offen gelegt zu haben, ebenfalls nicht. Für die 2005 erfolgte Entnahme dieses Betrags vom Rücklagenkonto besteht somit schon nach dem eigenen Vorbringen des Antragsgegners in diesem Verfahren kein Rechtsgrund.
Bei dieser Sachlage bedarf es daher keiner Auseinandersetzung mit der vom Rekursgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage der Bindungswirkung des vorangegangenen Verfahrens über die Jahresrechnung 2005.
3.3.5 Das gilt ebenso für die Position „Bauverwaltungshonorar“ in Höhe von EUR 540,34 brutto. Der Antragsgegner behauptete nicht, dass der Verrechnung dieser Position in der Jahresabrechnung 2005 ein Rechtsgrund zugrunde lag. Er bestritt auch in diesem Umfang nur die Bindungswirkung des Vorverfahrens über die Jahresabrechnung 2005, legte aber nicht dar, inwiefern er der Rücklage berechtigt ein Bauverwaltungshonorar in dieser Höhe entnahm. Da er sich unstrittig den Bruttobetrag zuwendete, ist der Rücklagenüberschuss auch um diesen Bruttobetrag zu erhöhen. Allfällige nachfolgende umsatzsteuerrechtliche Konsequenzen können bei dem hier zu schaffenden Herausgabetitel, der auf die Verhältnisse zum Entscheidungszeitpunkt abzustellen hat, nicht berücksichtigt werden.
3.4 Schließlich ist auch der Verjährungseinwand des Antragsgegners unberechtigt.
3.4.1 Der als vertraglicher Erfüllungsanspruch (vgl Apathy in Schwimann IV³ § 1009 ABGB Rz 17; Strasser in Rummel³ § 1009 ABGB Rz 24) konzipierte Herausgabeanspruch beruht materiell-rechtlich auf der Verpflichtung des Verwalters als Gewalthaber der Eigentümergemeinschaft, den sich aus der Gesamtabrechnung ergebenden Überschuss herauszugeben. Die Herausgabepflicht bezieht sich nicht nur auf Vorteile, die etwa mit vom Machthaber vermittelten Geschäften zusammenhängen, sondern auch auf Vermögenswerte, die der Machthaber sich von vorn herein ohne Rechtsgrund zugeeignet hat (4 Ob 217/13k).
3.4.2 Die Herausgabepflicht des Verwalters ergab sich bis zum In-Kraft-Treten des WEG 1975 aus den §§ 837, 1009 und 1012 ABGB und ist seit diesem Zeitpunkt in den wohnungseigentumsrechtlichen Sondervorschriften (§ 26 Abs 1 Z 4 WEG 1975; nunmehr § 31 Abs 3 WEG 2002) verankert (RIS-Justiz RS0013767), die inhaltlich der allgemeinen zivilrechtlichen Rechnungslegungs- und Herausgabepflicht entsprechen (vgl auch 5 Ob 11/08s immolex 2008/118 [Prader] zur grundsätzlichen Anwendbarkeit der §§ 1002 ff ABGB auf den WEG-Verwalter als Machthaber) und diese lediglich durch verfahrensrechtliche Anordnungen ergänzen (vgl etwa § 31 Abs 3 Satz 2 WEG bzw die Verweisung derartiger Ansprüche in das wohnrechtliche Außerstreitverfahren durch § 52 Abs 1 Z 6 WEG).
3.4.3 Sondervorschriften für die Verjährung des Herausgabeanspruchs enthält das WEG nicht. Der Herausgabeanspruch nach § 1009 ABGB verjährt aber als Erfüllungsanspruch nach herrschender Auffassung in 30 Jahren (7 Ob 2385/96b; 2 Ob 87/00h; 2 Ob 217/09i; Apathy in Schwimann IV³ § 1009 ABGB Rz 17; Strasser in Rummel³ § 1009 ABGB Rz 24; P. Bydlinski in KBB4 § 1009 ABGB Rz 4).
3.5 Daraus folgt zusammengefasst, dass schon nach dem wechselseitigen Vorbringen der Parteien unstrittig ein bisher noch nicht ausgefolgter, weiterer Rücklagenüberschuss in der vom Erstgericht angenommenen Höhe besteht, der vom Antragsgegner herauszugeben ist, ohne dass es der gesonderten (neuerlichen) Legung einer Verwalterschlussrechnung bedürfte. Lauf und Höhe des Zinsenbegehrens bestritt der Antragsgegner nicht.
Von Amts wegen war der Spruch des erstgerichtlichen Sachbeschlusses dahin zu verdeutlichen, dass die Herausgabe zu Handen des – unstrittig bereits bestellten – neuen Verwalters (vgl 3.1) zu erfolgen hat.
4. Der Antragsgegner hat in seinem Rekurs gegen die erstinstanzliche Entscheidung auch eine umfangreiche Kostenrüge erhoben, auf die infolge der Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses in der Hauptsache einzugehen ist.
Die Kostenrüge ist teilweise berechtigt.
Die verzeichnete Bemessungsgrundlage wurde bereits vom Erstgericht zutreffend auf EUR 12.000,– (im erstgerichtlichen Sachbeschluss lediglich irrtümlich mit „EUR 2.000,–“ bezeichnet) berichtigt (§ 10 Z 3 lit b sublit aa RATG – die Liegenschaft umfasst mehr als 50 Wohnungseigentumsobjekte). Zu korrigieren ist der überhöht verzeichnete Ansatz für die Verhandlung am 03.07.2012 (vgl ON 34; Verhandlungsdauer drei halbe Stunden).
Unberechtigt wendet sich hingegen der Antragsgegner gegen die Honorierung des Schriftsatzes vom 25.07.2012 (ON 36) nach TP 1 des RATG, mit welchem die Antragstellerin ihr Herausgabebegehren um die Umsatzsteuer aus EUR 22.000,– (EUR 4.400,–) einschränkte. Diese Einschränkung war zur Vorbereitung der erst für 18.10.2012 anberaumten nächsten Verhandlung durchaus zweckentsprechend.
Unberechtigt ist schließlich auch der Vorwurf, die Antragseinschränkung müsse bei der Kostenentscheidung dahin berücksichtigt werden, dass der Antragstellerin bis zur Einschränkung lediglich 60 % ihrer Kosten zuzusprechen seien.
Dabei lässt der Antragsgegner außer Acht, dass die Kostenentscheidung gemäß § 52 Abs 2 WEG iVm § 37 Abs 3 Z 17 MRG nach Billigkeit zu treffen ist. Davon ausgehend hat das Erstgericht der Antragstellerin, die lediglich geringfügig unterlegen ist, wobei das zunächst auch erhobene Herausgabebegehren in Ansehung der Umsatzsteuer aus der Position von EUR 22.000,– netto keinen messbaren Verfahrensaufwand verursachte, zu Recht vollen Kostenersatz zuerkannt.
Rechnerisch ergibt das die aus dem Spruch ersichtliche Kostenentscheidung hinsichtlich der erstinstanzlichen Verfahrenskosten.
Der Antragstellerin, die mit ihrer Beantwortung zum Kostenrekurs des Antragsgegners überwiegend erfolgreich blieb, gebühren keine Kosten für ihre Replik (zum Streitverfahren vgl RIS-Justiz RS0119892 [T3, T4, T7, T9]; 2 Ob 162/10b). Dieser Auffassung ist jedenfalls für die hier zu treffende Billigkeitsentscheidung trotz im Streitverfahren auch ergangener gegenteiliger Entscheidungen (vgl die Nachweise in 2 Ob 162/10b) zu folgen.
5. Für das Rekurs- und das Revisionsrekursverfahren entspricht es der Billigkeit, der voll obsiegenden Antragstellerin Kostenersatz zuzuerkennen. Für das Revisionsrekursverfahren verzeichnete die Antragstellerin eine zu korrigierende überhöhte Bemessungsgrundlage.
Leitsätze
-
Zur Herausgabepflicht des Verwalters und deren Verjährung
Für die Verjährung des Herausgabeanspruchs nach § 31 Abs 3 WEG 2002 bestehen keine Sondervorschriften für die Verjährung. Es gilt daher die allgemeine Verjährungsfrist für Erfüllungsansprüche von 30 Jahren.WEKA (gau) | Judikatur | Leitsatz | 5 Ob 148/13w | OGH vom 20.05.2014 | Dokument-ID: 697224